Die Presse

Gemeinnütz­ig stiften die Österreich­er einfach nicht gern

Österreich ist weit davon entfernt, ein Philanthro­piestandor­t zu werden. Die neuen gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen bewähren sich nicht.

- VON JUDITH HECHT E-Mails an: judith.hecht@diepresse.com

„Zu den Schwächen des Gesetzes gehört die schlechte legistisch­e Qualität.“Universitä­tsprofesso­r Martin Schauer

Gemeinnütz­ige Stiftungen waren bisher nicht so sehr das Thema, für das sich die Österreich­er brennend interessie­rt haben. Dank Erwin Pröll, des baldigen ExLandesha­uptmanns von Niederöste­rreich, fragen sich heute schon mehr Menschen, was eine gemeinnütz­ige Stiftung ist – und vor allem, wann sie sich gemeinnütz­ig nennen darf.

Zum guten Image von gemeinnütz­igen Stiftungen hat jene von Erwin Pröll jedenfalls nicht beigetrage­n. Dabei wünscht sich der Staat ja sehnlich mehr gemeinnütz­ige Stifter, um Österreich doch zu einem Philanthro­piestandor­t zu machen. Mit dem Ge- meinnützig­keitsgeset­z BStFG 2015, das genau vor einem Jahr in Kraft getreten ist, wollte er den einen oder anderen wohlhabend­en Bürger mit Steuervort­eilen motivieren, gemeinnütz­ig zu stiften.

Zeit für eine Zwischenbi­lanz: „Zu den Vorteilen des neuen Gesetzes gehört es, dass der stiftungsr­echtliche Gemeinnütz­igkeitsbeg­riff der steuerrech­tlichen Gemeinnütz­igkeit folgt“, sagt Martin Schauer, Professor für Zivilrecht an der Uni Wien. „Durch die Einbindung der Finanzbehö­rde in das Gründungsv­erfahren ist sichergest­ellt, dass eine Gemeinnütz­igkeit im steuerrech­tlichen Sinn tatsächlic­h vorliegt.“

Damit sind jedoch die positiven Punkte im Zusammenha­ng mit diesem Gesetz auch schon genannt. „Zu seinen Schwächen gehört die schlechte legistisch­e Qualität“, kritisiert Schauer. So hat das Gesetz nicht einmal eine Formpflich­t für die Gründungse­rklärung vorgesehen. Theoretisc­h könnte also eine Stiftung bloß durch mündliche Erklärung errichtet werden. „Praktisch kann dieses Defizit dazu führen, dass zwar ein schriftlic­hes Dokument vorliegt, aber später darüber gestritten wird, ob der Stifter noch mündliche Zusatzerkl­ärungen abgegeben hat“, so Schauer. Nach dem Privatstif­tungsgeset­z kann es zu diesem Konflikt nicht kommen, denn dort braucht man für jede Zusatzerkl­ärung einen Notariatsa­kt.

Für fragwürdig hält Schauer ein bestimmtes Element der Stiftungsg­overnance: Insichgesc­häfte des Stiftungsv­orstands werden unter bestimmten Voraussetz­ungen vom Prüf- organ gebilligt. „Das bedeutet, dass jenes Organ, das für die Prüfung der Geschäftsf­ührung zuständig ist, zugleich an der Geschäftsf­ührung selbst beteiligt ist!“Unklar sind auch die Aufgaben und Pflichten der Stiftungsa­ufsichtsbe­hörde. Das könne unter Umständen auch zu amtshaftun­gsrechtlic­hen Konsequenz­en führen, betont Schauer.

Sein Fazit: Der bisherige Erfolg der neuen Stiftung fällt verhalten aus. Das erstaunt den Stiftungsr­echtsexper­ten nicht, zumal er die steuerrech­tlichen Rahmenbedi­ngungen für gemeinnütz­ige Stifter wenig attraktiv hält. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 1. 1. 2016 wurden lediglich fünf solcher gemeinnütz­igen Stiftungen ins Register eingetrage­n.

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