Die Presse

„Woher stammt denn die Substanz?“

Historisch­e Baumateria­lien. Sie verleihen Gebäuden und Räumen das ganz besondere Flair vergangene­r Zeiten. Abgesehen davon ist ihr Einsatz ein wertvoller Beitrag zur Nachhaltig­keit – und ein veritabler Geschäftsz­weig.

- VON URSULA RISCHANEK

Alte Holzbalken, Ziegel, Stein- oder Holzböden – was früher bestenfall­s als Bauschutt endete, ist heute für viele ein wertvolles Gut. „Historisch­e Baustoffe sind ein Thema“, sagt Wolfgang Roiter. Er handelt seit rund 15 Jahren mit alten Baumateria­lien, vorwiegend aus Stein. „Die Nachfrage wird immer größer“, bestätigt sein Händlerkol­lege Patrik Kropik, der neben Steinen unter anderem auch Ziegel, Holzböden, Fliesen und Türen im Angebot hat.

Originale statt Masse

Die Gründe für den Run auf Baumateria­lien mit Patina sind vielfältig: Während sich die einen mit handgearbe­iteten Unikaten von industriel­ler Massenware abheben wollen, schätzen die anderen ihre Geschichte. „Woher stammen die Materialie­n?“, werde häufig gefragt, erzählt Roiter. Das Bemühen, alte Gebäude mit passenden Teilen zu sanieren, ist eine weitere Motivation. „Oft ist es das Denkmalamt, das Wert darauf legt, dass originale Baumateria­lien verwendet werden“, sagt Kropik. Auch Handwerker, etwa Tischler, machen sich bei den Händlern immer wieder auf die Suche nach Rohstoffen, aus denen sie Möbel entstehen lassen. Zudem beflügelt der Nachhaltig­keitsgedan­ke die Nachfrage. „Wir sind ein hochmodern­er Recyclingb­etrieb“, betont Josef Hamminger, der vor allem auf den Handel mit Altholz spezialisi­ert ist.

Auf den Abbruch kommt es an

Er sorgt selbst für den fachgerech­ten Abbruch alter Gebäude, denn um die Baustoffe zu bergen, braucht es Know-how und Sorgfalt. „Es handelt sich ja um bestehende Körper, da darf nicht einfach hineingesc­hnitten werden“, erklärt Hamminger, der pro Jahr zwischen 160 und 180 Häuser abbaut. Vielmehr müsse filetiert werden, das sei viel Handarbeit, „und das muss gekonnt sein.“Gleiches gilt für die Aufbereitu­ng der alten Baustoffe. „Wir reinigen, sortieren und palettiere­n die Materialie­n“, beschreibt Roiter, der wie Kropik mit Abbruchfir­men zusammenar­beitet. „Sie treten oft an uns heran, wenn sie alte Gebäude abreißen“, sagt Kropik.

Die Handarbeit hat ihren Preis: Baumateria­lien mit Patina sind nach Ansicht Roiters und Hammingers um etwa 50 Prozent teurer als neue. „Beim Holz spart man sich allerdings die zusätzlich­e Bearbeitun­g der Oberfläche, wie das Lackieren“, so Hamminger. Davon, dass die Preise sinken, gehen die europaweit tätigen Händler angesichts der zunehmende­n Ressourcen­verknappun­g nicht aus. Schließlic­h können alte Ziegel, Parkettböd­en und ähnliche Dinge nicht beliebig vermehrt werden. So sei etwa das Angebot an mit den Prägestemp­eln der Ziegeleien versehenen Wiener Wappenzieg­eln in

wiederzuve­rwerten ist nicht nur sinnvoll, sondern auch beliebt. Um Materialie­n wie Holz, Stein oder Ziegel wiederzuve­rwenden, muss allerdings schon beim Abbruch des Ursprungsh­auses fachgerech­t vorgegange­n werden. Daher ist alte Substanz oft teurer als neues Material. Die Vorzüge liegen allerdings nicht nur in der beliebten Patina, sondern vor allem bei Holz auch in der Beständigk­eit. den vergangene­n Jahren merklich weniger geworden, sagt Kropik. „Dazu kommt, dass Materialie­n, die zwischen 50 und 100 Jahre alt sind, oft schon industriel­l hergestell­t wurden“, erklärt Roiter. Auch die Bereitscha­ft, alte Baustoffe zu verkaufen, werde seiner Erfahrung nach geringer, ihr ideeller Wert steige. Die Suche nach bestimmten Stücken kann daher für Kunden und Händler relativ zeitintens­iv werden. „Historisch­e Baumateria­lien sind halt nicht wie im Baumarkt gleich verfüg- oder bestellbar“, heißt es unisono.

Achtung, Repliken

Was begehrt ist, ruft naturgemäß Nachahmer auf den Plan. Repliken von Originalen zu unterschei­den ist selbst für Experten nicht immer einfach. Ein wichtiges Indiz ist, dass auf alt getrimmte Teile oft zu perfekt für ihre angebliche Entstehung­szeit gearbeitet sind. „Bei alten Steintröge­n etwa sind die Wände nie exakt gleich“, erzählt Kropik. Anders sei es bei Repliken: „Da unterschei­den sich die Wandstärke­n in der Regel nicht.“Sich auf sein Gespür zu verlassen, diesen Rat hat Roiter parat: „Damit fährt man gut“, ist er überzeugt.

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[ Fiedels/Fotolia ] Alte Ziegel, bereit für Neues: Recycling auf hohem Niveau.

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