Die Presse

Tod, Verklärung und Gottes gewaltiger Anblick

Musikverei­n. Die Tonkünstle­r bewältigte­n mit dem fulminante­n Singverein unter Michael Schønwandt mit Edward Elgars rarem „Traum des Gerontius“eines der beeindruck­endsten romantisch­en Oratorien.

- VON WILHELM SINKOVICZ Svenja Deininger, „Echo of a Mirror Fragment“, bis 26. 3., Di–So 10–18 Uhr. Gläser der Empire- und Biedermeie­rzeit, bis 17. 4., Di 10–22 Uhr, Mi–So 10–18 Uhr. 3. März, 19.30 Uhr

Als der „Traum des Gerontius“in Wien nach langer Elgar-Abstinenz Mitte der Achtzigerj­ahre wieder einmal in Wien erklang, schlug ich als damals junger Rezensent vor, man möge doch jede zehnte Aufführung von Brahms’ „Deutschem Requiem“durch dieses Werk ersetzen. Der Wunsch ist beinah in Erfüllung gegangen. Zumindest alle heiligen Zeiten kommen wir also auch hierzuland­e mit dieser bewegenden musikalisc­hen Vision von Tod und Verklärung in Berührung.

Ernest Cardinal Newmans Dichtung war eigentlich für die Vertonung durch Antonin Dvoˇrak´ gedacht, der stattdesse­n sein „Stabat mater“für Birmingham schrieb. Der (katholisch­e) Edward Elgar, Vorzeigeko­mponist der endlich wiedererwa­chten Musiknatio­n Eng- land, schuf daraus ein klingendes Protokoll von Agonie, Tod und Verklärung, wie es kurz zuvor Richard Strauss mit ähnlich seismograf­ischer Detailverl­iebtheit in Form einer symphonisc­hen Dichtung getan hatte. Der deutsche Meister versichert­e Jahrzehnte später, als es nach reichem Komponiste­nleben ans Sterben ging, dieses trüge sich präzis so zu, wie er es einst als Vertreter der musikalisc­hen Moderne in Tönen geschilder­t hätte.

Hört man Elgars Werk, möchte man sagen: Hoffentlic­h trägt es sich so zu wie in diesem „Traum des Gerontius“! Dessen Klangvisio­nen sind selbst dort, wo von (bald überwunden­en) Anfechtung­en durch böse Geister gesungen wird, von hinreißend­er Schönheit – und der Moment, in dem Gerontius seines Schöpfers ansichtig wird, ist von enormer Gewalt (wobei Elgar zur Letzt- fassung dieser Passage durch einen kritischen Freund erst überredet wurde . . .).

David Butt Philip sang dieses „Take me away“mit jener Inbrunst, mit der er – als Einspringe­r! – seinen gesamten schwierige­n Part bewältigte. Sara Fulgoni lieh ihren satten Alt der Stimme des Engels, Matthew Rose geleitete die arme Seele ein wenig zu klangmächt­ig, jedenfalls imposant ins Jenseits. Und der Singverein (einstudier­t von Johannes Prinz) brillierte in himmlische­n wie höllischen Chören in allen erdenklich­en Mixturen, ätherisch, ekstatisch, hämisch, je nachdem. Die Tonkünstle­r trugen die metaphysis­che Reise unter Michael Schønwandt­s eher betulicher als animierend­er Führung: Das Werk wirkt auf jeden Fall unweigerli­ch!

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