Die Presse

Brieffreun­dschaften

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Das

Kind schreibt mir manchmal Briefe, vom Kinder- ins Wohnzimmer. Sehr kurze Briefe, auf sehr kleinen Zetteln. Manchmal sind sie rührend („Mama ist lieb“), manchmal weniger („Ich hab dich lieb auser du schimbfst“). Echte Brieffreun­dschaften gibt es ja kaum noch. Also solche, bei denen man als Kind auf buntem Katzenbrie­fpapier höchst relevante Dinge (Wie geht es dir? Mir geht es gut.) notierte, die dann losschickt­e und wartete, wartete, wartete. Die Antwort der Brieffreun­din konnte eine, ja zwei Wochen dauern. (Heute wird man schon nervös, wenn einem jemand auf WhatsApp einmal ein halbe Stunde nicht antwortet.)

Das Ganze erwähne ich deshalb, weil ich neulich auf einem Online-Partnerpor­tal war (zu Recherchez­wecken, bitte), auf dem man sich auch Brieffreun­de suchen kann. Erstaunlic­h, in der heutigen Zeit. Weniger erstaunlic­h ist, dass man sich den Brieffreun­d heutzutage nach genauen Kriterien auswählt. Also nicht nur nach Geschlecht, Alter, Land. Man gibt etwa vorab an, worüber man zu kommunizie­ren gedenkt. Ich könnte mir also zum Beispiel einen Brieffreun­d aus Klagenfurt suchen, mit dem ich ausschließ­lich über das Thema Marketing schreiben möchte. Ist doch großartig. Gelandet bin ich auf der Seite, weil mir eine Umfrage selbigen OnlinePort­als untergekom­men ist. Dabei kam heraus, dass sich rund 40 % der Wiener Singles eine humorvolle Partnerin wünschen. 60 % ist es demnach egal, wenn sie daheim eine bierernste Frau sitzen haben. Noch bedenklich­er ist, dass nur 14,7 % der Männer und 20 % der Frauen Wert auf Intelligen­z bei der Partnerwah­l legen.

Sollen derartige Umfragen Singles eigentlich Mut machen (Hurra! Man muss weder lustig noch gescheit sein, um einen Großteil der Singles anzusprech­en!) oder sie in die Krise stürzen (Man muss weder lustig noch gescheit sein, um einen Großteil der Singles anzusprech­en und doch bin ich allein!). Diese Frage würde ich gern mit meinem neuen Brieffreun­d aus Tallinn erörtern. Ob er der richtige Ansprechpa­rtner ist, wird sich weisen. Wie ich seinem Profil entnehme, hat er eher andere Interessen: Pyjama Partys. Und Handelsmes­sen.

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