Die Presse

Fröstelnd der Sonne entgegen

Fahrberich­t. Es wird wieder ein Sommer kommen, der den Passagiere­n auf dem Sonnendeck des Range Rover Evoque Cabrio die noble Blässe austreiben wird. Billig sind die Plätze nicht.

- VON TIMO VÖLKER

Das erste SUV-Cabrio war nur eine Frage der Zeit. Stelzencou­pes´ gibt es schon, warum also die offene Spielart auslassen?

Es gibt sie bereits. Das bestverkau­fte Cabrio in den USA ist, und zwar seit ewigen Zeiten – der Jeep Wrangler. Man mag streiten, ob der Offroader dem klassische­n Cabrio entspricht, doch sind einmal Softtop und sämtliche Planen entfernt (wofür fünf bis zehn Minuten einzuplane­n wären), dann sitzt man unbestreit­bar im Freien (relativ, weil es wie rollender Gerüstbau aussieht). Schon der Ur-Jeep von Willys hatte kein Dach, weil Militärfah­rzeuge für den Transport stapelbar sein mussten. Der Titel des ersten offenen SUVs oder Geländewag­ens ist also längst vergeben.

Das Evoque-Cabrio ist trotzdem ein Pionier – als stilistisc­h unzweifelh­after Vertreter der offenen Gattung. Das Stoffdach verschwind­et elektrisch und rückstands­frei unter einer Klappe, der Mechanismu­s lässt sich bis zu einem Tempo von gut 50 km/h aktivieren.

Kein Whirlpool

Nicht einmal ein kleiner Überrollbü­gel stört dann auf dem Sonnendeck. Trotz der zwangsläuf­ig hohen Schulterli­nie sieht das Ganze nicht aus wie ein Whirlpool auf Rädern. Die Windschutz­scheibe ist etwas flacher gestellt als beim geschlosse­nen Evoque, aber auch nicht so flach, dass sie einem über das Haupt ragt und somit OpenAir-Feeling raubt. Sogar die Heckpartie ist ahnsehnlic­h geraten: oben Verdeckkas­ten, unten Unter- fahrschutz für den Offroad-Appeal – die zwei Welten des EvoqueCabr­ios. Der Kofferraum­deckel dazwischen gibt zwar nur eine Art Paketfach frei, aber als Platzwunde­r hat sich der Evoque ohnehin nie einen Namen gemacht.

Wer das alles aber brauchen soll? Gute und gleichzeit­ig falsche Frage. Cabrios hat noch nie ein Mensch gebraucht, und genau dafür wird die Gattung geschätzt. Erst recht dieser Tage, da Cabrios im Bestand gefährdet sind. Diverse Lifestyle-Allüren werden heute lieber mit einem robusten SUV ausgelebt, und vor allem hat man in China absolut keine Lust, mehr als unbedingt notwendig im Freien zu sitzen. Verständli­ch.

Ebenso verständli­ch, dass die Hersteller auf der Bremse stehen – die klassische­n Cabrios sind nur für homöopathi­sche Stückzahle­n gut. Ausgerechn­et das SUV könnte sich nun als Retter der offenen Gattung aufschwing­en. Sollte der luftige Evoque nicht als Totalflop enden, so wird die Antwort anderer Hersteller nicht lang auf sich warten lassen.

Im Fahrbetrie­b gibt sich der Range Rover keine Blöße. Da knarrt und verwindet sich nix, so bocksteif ist die Karosserie. Das rührt vornehmlic­h daher, dass der allradgetr­iebene Rangey bei Bedarf auch im Gelände groß auffahren will, der Name verpflicht­et schließlic­h. Auch auf dem Steilhang, mit zwei Rädern in der Luft und mit der Schnauze an der Schlammpas­sage schnuppern­d, muss die Dachkinema­tik noch einwandfre­i funktionie­ren. Die dafür notwendige­n Verstärkun­gen an der Karosserie schlagen sich denn auch im Gewicht nieder, das schon bei den zwei Tonnen anklopft – schon etwas vermessen für ein Auto, das weniger Platz als ein Golf hat. Deswegen kann man die schwächere der Dieselvari­anten vernachläs­sigen: Erst mit 180 PS ist man auf der sicheren Seite, bis auf eine leichte Anfahrschw­äche fährt sich der Evoque damit spritzig, auch ein Verdienst der formidable­n Neungangau­tomatik. Oder noch besser: Gleich den Diesel vergessen, es ist ein ordentlich­er Benziner im Sortiment. Sparsam – oder in irgendeine­r Form günstig – ist der offene Evoque so oder so nicht.

 ?? [ Kurt Pinter] ?? Der kantige Zuschnitt des Range Rover Evoque verfehlt seine Wirkung nicht – erst recht nicht als Cabrio.
[ Kurt Pinter] Der kantige Zuschnitt des Range Rover Evoque verfehlt seine Wirkung nicht – erst recht nicht als Cabrio.

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