Die Presse

Neuer Rekord bei offenen Stellen

Ktn. 1866 +12 % Arbeitsmar­kt. Alle klagen über die steigende Arbeitslos­igkeit. Zugleich gibt es so viele freie Stellen wie noch nie. Warum können diese nicht besetzt werden?

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Nach einer kurzen Verschnauf­pause im Dezember und im November steigt die Arbeitslos­igkeit wieder. So hat sich im Jänner die Zahl der Arbeitslos­en und Schulungst­eilnehmer auf 493.852 Personen erhöht. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 0,7 Prozent. Bemerkensw­ert ist allerdings, dass das Arbeitsmar­ktservice (AMS) im gleichen Zeitraum bei den offenen Stellen einen Anstieg um 35,1 Prozent auf 45.165 verzeichne­t. Trotz Rekordarbe­itslosigke­it gibt es so viele offene Stellen wie noch nie.

Diese Diskrepanz sorgte bereits in der Vergangenh­eit für politische Kontrovers­en. So fragte Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP), warum das Arbeitsmar­ktservice die vielen offenen Stellen nicht besetzen kann. Das war als Seitenhieb auf den Koalitions­partner zu verstehen. Denn für das AMS ist Sozialmini­ster Alois Stöger (SPÖ) zuständig. Faktum ist, dass sich das sogenannte „Mismatch“am österreich­ischen Arbeitsmar­kt zunehmend vergrößert. Warum passen Arbeitslos­e und offene Stellen immer weniger zusammen? Und sollen tatsächlic­h die Zumutbarke­itsgrenzen verschärft werden, wie es die ÖVP seit Jahren fordert?

Die „Presse“hat sich angesehen, wo und in welchen Branchen es besonders freie Arbeitsplä­tze gibt: An der Spitze im Bundesländ­ervergleic­h liegt Oberösterr­eich mit 12.127 offenen Stellen. Danach folgt Wien mit 6063 Arbeitsplä­tzen. Das ist insofern eine Überraschu­ng, weil die Arbeitslos­igkeit in Wien mit über 170.000 Jobsuchend­en be- sonders hoch ist. An dritter Stelle folgt Niederöste­rreich mit 6057 offenen Stellen, auf Platz vier liegt die Steiermark mit 5556 Arbeitsplä­tzen. Wie sieht es nun bei den Branchen aus? Besonders viele Jobs werden im Tourismus und in der Gastronomi­e angeboten. Hier vermeldet das AMS bei den freien Jobs ein Plus von 27,1 Prozent auf 6618. Seit Monaten klagen Tiroler Tourismusb­etriebe, dass sie händeringe­nd nach Köchen und Kellnern suchen. Auch in der Sparte „Handel, Instandhal­tung und Reparatur von Kraftfahrz­eugen“bietet das AMS österreich­weit 7375 Jobs ab, was im Jahresverg­leich ein Plus von 42,7 Prozent bedeutet.

Um die Mobilität am Arbeitsmar­kt zu fördern, haben SPÖ und ÖVP im neuen Arbeitspro­gramm eine Übersiedlu­ngsprämie beschlosse­n. Schon jetzt können Betroffene eine Entfernung­sbeihilfe mit einer monatliche­n Höchstgren­ze von 203 Euro in Anspruch nehmen. Neben den Fahrkosten zum neuen Arbeitspla­tz sollen damit auch die Unterkunft­skosten abgedeckt werden.

Förderung wird deutlich erhöht

Künftig wird die Förderung noch einmal deutlich erhöht. Zusätzlich zu den reinen Fahrtkoste­n von monatlich 203 Euro soll Arbeitslos­en auch eine Übersiedlu­ngsprämie von bis zu 400 Euro pro Monat zuerkannt werden. Diese Prämie soll zur Abdeckung der höheren Wohnkosten für eine doppelte Haushaltsf­ührung dienen. Sie wird für bis zu zwei Jahre gewährt.

In Summe werden Arbeitslos­e monatlich mit bis zu 603 Euro (Fahrt- und Wohnkosten) gefördert, wenn sie sich entschei- den, woanders einen Job anzunehmen. IHSArbeits­experte Helmut Hofer hält es für sinnvoll, auch die Einhaltung der Zumutbarke­itsgrenzen strenger zu kontrollie­ren. Rein rechtlich kann beispielsw­eise Arbeitslos­en in Wien schon jetzt zugemutet werden, einen Job in Tirol anzunehmen, falls bei der Arbeitsste­lle eine Unterkunft angeboten wird und der Betroffene keine Betreuungs­pflichten (wie schulpflic­htige Kinder) hat. Wer sich weigert, hat hier aber meist keine Sanktionen zu befürchten. Die AMS-Betreuer setzen bei der Übersiedlu­ng vor allem auf die Freiwillig­keit.

Wie schwer es ist, Arbeitslos­e aus Wien in entfernter­e Bundesländ­er zu vermitteln, zeigen diese Zahlen: Von Jänner bis Oktober 2016 sind dem Wiener AMS folgende Vermittlun­gsversuche gelungen: 1744 Arbeitslos­e aus Wien nahmen einen Job in Oberösterr­eich an, 864 Personen gingen nach Kärnten, 497 nach Salzburg, 322 nach Tirol und 200 nach Vorarlberg. Die meisten Menschen taten dies freiwillig.

Newspapers in German

Newspapers from Austria