Härtetest für Sozialpartner
Mindestlohn. Bis Ende Juni sollen sich die Sozialpartner auf einen Mindestlohn von 1500 Euro und flexiblere Arbeitszeiten einigen. Doch schon jetzt zeigt sich: die Fronten sind verhärtet.
Bis Ende Juni sollen sich die Sozialpartner auf einen Mindestlohn von 1500 Euro und flexiblere Arbeitszeiten einigen. Doch schon jetzt zeigt sich: Die Fronten sind verhärtet.
Wien. Man hat sie schon totgesagt. „Der Überlebenskampf der PolitDinosaurier“, titelte ein Magazin vor einem Jahr über die Sozialpartner. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) empfahl im Sommer 2016, die Sozialpartner müssten sich „komplett ändern“, und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) platzte Ende 2015 der Kragen, er stellte Gewerkschaft und Wirtschaftskammer ein Ultimatum, sonst nehme man ihnen die Verhandlungsagenden weg.
Jetzt aber erhalten die Sozialpartner im Koalitionsvertrag 2.0 eine wichtige Rolle. Sie sollen wesentliche Fragen klären und Lösungen finden, etwa bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit und beim Erreichen eines Mindestlohns von 1500 Euro brutto. Doch schon vor Beginn der Gespräche ist klar: es wird schwierig, die Frist bis Ende Juni einzuhalten, die die Regierung gesetzt hat. Denn die Fronten bei diesen Fragen sind auf beiden Seiten verhärtet.
150.000 verdienen weniger
„Das kann keine Einbahnstraße sein“, meint Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik bei der Wirtschaftskammer, über die bevorstehenden Verhandlungen zum Mindestlohn. „Es geht hier um ein Thema, und das heißt Mindestlohn. Ein Junktim, etwa mit flexibleren Arbeitszeiten, wird es sicher nicht geben“, meint dagegen Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB.
Für Gleitsmann ist klar, dass die Unternehmen bei Einführung eines Lohns von mindestens 1500 Euro brutto im Monat auf der anderen Seite etwas bekommen müssten. Denn eine solche Bezahlung bedeute für viele Firmen eine „große Belastung“.
Aktuell gebe es in Österreich 150.000 Vollzeitbeschäftigte, die weniger verdienen. Dabei handle es sich vor allem um niedrigqualifizierte Mitarbeiter. „Man muss auch überlegen, was man den Un- ternehmen anbieten kann, die solche Mitarbeiter beschäftigen“, meint Gleitsmann. Er denkt beispielsweise an Zuschüsse des Arbeitsmarktservice (AMS) für solche Arbeitsplätze, die sonst wegfallen könnten.
Die Verhandlungen mit der Gewerkschaft über den Mindestlohn sieht die Wirtschaftskammer als ein Paket, in dem es auch um die Flexibilisierung der Arbeitszeit geht. Diesbezüglich hätten die Arbeitgeber noch Wünsche offen. Die Regierung gibt den Sozialpartnern bei der Frage von flexibleren Ar- beitszeiten im Pakt nur vor, eine Lösung „unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber“zu finden.
Das werde man auch, glaubt Gewerkschaftssekretär Achitz. Allerdings unabhängig vom Mindestlohn. „Ein Junktim – mehr Geld auf der einen Seite, dafür mehr Flexibilisierung auf der anderen – wird es nicht geben.“
Gewerbeordnung abgesegnet
Über eine Flexibilisierung der Arbeitszeit reden die Sozialpartner schon seit Jahren. Allerdings ohne Ergebnis. Die Vorgabe 30. Juni 2017 ist aus dieser Erfahrung knapp bemessen. Gibt es keine Lösung, will die Bundesregierung im dritten Quartal 2017 einen eigenen Vorschlag vorlegen.
Beim Mindestlohn ist Achitz zuversichtlich, dass 1500 Euro „drinnen sind“. Die Klagen der Arbeitgeber und die Aussage, dass dadurch viele Arbeitsplätze von Geringqualifizierten verloren gingen, kenne man. „Das hat es bei der Einführung von 1000 Euro Mindestlohn auch geheißen“, sagt der ÖGB-Funktionär. Außerdem gebe es auch andere Branchen, in denen die Angestellten weniger verdienen würden – „in der Gastronomie, bei den Friseuren“.
Einig sind sich beide Seiten, dass man einen gesetzlich vorgeschrieben Mindestlohn nicht haben möchte. Die Lösung müsse über die Kollektivverträge erfolgen, unter die die meisten Arbeitnehmer in Österreich fallen würden. Bereits 2007 habe man eine Generalvereinbarung getroffen, mit der damals der Mindestlohn von 1000 Euro realisiert wurde.
Unter einen anderen Streitpunkt setzte der Ministerrat gestern einen Schlusspunkt: Die Gewerbeordnung wurde von der Regierung abgesegnet und dem Parlament übermittelt. Künftig gibt es 81 geregelte Gewerbe, 440 freie.