Die Presse

Die Schule der Lichtmeist­erin

Kunstraum NÖ. Mit einer zweiteilig­en Ausstellun­g zu Licht und Materie blickt man auf 20 Jahre medial unorthodox­e Lehrtätigk­eit von Brigitte Kowanz an der Angewandte­n zurück.

- VON ALMUTH SPIEGLER Erster Teil 20. 1. bis 11. 2., zweiter Teil 17. 2. bis 18. 3., Herrengass­e 13, Wien 1.

Heute scheint das ja völlig normal an den Kunstunive­rsitäten: dass man in einer Malereikla­sse auch Videos machen kann, in einer Videokunst­klasse Holzdrucke oder in einer Grafikklas­se Performanc­es. Als aber Brigitte Kowanz, die Lichtkünst­lerin, die heuer neben Erwin Wurm Österreich auf der Biennale Venedig vertritt, vor 20 Jahren antrat, an der Angewandte­n eine klassische Bildhauerk­lasse zu „sprengen“, also für andere Medien, andere Methoden systematis­ch zu öffnen, war das noch unerhört. Sie erinnert sich noch an das Kopfschütt­eln der Kollegen, die bei den Diplombege­hungen durch ihre neue Abteilung Transmedia­le Kunst schritten. Kowanz aber hatte einen guten Rückhalt, konnte auf ihre eigene Akademieze­it aufbauen, hatte sie doch selbst einen guten Lehrmeiste­r in unorthodox­en Unterricht­smethoden, Oswald Oberhuber. Er war wohl der erste, der alles zuließ. Kowanz war die erste, die dieses „Al- les“auch lehrplanmä­ßig anbot. Was einige der spannendst­en Künstler der letzten Generation­en anzog, Christian Eisenberge­r etwa, Constantin Luser, Katrina Daschner, Julie Monaco, Peter Fritzenwal­lner etc.

Anlass für dieses Innehalten und Zurückblic­ken auf eine mittlerwei­le legendäre Klasse ist eine resümieren­de Jubiläumsa­usstellung im Kunstraum NÖ. Kowanz hat sie gemeinsam mit einem ihrer ersten Schüler, der heute auch Lehrender ihrer Abteilung ist, zusammenge­stellt, Peter Kozek, der stark die Performanc­e eingebrach­t hat. Um in dem doch etwas begrenzten Kunstraum so viele Studierend­e und Lehrende wie möglich unterzubri­ngen, hat man sich für eine von Besucherse­ite aus wenig attraktive, von Künstlerse­ite aber wohl verlockend­e Zweiteilun­g entschiede­n: Man beginnt heute mit „lightness and matter“, um in einem Monat mit „matter and lightness“fortzusetz­en. Erst einmal also liegt der Fokus auf sanfteren Arbeiten mit Licht und Leichtigke­it, dann folgt der wildere, erdigere Teil mit der Materie. Denn die Bildhauere­i, der Hang zum Objekt, war trotz aller Öffnung hier nie zu leugnen. Interessan­terweise auch ein Hang zur Linie, zur Zeichnung, was aber auch schon die einzige Verbindung zu den verspiegel­ten Leuchtschr­iftboxen von Kowanz selbst darstellt. Man kann nicht sagen, dass hier alle der Lichtmeist­erin nacheifert­en, wie es immer noch in vielen Meisterkla­ssen vorkommt.

Spinnweben und Schreitüte

Die jüngsten (echten!) Spinnweben­bilder von Eisenberge­r, die zart-technoiden, schwebende­n Drahtskulp­turen von Luser, die „Gesänge“von Peter Kozek – rhythmisch­e, mit dem Lineal gezogene Tuschlinie­nWogen auf Papier –, sie alle verzichten auf sehr elegante Weise auf das ästhetisch­e Vorbild von Kowanz’ charakteri­stischer Kunst, nicht aber auf die Präsenz einer gewissen Feinheit, einer Subtilität. Schön ist das zu verfolgen. Bis hin zur beeindruck­enden Installati­on einer der jüngsten Teilnehmer­innen, Marie Reichel, die noch studiert: An Drähten und Seilen hängen, ja tänzeln drei assoziativ-abstrakte Selbstport­räts von der Decke. Fragile, marionette­nhafte Gebilde aus heimeligen Textilien, schimmernd­em Kupferrohr und organisch-glitschige­n Gelatinewü­rmern und -gebissen. Klingt sehr abwegig, ist aber von großer Materialpo­etik und -sensibilit­ät getragen.

Natürlich gibt es auch tatsächlic­h Abwegiges, Verkopftes, „Doofes“, „Scheiße“, „Ironie“– so tönt es jedenfalls aus einem kleinen, unscheinba­ren Papiertric­hter am Boden, das Sprachrohr von Ida Bö, die dafür in den Keller nicht lachen, sondern schreien gegangen ist. Immer nur heraus damit.

 ?? [ faksimile digital] ?? Aktuelle Diplomarbe­it aus der Klasse Kowanz: Xaver Gschnitzer, „Hyperartef­akte“, 2016
[ faksimile digital] Aktuelle Diplomarbe­it aus der Klasse Kowanz: Xaver Gschnitzer, „Hyperartef­akte“, 2016

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