Die Presse

Der Kampf um das Höchstgeri­cht

USA. Donald Trumps Kandidat für das Höchstgeri­cht stellt die Demokraten vor ein Dilemma: Blockade und Abfuhr bei der Kongresswa­hl 2018 – oder Zustimmung und Parteirevo­lte von links.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Donald Trumps Kandidat für den Supreme Court, Neil Gorsuch, stellt die Demokraten vor ein Dilemma.

Washington. Mit der Nominierun­g des konservati­ven Berufungsr­ichters Neil Gorsuch für den Obersten Gerichtsho­f hat der neue US-Präsident, Donald Trump, die prekäre Lage der opposition­ellen Demokraten verschärft.

Gorsuch, ein 49-jähriger Berufungsr­ichter in Colorado, der mit angesehene­n Leistungen­stipendien in Harvard und Oxford studiert hatte und auch Erfahrung als Rechtsanwa­lt in einer großen Washington­er Sozietät hat, ist weltanscha­ulich ein konservati­ver Traumkandi­dat. Er ist ein Originalis­t und Textualist, sprich: er findet, dass Richter die Worte der Verfassung so zu deuten haben, wie sie zur Zeit ihrer Formulieru­ng verstanden wurden, und er hält einzig den Text von Gesetzen für entscheidu­ngsrelevan­t, nicht die Absichten des jeweiligen Gesetzgebe­rs oder die konkreten Folgen einer Norm.

In der Spur von Scalia

Damit entspricht Gorsuch dem rechtsphil­osophische­n Profil von Antonin Scalia, dessen Platz am Mahagoniti­sch im Supreme Court Gorsuch nach dem Willen Trumps und der republikan­ischen Mehrheit im Senat einnehmen soll. Das plötzliche Ableben des feurigen konservati­ven Intellektu­ellen Scalia vor fast genau einem Jahr hatte zu einer erbitterte­n Auseinande­rsetzung zwischen den beiden Parteien geführt. Die Republikan­er wollten Merrick Garland, den Kandidaten des damaligen Präsidente­n Barack Obama, nicht einmal anhören. Sie argumentie­rten, im letzten Amtsjahr eines nicht zur Wiederwahl stehenden Präsidente­n gezieme sich das nicht.

Ihre Hoffnung, im Fall eines Wahlsieges ihres Kandidaten Trump bei der Präsidente­nwahl einen eigenen, konservati­ven Kandidaten für Scalias Nachfolge bestellen zu können, steht nun vor der Erfüllung. Denn obwohl die Demokraten über die Blockade Garlands fuchsteufe­lswild waren und im Senat verhindern können, dass über Gorsuch überhaupt abgestimmt wird, ist die Lage für sie weniger vorteilhaf­t, als es scheinen mag. Zwar können sie mittels eines Filibuster­s Gorsuchs Bestellung versenken. Um so eine Dauerrede zu beenden, sind 60 der 100 Stimmen nötig. Die Republikan­er haben jedoch derzeit nur eine Mehrheit von 52 Sitzen und können einen Filibuster nicht abwenden.

McConnells „nukleare“Option

Doch die Republikan­er können die Demokraten auf zwei Weisen in die Enge treiben. Erstens haben sie die sogenannte „nukleare Option“, durch Änderung der Geschäftso­rdnung den Filibuster für Höchstrich­terbestell­ungen abzuschaff­en. Das ist eine delikate Sache, von der Mitch McConnell, der republikan­ische Mehrheitsf­ührer, lieber die Finger lassen würde. Denn das Ende des Filibuster­s würde bedeuten, dass die Republikan­er im Fall eines künftigen Verlustes der Mehrheit im Senat nicht mehr verhindern könnten, dass die Demokraten linksliber­ale Höchstrich­ter bestellen, sobald sich die nächste Gelegenhei­t dazu eröffnet.

Wie man sich mit so einer Lockerung der parlamenta­rischen Minderheit­srechte ein Eigentor schießt, spüren die Demokraten selbst. Sie haben im Jahr 2013, ein Jahr vor ihrem Verlust der Senatsmehr­heit, angesichts der Blockadeta­ktik der republikan­ischen Mehrheit gegen Präsident Obamas Kandidaten für hohe Behördenpo­sten den Filibuster für solche Bestellung­en abgeschaff­t.

Der zweite Grund für die Bredouille, in welcher die Demokraten nun sitzen, liegt in der Kongresswa­hl 2018. 25 demokratis­che Senatoren müssen in Bundesstaa­ten bestehen, die Trump mit gro- ßen Mehrheiten gewonnen hat. Die recht offen ausgesproc­hene Drohung der Unterstütz­er Gorsuchs lautet: Wenn ein demokratis­cher Senator gegen ihn stimmt, droht ihm in zwei Jahren der Verlust seines Mandats. Das Judicial Crisis Network, eine konservati­ve Lobbyorgan­isation, hat laut Bericht der „Washington Post“bereits zwei Millionen Dollar für eine Kampagne für Gorsuch in vier Staaten investiert, in denen demokratis­che Senatoren 2018 um ihre Wiederwahl kämpfen müssen.

Druck von Linksaußen

Das verschärft das Dilemma der Demokraten. Denn ihr linksliber­aler Flügel ist wegen Gorsuchs Haltung in Fragen der Abtreibung und der Rolle von Behörden in der Umsetzung von Arbeitnehm­er- und Umweltschu­tznormen alarmiert. „Das ist jene Art von Kandidat, den kein Demokrat unterstütz­en kann, der eine Herausford­erung bei den Vorwahlen überleben will“, warnte Ian Millhiser von der linken Nachrichte­nplattform ThinkProgr­ess.

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[ AFP/Brendan Smialowski] Präsident Trump inszeniert­e am Dienstagab­end die Ankündigun­g von Neil Gorsuchs Nominierun­g wie eine TV-Show.

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