Ernsthafte Tosca, stürmischer Cavaradossi
Besonders Alexandrs Antonenko glänzte in der Staatsoper in einer stark umbesetzten „Tosca“.
Ganz fremd ist die aus Korea stammende Sae Kyung Rim im Haus am Ring nicht mehr: Bereits 2015 war sie mehrmals als Cio-Cio-San in „Madama Butterfly“zu erleben. Am Dienstag feierte sie nun als Einspringerin für die erkrankte Adrianne Pieczonka ihr zweites Wiener PucciniRollendebüt. Auch wenn ihr die Tosca nicht ganz auf den Leib geschneidert scheint, fand sie in der 591. Aufführung der zeitlos imposanten Inszenierung von Margarethe Wallmann zu einer glaubwürdigen und interessanten Interpretation von großer Ernsthaftigkeit und Reife.
Divenhafte Allüren erlaubt sich diese Tosca nur, solange ihre größte Sorge der Augenfarbe der von ihrem geliebten Mario gemalten Madonna gilt. Sobald die bittere politische Wahrheit über ihre heile Welt hereinbricht, reagiert die hochemotionale Frau völlig rational. Sie tötet eher, als sich bestechen zu lassen, und versucht raffiniert, das Schicksal zu lenken. Für die großen Gefühle Liebe, Eifersucht, Wut, Verzweiflung und Trauer – und damit die stimmlichen Höhenlagen – fehlt es Rim weder an Stimmvolumen noch an ausdrucksvollem Schmelz. Die Sanftheit der Tosca in der Liebe nahm sie jedoch allzu ernst: Zu zurückhaltend, ja hie und da gefährlich brüchig klang diesmal das Piano, ehe sie mit einem fein modellierten „Vissi d’arte“doch zu berühren wusste.
Sogar der Husten passte
Alexandrs Antonenko stand der Titelheldin trotz Erkältung in puncto Stimmkraft um nichts nach. Sein Husten schien geradezu authentisch in das von ihm gezeichnete Bild des gemarterten, dem Tod ins Auge blickenden Mario Cavaradossi zu passen. An Temperament fehlte es ihm nicht: Nicht erst in den „Vittoria“-Rufen, sondern schon im Liebesduett des ersten Aktes gab er sich stürmisch und expressiv, riskierte viel – und gewann alles und alle für sich. Zumal es ihm trotz Indisposition gelang, auch in den leiseren Passagen die Spannung aufrecht zu erhalten.
Ein Glücksfall, dass die von krankheitsbedingten Ausfällen in großen Teilen umbesetzte Aufführung – Marco Vratogna sang statt Thomas Hampson den Scarpia und Hans Peter Kammerer statt Mihal Dogotari den Sciarrone – nicht auch noch auf den Tenor verzichten musste. Vratognas Scarpia, wiewohl ganz widerlicher Lüstling, zügelte die Obszönität seiner Annäherungsversuche angesichts der Besonnenheit von Toscas Charakter. Placido´ Domingo dirigierte das Orchester mit natürlichem Gespür für die sängerischen Notwendigkeiten, legte Wert auf Atempausen und behutsame Phrasierung – und gab zuletzt nobel den Applaus an die Celli weiter: für ihren klangschönen Soloauftritt im letzten Akt.