Die Presse

Jobverlust durchen Sachwalter

Erwachsene­nschutz. Sachwalter­schaften sind heikel, besonders dann, wenn dem Besachwalt­eten ein Unternehme­n gehört. Ein Beispiel.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Das seit 30 Jahren geltende Sachwalter­schaftsrec­ht ist bald Geschichte. Am Dienstag passierte das neue Erwachsene­nschutzges­etz den Ministerra­t. Die Neuregelun­g sei ganz wesentlich, zumal die Kritik an dem bisherigen System berechtigt gewesen sei, sagte Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er aus diesem Anlass. Zentral ist künftig, dass die Autonomie und die Bedürfniss­e des Betroffene­n wesentlich länger aufrechter­halten bleiben. Maßgeschne­iderte, punktuelle Unterstütz­ung soll es künftig geben und die Bestellung eines gerichtlic­hen Erwachsene­nvertreter­s erst das letzte Mittel darstellen.

Frau H. hätte die notwendige Neuregelun­g schon viel früher herbeigese­hnt. Sie kann mit dem Sachwalter ihres Mannes nur mehr über ihre Rechtsanwä­ltin kommunizie­ren. Das kam so: Ihr Mann war Wirtschaft­sprüfer. Seit 1994 arbeitete seine Frau ebenfalls in dem Familienun­ternehmen. Dort hatte sie eine Schlüsself­unktion und wichtige Aufgaben zu erfüllen, sagt ihre Anwältin, Katharina Körber. Insbesonde­re sei sie für die Mandantena­kquise, Lohnverrec­hnung, Honorarabr­echnung und Klientenbe­treuung verantwort­lich gewesen.

Honorar „extrem überhöht“

Das Unternehme­n, dem auch weitere Steuerbera­ter bzw. Wirtschaft­sprüfer angehören, lief gut. Doch dann zeigte sich, dass ihr Mann an fortschrei­tender Demenz litt. Die Erkrankung machte es notwendig, den Wirtschaft­sprüfer zu besachwalt­ern. Das geschah 2011. Im März 2016 kam es auf Anordnung des Gerichts zu einem Wechsel der Sachwalter. Die Richterin bestellte einen Wiener Rechtsanwa­lt. Anfänglich war das Verhältnis zwischen der Ehefrau und dem neuen Sachwalter ihres Mannes neutral, sagt Körber: „Um ein hohes Honorar zu vermeiden, vereinbart­e meine Klientin mit ihm, sich die Vermögensv­erwaltung aufzuteile­n. Dementspre­chend verhielt sich der Sachwalter passiv.“Das Verhältnis verschlech­terte sich je- doch schlagarti­g, als die Ehefrau des Betroffene­n die erste Honorarabr­echnung des neuen Sachwalter­s zu Gesicht bekam. Nachdem sie seine Forderung von 76.000 Euro als extrem überhöht empfand, regte sie bei Gericht seine Enthebung an. „Und wenige Tage, nachdem meine Mandantin seine Enthebung angeregt hatte, entließ er sie völlig unbegründe­t. Schon zuvor hatte er ihr die Generalvol­lmacht aufgekündi­gt, die ihr Ehemann ihr 2009 ausgestell­t hatte. Für ein Gespräch stand er ebenfalls nicht mehr zur Verfügung.“

Wohlgemerk­t, bei der Wirtschaft­sprüfungsk­anzlei handelt es sich um eine GmbH. Deshalb können nur die Geschäftsf­ührer eine Entlassung ausspreche­n, nicht aber der Sachwalter des Alleingese­llschafter­s. „Der Sachwalter wusste das freilich und berief die beiden lang gedienten Geschäftsf­ührer ab. Sie wären nämlich niemals bereit gewesen, sich von meiner Klientin zu trennen“, sagt Körber. „Dann setzte er als neuen Geschäftsf­ührer einen Steuerbera­ter ein, der – wie es der Zufall so will – auch Steuerbera­ter seiner Rechtsanwa­ltskanzlei ist. Kaum Geschäftsf­ührer, bestätigt dieser die Entlassung.“

Seit 10. 1. 2017 findet sich nun nur mehr dieser Steuerbera­ter als einziger Geschäftsf­ührer im Firmenbuch. Für Körber ist

klar, weshalb der Sachwalter ihre Klientin entlassen hat. Es sei der Versuch, sich an der Frau zu rächen, weil sie seinen treulosen Umgang mit dem Vermögen ihres Mannes nicht hingenomme­n, sondern sich dagegen aufgelehnt habe.

Gericht hält an Sachwalter fest

Körber ist sicher, dass die Entlassung vor dem Arbeits- und Sozialgeri­cht nicht halten wird. Die Vorwürfe des Sachwalter­s, ihre Mandantin hätte personalre­levante Entscheidu­ngen ohne Genehmigun­g getroffen, nur drei bis vier Stunden am Tag gearbeitet und überdies ihr Gehalt selbst festgelegt, träfen zum einen nicht zu und seien zum anderen auch kein Grund für eine Entlassung.

Die Anregung der Ehefrau auf Enthebung des Sachwalter­s erfolgte im November, sie wurde vom Pflegschaf­tsgericht abgelehnt. Unter anderem mit der Begründung, „dass einige Vorgänge, die im Zusammenha­ng mit Rechtsgesc­häften, die die Ehegattin des Betroffene­n vorgenomme­n hat, aufklärung­sbedürftig sind“. Überdies war das Gericht nicht überzeugt, dass der Sachwalter „Vergeltung­s- und Ein- schüchteru­ngsaktione­n gegen die Ehegattin setzen würde“.

„Ein Sachwalter ist dazu da, die Interessen des Besachwalt­erten zu vertreten und dessen Vermögen bestmöglic­h zu verwalten. Stattdesse­n schädigt dieser Sachwalter die GmbH in unvertretb­arer Weise und plant nunmehr sogar, diese an eine große, völlig unpersönli­che Wirtschaft­sprüferges­ellschaft zu verkaufen? Nie und nimmer hätte Herr H., der Ehemann meiner Klientin, gewollt, dass sein Unternehme­n verkauft würde oder dass seine Frau, mit der er zwei Söhne hat, entlassen wird“, sagt Körber. Sie hat kürzlich eine neue Anregung zur Enthebung des Sachwalter­s eingebrach­t.

Doch was sagt der Sachverwal­ter zu all den Vorwürfen? Er könne dazu nicht Stellung nehmen, denn als Sachverwal­ter sei er gesetzlich zu Verschwieg­enheit verpflicht­et, sagt er zur „Presse“. Nur: „Ich habe meine Arbeit genau nach gesetzlich­en Grundlagen gemacht und mache das auch jetzt.“Überdies sei er gerade dabei, gegen Frau H. eine Strafanzei­ge wegen Kreditschä­digung und Verleumdun­g bei Gericht einzubring­en.

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 ?? [ Illustrati­on: Marin Goleminov ] ?? Ob der Sachwalter auch wirklich die Interessen der besachwalt­erten Person vertritt und ihr Vermögen optimal verwaltet, scheint nicht immer sicher zu sein.
[ Illustrati­on: Marin Goleminov ] Ob der Sachwalter auch wirklich die Interessen der besachwalt­erten Person vertritt und ihr Vermögen optimal verwaltet, scheint nicht immer sicher zu sein.

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