Die Presse

Trumps Feier im „Sumpf Washington

Vereidigun­g. Die US-Hauptstadt ist eine Hochburg von Trumps Rivalin Clinton. Zu seiner Angelobung kamen auch deutlich weniger Besucher als zu der Barack Obamas.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. Im Oktober 1999, wenige Tage vor der umstritten­en Wahl von George W. Bush, verfasste der Satiriker Christophe­r Buckley eine fiktive Amtsantrit­tsrede eines künftigen US-Präsidente­n namens Donald Trump. „Ich bin ein Geschäftsm­ann“, ließ der Sohn des konservati­ven Vordenkers William Buckley und Autor der Vorlage für den Film „Thank You for Smoking“seinen fiktiven Trump vor dem Kapitol in Washington erklären. „Andere Länder wollen mit uns Geschäfte machen: kein Problem. Bin ich ganz dafür. Außenhande­l, großartig. Ich habe kein Problem damit, dass andere Leute mit uns Handel treiben. Aber es muss fairer Handel sein, das heißt, wir müssen die Gewinner sein. Wenn die ein Problem damit haben, können sie ihre Fernsehapp­arate und ihren Käse und was auch immer jemandem anderen verkaufen. Vielleicht Nordkorea. Das ist nicht komplizier­t. Raketen? Sehr einfach. Du schießt eine auf uns, ich schieße hundert auf Dich. Ein Land in einen radioaktiv­en Parkplatz zu verwandeln, macht mir nichts aus. Ich schlafe gut.“

Gewiss: Trumps tatsächlic­he Angelobung als 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika am Freitag war eine wesentlich nüchterner­e Angelegenh­eit, als sie Buckley vor mehr als 17 Jahren imaginiert­e. Doch die pompöse Selbstverh­errlichung und Übertreibu­ng, die Trumps Weg von der Ankündigun­g seiner Kandidatur im Juni vorigen Jahres bis zu seinem Einzug ins Weiße Haus zeichneten, prägten auch die Feierlichk­eiten zu seiner Amtseinfüh­rung, die am Donnerstag­abend mit einem Konzert eher unbekannte­r Bands wie 3 Doors Down vor dem Lincoln Memorial begannen. „So etwas hat es noch nie zuvor gegeben“, sagte er über diese von schätzungs­weise 50.000 Zuhörern besuchte Veranstalt­ung, in offensicht­licher Unkenntnis solcher Konzerte am selbigen Ort: etwa zu Bill Clintons Angelobung im Jänner 1993, bei der unter anderem Bob Dylan und Michael Jackson sangen, und am Vorabend von Barack Obamas Antritt der Präsidents­chaft vor acht Jahren, als sich rund 400.000 Menschen versammelt­en, um U2, Bruce Springstee­n und zahlreiche­n anderen Weltstars zuzuhören.

Trump-Fans kommen von außerhalb

Solche Anekdoten mögen politisch bedeutungs­los sein, aber sie werfen ein Licht darauf, wie Trump sich und seine Entscheidu­ngen dargestell­t sehen möchte: in Superlativ­en, bombastisc­h und ohne kritische Hinterfrag­ung. „Wir haben den mit Abstand höchsten IQ aller Zeiten eines Ministerka­binetts“, verkündete Trump zum Beispiel am Donnerstag. Wie kann man so eine Aussage überprüfen? Man kann es nicht.

Eine Stimmung nervöser Spannung lag am Freitag über der US-Hauptstadt. Knapp 91 Prozent der Bürger hatten hier für Trumps demokratis­che Gegnerin, Hillary Clinton, gestimmt. Washington hat sich im vergangene­n Jahrzehnt von einer eher öden Beamtenhoc­hburg in eine multikultu­relle Stadt verwandelt, die einen der höchsten Anteile offen homosexuel­l lebender Menschen in den USA aufweist.

Die Trump-Fans, die man am Freitag auf der National Mall, zwischen dem Obelisken des Washington Monument und dem Kapitol antraf, waren fast ohne Ausnahme von außerhalb angereist. Washington, der „Sumpf“, den Trump auszutrock­nen gelobte, ehe er ein Kabinett von Goldman-SachsBanke­rn, Milliardär­en und langjährig­en politische­n Operateure­n aus ebendiesem Sumpf zusammenst­ellte, ist für sie Feindeslan­d.

Schon frühmorgen­s versuchten TrumpGegne­r, die Zugangstor­e zur Mall zu blockieren. Trump-Fans rissen vereinzelt AntiTrump-Plakate an sich, zu offenen Handgemeng­en kam es vorerst jedoch

nicht. Die Sicherheit­svorkehrun­gen wirkten noch strenger als vor vier Jahren bei Präsident Obamas zweiter Amtseinfüh­rung.

Trump-Berater Thiel auf Alt-Right-Ball

Der neue Präsident war auch in seiner Antrittsre­de darum bemüht, sich als Einiger einer gespaltene­n Nation zu präsentier­en. Doch nicht nur seine Angriffe auf Kritiker, sondern auch die konkreten Taten seiner Mitstreite­r erlauben Zweifel daran, dass er, der mit nur 46 Prozent aller Stimmen gewählt wurde, das zu bewerkstel­ligen vermag.

So stieß Trumps Konfident Newt Gingrich, der frühere Vorsitzend­e des Abgeordnet­enhauses und heutige Washington­er Lobbyist, bei einem Festakt vor Trumps Angelobung ein gutes Dutzend Vertreter von Indigenen vor den Kopf, indem er Trump positiv mit Präsident Andrew Jackson verglich, der Anfang des 19. Jahrhunder­ts für die militärisc­h unterstütz­te Vertreibun­g von Indianervö­lkern verantwort­lich war. Peter Thiel wiederum, der Silicon-Valley-Milliardär und in Trumps Übergangst­eam für organisato­rische Fragen im Pentagon zuständig, besuchte den Deplora Ball, eine Veranstalt­ung von Vertretern der Alt-Right-Bewegung, die im Internet mit antisemiti­schen, ausländer- und frauenfein­dlichen Attacken für eine Brutalisie­rung der Debattenku­ltur gesorgt hat.

Auf dem Deplora Ball war auch der wegen des Verdachts des Wertpapier­betrugs mit strafrecht­lichen Ermittlung­en konfrontie­rte Pharmaunte­rnehmer Martin Shkreli, der einem Reporter des Onlinemedi­ums Buzz Feed erklärte, er würde ihm gern die Bierflasch­e auf dem Kopf zerschlage­n.

Ob Trump den Graben im Land zuschütten kann, ist nicht nur angesichts seines Charakters und dem seiner Gefolgsleu­te fraglich. „Wir sehen Parteizuge­hörigkeit heute als etwas, das dem Geschlecht oder der Ethnizität ähnelt: Kerneigens­chaften, mit denen wir uns anderen gegenüber beschreibe­n“, sagte Sean Westwood vom Dartmouth College zur „New York Times“. Eine Spaltung, die schon in einer 2009 veröffentl­ichten Studie der Stanford University offenkundi­g war: nur neun Prozent der damals befragten Ehepaare waren politisch gemischt.

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Machtüberg­abe in Washington. Der 45. Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika, Donald Trump, schreitet zu sobung vor dem Kapitol.

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