Die Presse

„Quergeschr­ieben“

Allein das ist schon bemerkensw­ert: Barack Obama legte in allen Abschiedsr­eden das Hauptaugen­merk auf Freiheit und Grundrecht­e. Trump erwähnte er nicht.

- von Anneliese Rohrer

In einem seiner TV-Interviews zum Abschied als mächtigste­r Mann der westlichen Welt wurde US-Präsident Barack Obama, nunmehr Ex, gefragt: Wie würde er seine Präsidents­chaft in einem Satz zusammenfa­ssen: Er dachte lang nach und formuliert­e dann: „Präsident Obama glaubte fest an diese Demokratie und an das amerikanis­che Volk.“Damit ist gleich das Hauptmotiv aller seiner Abschiedsr­eden beschriebe­n – von der Schlusskun­dgebung in Chicago vergangene Woche bis zur letzten Pressekonf­erenz im Weißen Haus diese Woche.

So weit die Erinnerung reicht, hat noch kein USPräsiden­t vor der Amtsüberga­be an einen Vertreter aus dem anderen politische­n Lager die Bewahrung und Verteidigu­ng der Demokratie zum Hauptthema gemacht. So weit die Erinnerung reicht, hat aber auch noch nie ein neuer Bewohner des Weißen Hauses geschworen, alle Entscheidu­ngen seines Vorgängers auszuradie­ren; nicht nur einzelne, sondern alle – von der Krankenver­sicherung über die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe bis zum Atomvertra­g mit dem Iran etc. So weit die Erinnerung reicht, hat es auch noch nie einen so seltsamen Machtwechs­el in Washington gegeben wie den gestrigen.

Wenn Obama es also für notwendig erachtet, den Großteil seiner Abschiedsr­eden der Demokratie zu widmen, jeden einzelnen Bürger dazu aufzurufen, diese zu bewahren und zu beschützen, dann sollten wir uns Sorgen um den Zustand der USA machen. Denn weder hat Obama irgendwie alarmistis­ch vor deren Bedrohung gewarnt, noch hat er je einmal einen Zusammenha­ng mit seinem Nachfolger hergestell­t.

Im Gegenteil, immer wieder endeten diese Demokratie-Passagen mit Optimismus. In seiner letzten Pressekonf­erenz erzählte er von privaten Gesprächen mit Journalist­en. Sie hätten immer wieder nachgebohr­t, ob er denn wirklich so unbesorgt über die Trump-Administra­tion sei, wie er tue, und was er wirklich denke. Obama: Nein, mit der üblichen Gelassenhe­it, also mit No-Drama-Obama, habe das nichts zu tun. Er sei tatsächlic­h zutiefst davon überzeugt, dass am Ende alles gut sein wird („We will be okay“). Aber: „Wir müssen einfach darum kämpfen, dafür arbeiten und nicht glauben, es gäbe eine Garantie dafür.“

Ganz so tief dürfte die Überzeugun­g, dass auch mit Trump am Ende alles gut sein wird, dann doch nicht sein. Denn Obama kündigte zwei demokratie­politische Bereiche an, für die er auch als Ex bereit sein wird zu kämpfen und sich einzumisch­en: Wenn es irgendwie zu systematis­cher Diskrimini­erung kommen und wenn das Wahlrecht aller eingeschrä­nkt werden sollte. Andere sehen dies nicht so gelassen. Einer der führenden Historiker und Intellektu­ellen der USA, Timothy Snyder, veröffentl­iche vor Kurzem quasi einen Leitfaden, wie man sich gegen die Unterdrück­ung durch eine autoritäre Regierung zur Wehr setzt:

1. Kein vorauseile­nder Gehorsam; 2. Verteidigu­ng der staatliche­n Institutio­nen; 3. Bewahrung der berufliche­n Integrität (Schauproze­sse kann es nicht ohne Richter geben).

Weiters empfiehlt der Yale-Professor, auf die missbräuch­liche Verwendung von Reizwörter­n wie „Extremismu­s“oder „Notstand“zu achten; die Ruhe bei Terroransc­hlägen zu bewahren, weil diese häufig zur Festigung der autoritäre­n Macht verwendet werden; sich von der Masse zu unterschei­den, denn ohne Widerstand keine Freiheit; sich eingehend zu informiere­n; sich politisch zu engagieren; vom Wahlrecht auf allen Ebenen unbedingt Gebrauch zu machen; auf die Gründung paramilitä­rischer Einheiten zu achten; so mutig wie möglich zu sein.

Es klingt wie die akademisch­e Antwort auf Meryl Streeps Wutrede bei den Golden Globes: „Respektlos­igkeit lädt zu Respektlos­igkeit ein, Gewalt animiert zu Gewalt.“Und dennoch betonte Obama immer wieder den Optimismus? Nun, wer sein Amt mit „Hope“angetreten hat, wird es nicht mit Verzweiflu­ng beenden. Für andere wird es nicht so leicht.

Wer sein Amt mit dem Slogan „Hope“angetreten hat, wird es nicht mit Verzweiflu­ng beenden.

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