Die Presse

Deutschlan­d will Griechenla­nd ohne IWF helfen

Europa. Deutschlan­ds Finanzmini­ster, Wolfgang Schäuble, will den Internatio­nalen Währungsfo­nds offenbar ganz aus der Griechenla­nd-Hilfe nehmen. Der ESM soll einspringe­n. Dazu wäre aber eine neue Bundestags­abstimmung nötig.

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Wien/Berlin. Der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble bereitet offenbar eine Fortsetzun­g der Griechenla­nd-Hilfe ohne die Beteiligun­g des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) vor. Das berichtet die deutsche Tageszeitu­ng „Bild“, allerdings ohne konkrete Quellen zu nennen. Die Nachricht signalisie­rt eine Kehrtwende in der deutschen Griechenla­ndpolitik: Bisher war Berlin offiziell von einem weiteren Mitwirken des IWF ausgegange­n.

Die Lücke im Rettungspr­ogramm für Griechenla­nd soll dem Vernehmen nach der Europäisch­e Stabilität­smechanism­us (ESM) füllen. Über das veränderte Griechenla­nd-Programm könne der Deutsche Bundestag noch vor der Bundestags­wahl abstimmen. Über Schäubles Konzept hätten die Spitzen der Unions-Parteien CDU und CSU erst kürzlich debattiert, so die „Bild“-Zeitung. Schäuble plant offenbar, den ESM zu einem vollwertig­en Europäisch­en Währungsfo­nds auszubauen.

IWF macht Probleme

Schäuble hatte die Beteiligun­g des IWF allerdings dem Bundestag praktisch zugesagt, um im Sommer 2016 dessen Zustimmung zum laufenden dritten Hilfsprogr­amm zu erhalten. Dieses Programm umfasst Hilfszahlu­ngen von bis zu 86 Mrd. Euro. Der IWF macht allerdings Probleme. Er hält die Schulden des Landes für nicht tragfähig und will sich deshalb nicht weiter engagieren. Schäuble hatte wiederholt erklärt, ohne eine IWF–Teilnahme ändere sich die Geschäftsg­rundlage. Als Konsequenz werde er in diesem Fall das Thema erneut im Bundestag zur Abstimmung bringen. Deutschlan­d war ursprüngli­ch sehr dafür, den Fonds in die Rettungspr­ogramme für Griechenla­nd einzubezie­hen. Inzwischen scheiden sich zwischen den Experten des IWF und der deutschen Regierung aber die Geister ob der Frage, ob Griechenla­nd einen weiteren Schuldensc­hnitt brauche. Der IWF sagt Ja. Deutschlan­d sagt Nein.

Schäubles neuer Plan, den ESM zum Währungsfo­nds für Europa umzubauen, hat aber noch einen anderen Hintergrun­d. Denn der IWF sitzt in Washington. Seine Stimmstruk­tur wird seit seiner Gründung und bis heute durch die Vereinigte­n Staaten dominiert. Zwar gab es zuletzt eine kleine IWF-Reform zu Gunsten der Schwellenl­änder. An der Vetomacht der USA hat das allerdings nichts geändert. Für Europa war die Reform allerdings ein Nachteil, man hat an Einfluss verloren.

Asien geht voran

Der Ausbau der Kompetenze­n des ESM wäre ein weiterer Schritt zu mehr Eigenständ­igkeit für Europa. China hat mit der Asian Infrastruc­ture Investment Bank (AIIB) zuletzt selbst den Grundstein für ein asiatische­s IWF-Gegenstück gelegt. Gemeinsam mit Russland, Indien, Südafrika und Brasilien hat man auch die „New Developmen­t Bank“gegründet – das Gegenstück zur Weltbank. (jil)

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