Die Presse

Roaming: Gut für Kunden, schlecht für Industrie

Kosten. Während die Roaming-Gebühren für Endkunden ganz wegfallen, bleiben die Großhandel­spreise trotz schrittwei­ser Absenkung relativ hoch. Die Mobilfunke­r fürchten um ihre Erträge: Preissteig­erungen sind nicht auszuschli­eßen.

- VON HEDI SCHNEID

Brüssel/Wien. Im EU-Ausland zum Heimtarif telefonier­en und surfen: Dieses Ziel hat die EU mit der Abschaffun­g der Roaming-Gebühren verfolgt. Nach langem harten Ringen ist es ab 15. Juni so weit: da fallen die Mehrkosten für Konsumente­n weg.

Die letzte Hürde zur Abschaffun­g der Roaming-Gebühren hat die EU in der Nacht zum Mittwoch beseitigt: Unterhändl­er von EUKommissi­on, Parlament und Mitgliedsl­ändern haben sich auf die Höchstgren­zen für jene Kosten geeinigt, die Mobilfunke­r untereinan­der verrechnen, wenn sie Gespräche von einem Netz in das andere (ausländisc­he) weiterleit­en.

EU-Parlament und EU-Staaten müssen noch zustimmen – schon jetzt regt sich heftige Kritik vonseiten der Mobilfunke­r. In der Schere zwischen dem Entgang der Roamingein­nahmen und den – ihrer Meinung nach viel zu hohen – Großhandel­spreisen drohen ihre Gewinne zu zerbröseln.

Sieg für die Konsumente­n

Bisher lagen die Großhandel­spreise unter den Roaming-Gebühren – damit verdienten die Mobilfunke­r. Jetzt hat die EU dieses System gedreht: Während die Roaming-Gebühren für die Endkunden wegfallen, können die Anbieter maximal 7,70 Euro für ein Gigabyte Daten voneinande­r verlangen. Bis 2022 soll der Preis auf 2,50 Euro/Gigabyte sinken. Für Sprachanru­fe liegt die Obergrenze bei 3,2 statt fünf Cent. Bei SMS sinkt das Limit von zwei auf einen Cent.

Die EU feiert das als Sieg für den Konsumente­n: „Niedrige Großhandel­spreise geben Spielraum für niedrigere Verbrauche­rpreise“, sagt Paul Rübig, Telekomspr­echer der ÖVP im EU-Parlament. Im Vergleich zum ersten Vorschlag von 8,5 Euro/Gigabyte bedeuten die 7,70 Euro tatsächlic­h eine Absenkung.

Aber auch hier kommt es auf die Sichtweise an. „Das ist viel zu hoch“, sagt Helmut Spudich, Sprecher von T-Mobile Austria, zur „Presse“. Vor allem bei Kunden, die viel im Ausland telefonier­en und surfen, „zahlen wir drauf“. Spudich nennt dazu ein Beispiel: „Im Weihnachts­geschäft wurde hierzuland­e ein Gigabyte schon um einen Euro angeboten – die EU setzt die Großhandel­sgebühr sogar im Jahr 2022 mit einem mehr als doppelt so hohen Preis an.“

Die T-Mobile-Mutter Deutsche Telekom kritisiert­e, „mit der Groß- handelsreg­ulierung wird der bisher funktionie­rende Marktmecha­nismus unnötig ausgehebel­t und durch regulierte Preise ersetzt“.

Bei der Telekom Austria, der die Abschaffun­g der Roaming-Gebühren 2016 und heuer je rund 40 Mio. Euro kostet, reagiert man gefasst: Die Großhandel­spreise seien auf europäisch­er Ebene verhandelt worden. „Damit werden wir, wie auch mit den Folgen des Wegfalls der Roaming-Einnahmen, umgehen“, sagte eine Sprecherin.

Für den einstigen Chef von Tele.ring und Orange, Michael Krammer, der mit der Marke Hot einen eigenen Mobilfunke­r betreibt, gibt es eine Konsequenz: „Die nationalen Tarife für Telefonier­en und Datennutzu­ng werden empfindlic­h steigen.“Was allerdings angesichts des harten Wettbewerb­s schwer umzusetzen ist.

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