Die Koalitionskrise und ihr Nutznießer
Gastkommentar. Die FPÖ kann sich das andauernde Hauen und Stechen zwischen den Regierungsparteien in aller Ruhe anschauen.
Die ehemals als „Große“bezeichnete Koalition hat sich also wieder eine Frist gegeben. Mittels eines auch im Ministerrat abgesegneten Koalitionsabkommens, basierend auf dem Plan A des Bundeskanzlers und dem Plan B des Finanzministers.
Angelegt war das Ganze vom Bundeskanzler ja als Wahlkampfauftakt: Solange sich seine Persönlichkeitswerte noch in lichten Höhen und die oppositionellen Freiheitlichen sich in einer Ermattungsphase nach der Präsidentschaftswahl befinden, so lange wollte Kern wählen lassen. Er hätte es wohl tatsächlich auf den Bruch ankommen lassen, wenn er die Schuld daran glaubhaft der Volkspartei hätte zuschieben können. Denn bekanntlich wird jener bestraft, der Schuld ist an vorgezogenen Neuwahlen.
Niemand weiß das besser als die ÖVP und ihre in permanenten Obmanndebatten und Wahlniederlagsanalysen gestählten Granden. Und so haben Mitterlehner, Kurz, Sobotka und Co. erfolgreich auf Zeitgewinn gespielt. Wenn man in den Umfragen gerade gesicherte 19 Prozent hat, ist man naturgemäß nicht heiß auf Wahlen. Deshalb werden die Strategen der Volkspartei wohl alles daransetzen, dass zum allerspätesten Zeitpunkt – nämlich im Herbst 2018 – gewählt wird.
Politische Abnutzung
Wer auf jeden Fall von der Koalitionskrise und ihrer Perpetuierung profitiert, ist die FPÖ. Der auf Konfrontation mit H.-C. Strache nach dem Muster des Wiener Wahlkampfs und des Bundespräsident schafts wahlkampfs setzende SPÖ-Chef wird im Herbst 2018 nämlich mit einiger Sicherheit auch auf eine Kette gescheiterter Regierungs vorhaben und politische Abnutzung zurückblicken müssen. Flüchtlings problematik und Integ rat ions fiaskow erden wieder hochschwappen, und der Teufelskreis von Sozialabbau und schwindender Kaufkraft wird dem gelernten Österreicher nicht verborgen bleiben. Am wei- terhin andauernden Umfragehoch der FPÖ dürfte angesichts dieser Umstände kaum jemand zweifeln. Und dieses wird zweifellos beim künftigen Nationalratswahlgang seine Entsprechung finden.
Mühsame Partnersuche
Zwar wird es das vom Kanzler Kern in seinem Plan A angesprochene Mehrheitswahlrecht bis dahin noch nicht geben, und ein vom Bundespräsidenten zähneknirschend mit der Regierungsbildung beauftragter H.-C. Strache wird sich wohl auf die mühsame Suche nach potenziellen Regierungspartnern machen müssen. Wenn eine solche mittels eines Volksfrontbündnisses a` la Van-der-Bellen-Koalition verhindert würde, wären der Republik wahrscheinlich Unregierbarkeit und Instabilität beschert. Ob allerdings eine der beiden NochRegierungsparteien die Härte aufbrächte, den Juniorpartner für ein Strache-Kabinett zu stellen, ist ebenso schwer denkbar.
Vorausschauend zum Wohle des Landes wäre wohl notwendig, was der Innenpolitiker der „Presse“vor wenigen Tagen leitartikelnd in den Raum stellte: Eine Regierung ohne FPÖ wird in Kürze schon unmöglich sein, und man täte der Republik Gutes, wenn man das befreundete Ausland, vor allem in den europäischen Parteienfamilien von Rot und Schwarz, darauf vorbereitete.
Mit der Anti-Waldheim-Strategie von 1986 und der AntiSchüssel/Haider-Kampagne von anno 2000 – beides ja aus Österreich selbst über das Ausland initiiert – wird man es jedenfalls nicht weit bringen. Nutznießer von solchen Anti-ÖsterreichKampagnen ebenso wie von der perpetuierten Koalitionskrise könnten wieder nur die blauen Herausforderer sein. Schwere Zeiten also für die Spindoktoren von Rot und Schwarz. Andreas Mölzer (geboren 1952) war von 2004 bis 2014 FPÖ-Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er ist Herausgeber der Wochenzeitung „Zur Zeit“.