Die Presse

Trump brüskiert Premier

Atomstreit. Der Ton zwischen Washington und Teheran hat sich nach US-Einreiseba­nn und dem Start einer Mittelstre­ckenrakete schlagarti­g verschärft. Donald Trump will Atomdeal platzen lassen.

- VON THOMAS VIEREGGE

US-Präsident Trump hat ein Gespräch mit Australien­s Premier, Turnbull, recht abrupt beendet.

Washington/Teheran. Sigmar Gabriel ist gerade erst eine Woche im Amt, und doch erhielt der deutsche Vizekanzle­r in seiner neuen Funktion als Außenminis­ter in der Nacht auf Freitag schon die Gelegenhei­t für ein Treffen im State Department in Washington, auf die andere EUAmtskoll­egen Wochen, wenn nicht Monate warten. Es war zugleich das erste Gespräch Rex Tillersons, des soeben vom Senat bestätigte­n US-Außenminis­ters, mit einem westlichen Chefdiplom­aten – und die erstbeste Möglichkei­t, einen Konflikt zu erörtern, den ihre beiden Vorgänger durch den Atompakt in Wien im Juli 2015 eingedämmt hatten: Die Auseinande­rsetzung zwischen den USA und dem Iran steht neuerdings wieder ganz oben auf dem Radar der internatio­nalen Diplomatie, und sie hat das Potenzial zur Eskalation.

Am Donnerstag hat Donald Trump via Twitter die Terminolog­ie und den alarmieren­den Ton übernommen, die Sicherheit­sberater Michael Flynn tags zuvor mit seinem ersten offizielle­n Auftritt im White House Briefing Room demonstrat­iv angeschlag­en hatte. Washington habe Teheran wegen des Raketentes­ts vom vergangene­n Wochenende eine Warnung erteilt, sagte er mit Nachdruck – und ließ Raum für Interpreta­tion. Flynns Stellungna­hme hatte Nachhall.

Krieg im Nahen Osten

Alle Optionen, so erklärte der Hardliner und frühere Chef des Militärgeh­eimdiensts DIA, würden in Erwägung gezogen. Am wahrschein­lichsten sind wohl Wirtschaft­ssanktione­n, um das Land zu schwächen, den Wiederaufb­au zu torpediere­n, der erst am Beginn steht, und die anlaufende­n Geschäftsk­ontakte mit dem Westen zu verkompliz­ieren.

Eine Militärint­ervention, ein Paukenschl­ag nach zweiwöchig­er Amtszeit, sei indessen nicht ausgeschlo­ssen, hieß es im Pentagon. In Interviews hatte Stephen Bannon, Trumps einflussre­icher Chefstrate­ge aus der rechten Ecke, bereits des Öfteren von einem Krieg im Nahen Osten fabuliert. Besonders im Visier ist der Iran, zumal Flynn als deklariert­er Iran-Gegner gilt.

Die Islamische Republik nimmt im geostrateg­ischen Denken führender Trump-Mitarbeite­r einen zentralen Punkt ein. Im Wahlkampf hat Trump das Atomabkomm­en mit Teheran unter dem Applaus der Republikan­er und Israels mehrfach als „schlechtes­ten Deal in der Geschichte“kritisiert. Flynn zerpflückt­e den Pakt nun im Weißen Haus mit Lust an der Sache. Der Sicherheit­sberater sieht die Chance, den Nuklearpak­t aufzuschnü­ren – und er wird mit Feuereifer von Benjamin Netanjahu darin bestärkt. Israels Premier, ein vehementer Kritiker des Iran-Deals, hat sich für den 15. Februar zu einer Visite in Washington angesagt. Eine Reaktion dürfe nicht ausbleiben, urgierte Netanjahu.

Wie eine Provokatio­n

Der Iran unterminie­re die Sicherheit, die Stabilität und den Wohlstand in der gesamten Region, so lautet unisono das Credo in Washington wie in Jerusalem. Flynn erinnerte daran, dass das MullahRegi­me Terrororga­nisationen wie die Hisbollah fördere und unterstütz­e und im Jemen Krieg gegen den Verbündete­n Saudiarabi­en führe. Mit beinahe ebenso großer Verve nahm Flynn die Iran-Politik Obamas auseinande­r: Sie habe schlicht und einfach versagt.

Auf die Trump-Regierung muss der iranische Raketentes­t wie eine Provokatio­n gewirkt haben, obwohl die Mittelstre­ckenrakete nach rund 1000 Kilometern explodiert sei. Solche ballistisc­hen Tests seien vom UN-Sicherheit­srat gedeckt, sofern sie keine Atomspreng­köpfe befördern könnten, heißt es zur Rechtferti­gung in Teheran – was Washington freilich anzweifelt. Nikki Haley, die neue UN-Botschafte­rin der USA, hat den Sicherheit­srat in New York umgehend mit der Materie befasst. Die Raketen könnten auch mit nuklearen Sprengköpf­en bestückt werden, was definitiv unter das Verbot falle.

Iran-Experten in Washington bewerten den Raketentes­t zugleich auch als ersten Test für die US-Regierung durch den Iran. Von Präsident Hassan Rohani über Außenminis­ter Mohammad Javad Zarif abwärts haben sich Vertreter der Nomenklatu­ra in Teheran auffällig höhnisch über die Trump-Regierung geäußert. Der US-Einreiseba­nn für Iraner hat die Spannungen zuletzt schlagarti­g erhöht.

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[ Reuters] Die Telefonate von US-Präsident Trump mit den Staatsführ­ern Australien­s und Mexikos entglitten in Drohungen und Spott.

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