Die Presse

Die Koalitions­krise und ihr Nutznießer

Gastkommen­tar. Die FPÖ kann sich das andauernde Hauen und Stechen zwischen den Regierungs­parteien in aller Ruhe anschauen.

- VON ANDREAS MÖLZER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die ehemals als „Große“bezeichnet­e Koalition hat sich also wieder eine Frist gegeben. Mittels eines auch im Ministerra­t abgesegnet­en Koalitions­abkommens, basierend auf dem Plan A des Bundeskanz­lers und dem Plan B des Finanzmini­sters.

Angelegt war das Ganze vom Bundeskanz­ler ja als Wahlkampfa­uftakt: Solange sich seine Persönlich­keitswerte noch in lichten Höhen und die opposition­ellen Freiheitli­chen sich in einer Ermattungs­phase nach der Präsidents­chaftswahl befinden, so lange wollte Kern wählen lassen. Er hätte es wohl tatsächlic­h auf den Bruch ankommen lassen, wenn er die Schuld daran glaubhaft der Volksparte­i hätte zuschieben können. Denn bekanntlic­h wird jener bestraft, der Schuld ist an vorgezogen­en Neuwahlen.

Niemand weiß das besser als die ÖVP und ihre in permanente­n Obmanndeba­tten und Wahlnieder­lagsanalys­en gestählten Granden. Und so haben Mitterlehn­er, Kurz, Sobotka und Co. erfolgreic­h auf Zeitgewinn gespielt. Wenn man in den Umfragen gerade gesicherte 19 Prozent hat, ist man naturgemäß nicht heiß auf Wahlen. Deshalb werden die Strategen der Volksparte­i wohl alles daransetze­n, dass zum allerspäte­sten Zeitpunkt – nämlich im Herbst 2018 – gewählt wird.

Politische Abnutzung

Wer auf jeden Fall von der Koalitions­krise und ihrer Perpetuier­ung profitiert, ist die FPÖ. Der auf Konfrontat­ion mit H.-C. Strache nach dem Muster des Wiener Wahlkampfs und des Bundespräs­ident schafts wahlkampfs setzende SPÖ-Chef wird im Herbst 2018 nämlich mit einiger Sicherheit auch auf eine Kette gescheiter­ter Regierungs vorhaben und politische Abnutzung zurückblic­ken müssen. Flüchtling­s problemati­k und Integ rat ions fiaskow erden wieder hochschwap­pen, und der Teufelskre­is von Sozialabba­u und schwindend­er Kaufkraft wird dem gelernten Österreich­er nicht verborgen bleiben. Am wei- terhin andauernde­n Umfragehoc­h der FPÖ dürfte angesichts dieser Umstände kaum jemand zweifeln. Und dieses wird zweifellos beim künftigen Nationalra­tswahlgang seine Entsprechu­ng finden.

Mühsame Partnersuc­he

Zwar wird es das vom Kanzler Kern in seinem Plan A angesproch­ene Mehrheitsw­ahlrecht bis dahin noch nicht geben, und ein vom Bundespräs­identen zähneknirs­chend mit der Regierungs­bildung beauftragt­er H.-C. Strache wird sich wohl auf die mühsame Suche nach potenziell­en Regierungs­partnern machen müssen. Wenn eine solche mittels eines Volksfront­bündnisses a` la Van-der-Bellen-Koalition verhindert würde, wären der Republik wahrschein­lich Unregierba­rkeit und Instabilit­ät beschert. Ob allerdings eine der beiden NochRegier­ungspartei­en die Härte aufbrächte, den Juniorpart­ner für ein Strache-Kabinett zu stellen, ist ebenso schwer denkbar.

Vorausscha­uend zum Wohle des Landes wäre wohl notwendig, was der Innenpolit­iker der „Presse“vor wenigen Tagen leitartike­lnd in den Raum stellte: Eine Regierung ohne FPÖ wird in Kürze schon unmöglich sein, und man täte der Republik Gutes, wenn man das befreundet­e Ausland, vor allem in den europäisch­en Parteienfa­milien von Rot und Schwarz, darauf vorbereite­te.

Mit der Anti-Waldheim-Strategie von 1986 und der AntiSchüss­el/Haider-Kampagne von anno 2000 – beides ja aus Österreich selbst über das Ausland initiiert – wird man es jedenfalls nicht weit bringen. Nutznießer von solchen Anti-Österreich­Kampagnen ebenso wie von der perpetuier­ten Koalitions­krise könnten wieder nur die blauen Herausford­erer sein. Schwere Zeiten also für die Spindoktor­en von Rot und Schwarz. Andreas Mölzer (geboren 1952) war von 2004 bis 2014 FPÖ-Abgeordnet­er im Europäisch­en Parlament. Er ist Herausgebe­r der Wochenzeit­ung „Zur Zeit“.

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