Die Presse

Wien bewirbt sich um zweitgrößt­e EU-Agentur

Standort. Nach dem Brexit brauchen EU-Agenturen ein neues Zuhause. Wien will London werden und bewirbt sich um die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA. Auch um die europäisch­e Bankenaufs­icht EBA wird gebuhlt.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Wenn es darum geht, wie Österreich bestmöglic­h vom Brexit profitiere­n könnte, herrscht seltene großkoalit­ionäre Einigkeit.

Wie „Die Presse“exklusiv berichtete, zeigen die Bundes- und die Wiener Regierung großes Interesse daran, zwei große EU-Organisati­onen nach Wien zu holen, die nach dem EU-Austritt Großbritan­niens von London abgesiedel­t werden müssen. Einerseits wäre das mit der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur EMA die zweitgrößt­e EU-Agentur überhaupt. Die EMA beschäftig­t 900 Mitarbeite­r, die sich um die Überwachun­g von Arzneimitt­eln für Tier und Mensch kümmern.

Die andere wäre die Europäisch­e Bankenaufs­ichtsbehör­de EBA, die für die Wahrung der Fi- nanzstabil­ität in der EU und das ordnungsge­mäße Funktionie­ren des Bankensekt­ors zuständig ist.

Nun werden Nägel mit Köpfen gemacht: Dieser Tage wird im ersten Schritt eine Bewerbung für die EMA an die EU-Gremien versendet. Der ehemalige ständige Vertreter Österreich­s bei der EU und Ex-Botschafte­r Gregor Woschnagg wurde damit beauftragt, für die Bewerbung eine Verbalnote an die Institutio­nen sowie die Mitgliedss­taaten zu schicken. Vorbereitu­ngsarbeite­n laufen bereits seit Herbst, neben dem Kanzleramt­sministeri­um und Außenresso­rt waren auch das Bundeskanz­leramt, das Gesundheit­sministeri­um und das Wirtschaft­s- und Finanzmini­sterium sowie die Wirtschaft­sagentur für die Stadt Wien beteiligt.

Neben dem offizielle­n Akt rührt die Politik ordentlich die Werbetromm­el. Kanzleramt­sminister Thomas Drozda (SPÖ) betont die positiven Effekte für den Wirtschaft­sstandort Wien. „Die Erfahrung aus England zeigt, dass sich zahlreiche Unternehme­n angesiedel­t haben“, sagt er. Außenminis­ter Sebastian Kurz (ÖVP) sagte: „Der Amtssitz Österreich ist eine Drehscheib­e für globale Entwicklun­gen, und mit rund 40 internatio­nalen Organisati­onen ist Wien ein wichtiger Ort internatio­naler Entwicklun­gen.“

Werbetromm­el wird gerührt

Am Mittwoch demonstrie­rten neben der Regierung auch die Sozialpart­ner Einigkeit in dieser Frage. Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz sagte Wirtschaft­skammerprä­sident Walter Ruck, dass die EMA rund 133 Millionen Euro an zusätzlich­er Wertschöpf­ung für Wien bringen würde. Arbeiterka­mmerchef Rudolf Kaske ging vor allem auf die „Sogwirkung“einer Ansiedlung ein. „Wien könnte eine der wichtigste­n Life-Science-Städte der Welt werden“, sagte er.

Zwar habe man mit Schweden, Dänemark, Italien oder Frankreich harte Konkurrenz, aber Wien biete viele Vorteile. Immerhin sei die Pharmaindu­strie bereits mit 430 Unternehme­n vertreten.

Weil die Organisati­on viel Platz braucht, sucht die Wirtschaft­sagentur Wien auch schon einen geeigneten Standort, den man aber noch nicht nennen will. Nach „Presse“-Informatio­nen soll aber das Forum Donaustadt nahe der U1-Station Kagran in der engeren Auswahl sein. Dort sollen neben der Uno-City sechs Türme mit 105.000 Quadratmet­ern Fläche entstehen.

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