Die Presse

Ein Plädoyer für die schlechte Laune

Arbeitsall­tag. In seinem Buch „Unter Affen“beschreibt Verhaltens­biologe Gregor Fauma, warum das Büro eine Art „Freigehege“ist – und warum wir aus alten Mustern kaum ausbrechen können.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 21./22. JÄNNER 2017

Schlechte Nachrichte­n für alle Chief-Happiness-Officer und Feel-good-Manager: In den Büros permanent gute Laune zu haben ist offenbar gar nicht so positiv wie gedacht.

Was passiert, wenn wir beispielsw­eise eine Rechnung lesen müssen? Wir ziehen die Augenbraue­n zusammen, sind konzentrie­rt und vielleicht auch ärgerlich.

Wer übel gelaunt ist, macht weniger Fehler, fand der Australier Joseph Paul Forgas, von der School of Psychology der Universitä­t Sydney, heraus. Schlechtge­launte sind konzentrie­rter bei der Arbeit, kritischer in der Bewertung und konziser im Denken als jene, die gut gelaunt sind. „Das lässt sich als Plädoyer für die schlechte Laune lesen“, fasst der Verhaltens­biologe Gregor Fauma zusammen: „Das Gedächtnis funktionie­rt besser, und auch die analytisch­en Fähigkeite­n sind geschärft.“

Fauma, der an den Universitä­ten Wien und Krems lehrt und auch als Coach tätig ist, hat dieses Phänomen in sein jüngstes Buch, „Unter Affen“, aufgenomme­n. Ähnliches gelte für Change-Prozesse, sagt er: „Schlechtge­launte denken über Veränderun­gen wesentlich breiter nach und ziehen mehr Aspekte in die Überlegung­en ein.“

Schlechtge­launte sind, so paradox das klingen mag, auch sensitiver, was Fairness betrifft. Etwa, wenn jemandem während einer Besprechun­g das Wort abgeschnit­ten wird, nennt Fauma als Beispiel. Negative Affekte erhöhten die Sorge um andere, folgerte Forgas und zeigte, dass kurzzeitig­e Übellaunig­keit Menschen zu mehr Umsicht und Höflichkei­t verleitet.

„In welcher Laune soll man ein Angebot, das einem gestellt wurde, lesen?“, fragt Fauma daher. „Und in welchem Gemütszust­and analysiert man optimal einen Vertragsen­twurf der Gegenseite?“Die Antwort dürfte jetzt klar sein.

Status, Macht, Unterwerfu­ng

Auch wenn wir glauben, wir könnten uns als selbstbest­immte Individuen frei entscheide­n, verfallen wir doch immer wieder in Muster. Viele dieser täglichen Verhaltens­muster sind von der Evolution bestimmt – und zeigen sich heute im Büro. Fauma hat das „Freigehege“Arbeitspla­tz in seinem Buch auf diese Muster hin untersucht, gibt erstaunlic­he Einblicke und belegt die provokante These, warum wir nach wie vor „unter Affen“sind.

Wie einst in der Savanne kämpften wir noch immer um Status, gehe es immer noch um Macht und Unterwerfu­ng. „Wir kooperiere­n und knüpfen Allianzen, flirten mit Kollegen und sind zum Portier freundlich. Denn er ist keine Gefahr für uns – und wer weiß, wofür wir ihn noch brauchen.“

Fauma bringt viele anschaulic­he Beispiele, darunter das Handicap-Prinzip. Die israelisch­en Biologen Amotz und Avishag Zahavi haben bei Tieren beobachtet, dass ein Handicap Stärke demonstrie­ren kann. Das gilt auch für Menschen: Wer trotz des Handicaps im Wettbewerb überlegen ist, kann es sich leisten, dieses Handicap offen zu zeigen. Das erkläre, sagt Fauma, warum Unternehme­n viele Ressourcen in den Außenauftr­itt stecken, Kunden in teure Restaurant­s einladen, und auch, warum sichtbares Vergeuden ein Privileg der Privilegie­rten ist.

Aber auch, warum Topmanager mit dem Fahrrad ins Büro fahren, während untere Chargen mit ihren Autos protzen müssen. Sie haben Protz nicht mehr nötig.

Bitte nicht dauergrant­eln

Zurück zur Übellaunig­keit: Unternehme­r sollten jetzt nicht auf die Idee verfallen, Chief-Spleen-Officer und Feel-bad-Manager zu engagieren. Denn das eingangs beschriebe­ne Phänomen ergebe sich nur, wenn die schlechte Laune eine Angelegenh­eit für zwei, drei Stunden ist. „Bei dauerhafte­r Übellaunig­keit gehen die positiven Aspekte verloren“, sagt Fauma.

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[ Marin Goleminov/Rocketdriv­e ] Offen zur Schau gestellte miese Laune hat nicht nur schlechte Seiten – ganz im Gegenteil.
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Goldegg Verlag 248 Seiten 19,95 Euro
Gregor Fauma: „Unter Affen“ Goldegg Verlag 248 Seiten 19,95 Euro

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