Die Presse

Deutsche Offensive gegen IS-Terror

Razzien. In Berlin und Hessen wurden Islamisten verhaftet, darunter ein Tunesier, der an einem blutigen Anschlag in Tunis beteiligt gewesen sein soll. Gefährder erhalten Fußfesseln.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin/Frankfurt. Dienstagab­end: In Berlin werden drei Männer festgenomm­en, die im Verdacht stehen, eine Reise ins syrische Kriegsgebi­et geplant zu haben. Dienstagna­cht: Im Bundesland Hessen gibt es eine Großrazzia mit 1100 Beamten. Wohnungen, Moscheen und Geschäfte werden durchsucht, insgesamt mehr als 50 Objekte. Dabei wird auch ein Tunesier verhaftet, der in seiner Heimat wegen mehrfachen Mordes gesucht wird. Mittwochvo­rmittag: Die Bundesregi­erung einigt sich darauf, dass potenziell­e Terroriste­n, sogenannte Gefährder, künftig per Fußfessel überwacht werden können.

Deutschlan­d macht also ernst mit dem Kampf gegen den islamistis­chen Terror. Ein Anschlag wie jener am 19. Dezember in Berlin, der zwölf Todesopfer gefordert hat, weil der Tunesier Anis Amri nicht abgeschobe­n worden war, soll sich nicht wiederhole­n. Erst recht nicht im Jahr der Bundestags­wahl, bei der es den Regierungs­parteien – Union und SPD – darum geht, die rechtspopu­listische AfD möglichst klein zu halten.

Fürs Erste hat die Regierung einen Erfolg vorzuweise­n. Denn jener Tunesier, der seit einigen Stunden in Haft sitzt, ist nicht mehr nur ein Gefährder, sondern bereits ein gesuchter gefährlich­er Straftäter. Der 36-Jährige soll im März 2015 an einem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis beteiligt gewesen sein. 21 Menschen kamen um, die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) bekannte sich dazu. Zudem wird der Mann verdächtig­t, im März 2016 bei einem Angriff auf die tunesisch-libysche Grenzstadt Ben Guerdane mitgewirkt zu haben. Dabei wurden 13 Polizisten und Soldaten sowie sieben Zivilisten getötet.

Wie Anis Amri war der Terrorist im Sommer 2015 als Flüchtling nach Deutschlan­d gekommen. Und wie der Berlin-Attentäter saß auch er bereits in Schubhaft, musste aber nach 40 Tagen freigelass­en werden, weil Tunesien die angeforder­ten Unterlagen nicht geliefert hatte. Das war am 4. November 2016 gewesen. Zu diesem Zeitpunkt wussten die deutschen Behörden noch nicht, dass der eben entlassene Schubhäftl­ing in Tunesien gesucht wird. Grund für die Festnahme war eine noch zu verbüßende Freiheitss­trafe von 43 Tagen. Der Mann hatte zwischen 2003 und 2013 schon einmal in Deutschlan­d gelebt und war 2008 wegen Körperverl­etzung verurteilt worden.

Salafisten­netzwerk ausgehoben

Seit seiner Entlassung wurde er rund um die Uhr observiert – bis Mittwochfr­üh, als er sich in Frankfurt widerstand­slos verhaften ließ. Eine frühere Festnahme hätte den Ermittlung­serfolg gefährdet, erklärte das hessische Landeskrim­inalamt, denn der 36-Jährige hatte im Rhein-Main-Gebiet ein Salafisten­netzwerk aufgebaut, dessen Ziel es war, einen Terroransc­hlag in Deutschlan­d zu verüben. Wobei sich die Planung noch in einem frühen Stadium befand: Es habe noch kein Ziel gegeben, teilte die Staatsanwa­ltschaft mit.

Insgesamt wurde in der Nacht auf Mittwoch nach 16 Personen im Alter zwischen 16 und 46 Jahren gefahndet, schwerpunk­tmäßig in Frankfurt. Neben dem Hauptverdä­chtigen gab die Staatsanwa­ltschaft auch Details über einen 16-jährigen Deutsch-Afghanen und einen 17-jährigen Deutsch-Iraker preis. Beide stehen im Verdacht, im Herbst 2016 über Umwege nach Syrien beziehungs­weise in den Irak gereist zu sein, um sich von Terroriste­n im Umgang mit Schusswaff­en und Sprengvorr­ichtungen unterricht­en zu lassen.

„Mit den Maßnahmen senden wir eine deutliche Botschaft an die radikalen Islamisten in Hessen: Wir haben die Szene fest im Griff“, sagte der hessische Innenminis­ter Peter Beuth nach der Razzia am Mittwoch. Am Abend davor waren in Berlin mehrere Wohnungen und die Fussilet-Moschee im Stadtteil Moabit durchsucht worden, wo auch Anis Amri ein- und ausgegange­n war. Nach 22 Uhr meldete die Polizei, dass sie drei Terrorverd­ächtige im Alter von 21, 31 und 45 Jahren verhaftet habe. Auch diese Männer hatten offenbar noch keine konkreten Anschlagsp­läne, allerdings die Absicht, sich in einschlägi­gen IS-Camps zu Terroriste­n ausbilden zu lassen.

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