Der Kampf um das Höchstgericht
USA. Donald Trumps Kandidat für das Höchstgericht stellt die Demokraten vor ein Dilemma: Blockade und Abfuhr bei der Kongresswahl 2018 – oder Zustimmung und Parteirevolte von links.
Donald Trumps Kandidat für den Supreme Court, Neil Gorsuch, stellt die Demokraten vor ein Dilemma.
Washington. Mit der Nominierung des konservativen Berufungsrichters Neil Gorsuch für den Obersten Gerichtshof hat der neue US-Präsident, Donald Trump, die prekäre Lage der oppositionellen Demokraten verschärft.
Gorsuch, ein 49-jähriger Berufungsrichter in Colorado, der mit angesehenen Leistungenstipendien in Harvard und Oxford studiert hatte und auch Erfahrung als Rechtsanwalt in einer großen Washingtoner Sozietät hat, ist weltanschaulich ein konservativer Traumkandidat. Er ist ein Originalist und Textualist, sprich: er findet, dass Richter die Worte der Verfassung so zu deuten haben, wie sie zur Zeit ihrer Formulierung verstanden wurden, und er hält einzig den Text von Gesetzen für entscheidungsrelevant, nicht die Absichten des jeweiligen Gesetzgebers oder die konkreten Folgen einer Norm.
In der Spur von Scalia
Damit entspricht Gorsuch dem rechtsphilosophischen Profil von Antonin Scalia, dessen Platz am Mahagonitisch im Supreme Court Gorsuch nach dem Willen Trumps und der republikanischen Mehrheit im Senat einnehmen soll. Das plötzliche Ableben des feurigen konservativen Intellektuellen Scalia vor fast genau einem Jahr hatte zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien geführt. Die Republikaner wollten Merrick Garland, den Kandidaten des damaligen Präsidenten Barack Obama, nicht einmal anhören. Sie argumentierten, im letzten Amtsjahr eines nicht zur Wiederwahl stehenden Präsidenten gezieme sich das nicht.
Ihre Hoffnung, im Fall eines Wahlsieges ihres Kandidaten Trump bei der Präsidentenwahl einen eigenen, konservativen Kandidaten für Scalias Nachfolge bestellen zu können, steht nun vor der Erfüllung. Denn obwohl die Demokraten über die Blockade Garlands fuchsteufelswild waren und im Senat verhindern können, dass über Gorsuch überhaupt abgestimmt wird, ist die Lage für sie weniger vorteilhaft, als es scheinen mag. Zwar können sie mittels eines Filibusters Gorsuchs Bestellung versenken. Um so eine Dauerrede zu beenden, sind 60 der 100 Stimmen nötig. Die Republikaner haben jedoch derzeit nur eine Mehrheit von 52 Sitzen und können einen Filibuster nicht abwenden.
McConnells „nukleare“Option
Doch die Republikaner können die Demokraten auf zwei Weisen in die Enge treiben. Erstens haben sie die sogenannte „nukleare Option“, durch Änderung der Geschäftsordnung den Filibuster für Höchstrichterbestellungen abzuschaffen. Das ist eine delikate Sache, von der Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer, lieber die Finger lassen würde. Denn das Ende des Filibusters würde bedeuten, dass die Republikaner im Fall eines künftigen Verlustes der Mehrheit im Senat nicht mehr verhindern könnten, dass die Demokraten linksliberale Höchstrichter bestellen, sobald sich die nächste Gelegenheit dazu eröffnet.
Wie man sich mit so einer Lockerung der parlamentarischen Minderheitsrechte ein Eigentor schießt, spüren die Demokraten selbst. Sie haben im Jahr 2013, ein Jahr vor ihrem Verlust der Senatsmehrheit, angesichts der Blockadetaktik der republikanischen Mehrheit gegen Präsident Obamas Kandidaten für hohe Behördenposten den Filibuster für solche Bestellungen abgeschafft.
Der zweite Grund für die Bredouille, in welcher die Demokraten nun sitzen, liegt in der Kongresswahl 2018. 25 demokratische Senatoren müssen in Bundesstaaten bestehen, die Trump mit gro- ßen Mehrheiten gewonnen hat. Die recht offen ausgesprochene Drohung der Unterstützer Gorsuchs lautet: Wenn ein demokratischer Senator gegen ihn stimmt, droht ihm in zwei Jahren der Verlust seines Mandats. Das Judicial Crisis Network, eine konservative Lobbyorganisation, hat laut Bericht der „Washington Post“bereits zwei Millionen Dollar für eine Kampagne für Gorsuch in vier Staaten investiert, in denen demokratische Senatoren 2018 um ihre Wiederwahl kämpfen müssen.
Druck von Linksaußen
Das verschärft das Dilemma der Demokraten. Denn ihr linksliberaler Flügel ist wegen Gorsuchs Haltung in Fragen der Abtreibung und der Rolle von Behörden in der Umsetzung von Arbeitnehmer- und Umweltschutznormen alarmiert. „Das ist jene Art von Kandidat, den kein Demokrat unterstützen kann, der eine Herausforderung bei den Vorwahlen überleben will“, warnte Ian Millhiser von der linken Nachrichtenplattform ThinkProgress.