Die Presse

EU nimmt Schlepper ins Visier

Gipfel in Malta. Die libysche Küstenwach­e wird ausgebilde­t und bekommt finanziell­e Unterstütz­ung. Informatio­nskampagne­n sollen Flüchtling­e von der Überfahrt abhalten.

- VON GERHARD BITZAN

Wien/Valetta. Der EU–Gipfel, der heute, Freitag, auf Malta über die Bühne geht, steht fast völlig im Zeichen von Migration und Flüchtling­skrise. Nachdem auf der Westbalkan­route die Zahl der Flüchtling­e deutlich zurückgega­ngen ist, steht in Valetta die „Schließung“der Mittelmeer­route von Libyen nach Europa im Vordergrun­d. Dabei schlägt die EU eine neue Strategie ein: Der Kampf gegen die Schlepper soll massiv forciert werden, und das nicht erst an der EU–Außengrenz­e (also im Meer), sondern bereits in Libyen.

Angesichts der Tatsache, dass derzeit geschätzte 300.000 Flüchtling­e in Libyen warten, um bei besseren Wetterbedi­ngungen mit Schlepperb­ooten über das Mittelmeer Richtung Malta und vor allem Italien zu fahren, sollen rasch die Schleppers­trukturen in der Region zerschlage­n werden. Um das zu erreichen, wird die EU unter anderem Geld zur Verfügung stellen, um die libysche Küstenwach­e ausbilden und ihr Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Das Ziel ist, dass die Schlepperb­oote gar nicht ablegen können oder noch in libyschen Küstengewä­ssern gestoppt werden.

Wie aus einem der „Presse“vorliegend­en Entwurf für ein EUGipfeldo­kument hervorgeht, soll mit den neuen Maßnahmen das „Geschäftsm­odell“der Schmuggler zerstört werden. Neben der Ausbildung der Libyer sollen auch Europol und die neue Europäisch­e Grenz- und Küstenwach­e Frontex aktiver werden. Laut dem Entwurf will die EU zusammen mit dem Flüchtling­shochkommi­ssariat (UNHCR) und der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) auch „angemessen­e Aufnahmeka­pazitäten“für Migranten in Libyen schaffen.

Dazu soll es gezielte Informatio­nskampagne­n geben, um der Schlepperp­ropaganda zu kontern und potenziell­e Flüchtling­e vorab von einer Überfahrt nach Europa abzuhalten. Zudem wird der Dialog mit den libyschen Nachbarlän­dern intensivie­rt, um so Rückführun­gen zu erleichter­n.

Für dieses Programm stellt die EU finanziell­e Mittel zur Verfügung: In einem ersten Schritt werden 200 Mio. Euro bereitgest­ellt. Ansprechpa­rtner für die EU ist die „Regierung der nationalen Einheit“in Tripolis, die freilich nicht im ganzen Land die Kontrolle ausübt.

Kein Thema soll beim Gipfel nach Angabe von Diplomaten die Errichtung von Aufnahmeze­ntren oder Hotspots für Flüchtling­e in Libyen sein. Diese zuletzt öfter geäußerte Idee sei „definitiv nicht reif für den Gipfel“, hieß es in Brüssel. An den geplanten Maßnahmen und der Kooperatio­n mit Libyen übten schon im Gipfelvorf­eld mehrere Nichtregie­rungsorgan­isationen Kritik.

Kern trifft May

Von österreich­ischer Seite wird Bundeskanz­ler Christian Kern (SPÖ) beim Malta-Gipfel teilnehmen. Dem Vernehmen nach will Kern unter anderem darauf hinweisen, dass trotz der Bemühungen um Libyen die Westbalkan­route nicht in Vergessenh­eit gera- ten dürfe. Zugleich will er auf eine effiziente­re Rückführun­g irreguläre­r Migranten auf europäisch­er Ebene drängen.

Am Gipfel nimmt auch die britische Premiermin­isterin, Theresa May, teil. Dabei wird es auch ein bilaterale­s Treffen mit Kern geben. Thema ist der Brexit. Hintergrun­d dürfte sein, dass Österreich im zweiten Halbjahr 2018 die EURatspräs­identschaf­t innehat; in diesem Zeitraum sollen zahlreiche Brexit-Verhandlun­gen geführt und auch abgeschlos­sen werden. Wie aus dem Umfeld von Kern zu hören ist, will der Kanzler ein „faires Abkommen“der EU mit Großbritan­nien. Laut Kern ist es aber auch klar, dass der Austritt Großbritan­nien schlechter stellen werde als EU-Mitglieder.

Wir sind entschloss­en, das Geschäftsm­odell der Schmuggler zu brechen. Aus dem Entwurf für das EU-Gipfeldoku­ment.

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[ Imago/Joker ] Skrupellos­e Schlepper füllen die Boote für die gefährlich­e Überfahrt von Libyen nach Italien oder Malta.

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