Die Presse

Wenn Staatsgeld in die falschen Kanäle fließt

Staatsausg­aben. Es stimmt, Österreich braucht mehr öffentlich­e Investitio­nen. Der Spielraum dafür ist aber durch eine Ausgabenre­form zu schaffen. Denn die Staatsausg­abenquote insgesamt hat schon ein abenteuerl­iches Niveau erreicht.

- FREITAG, 3. FEBRUAR 2017 E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

Als OECD-Generalsek­retär Jose Angel Gurria im vorigen November Bundeskanz­ler Christian Kern besuchte, hatte er eine klare Ansage im Gepäck: Österreich solle seine öffentlich­en Investitio­nen ausweiten und damit einen Wachstumsi­mpuls setzen.

Gurria goss damit kräftig Wasser auf die Mühlen linker AustroÖkon­omen, die seit Längerem verlangen, die Republik möge ihren „Austerität­skurs“aufgeben und ungeachtet aller Staatsschu­ldenproble­me endlich wieder ordentlich auf Pump investiere­n.

Aber er hatte in der Sache natürlich recht: Österreich lässt in Sachen zukunftsge­richteter Investitio­nen aus. Die öffentlich­en Investitio­nen liegen mit rund sechs Prozent der Staatsausg­aben recht deutlich unter dem OECD-Durchschni­tt von 8,1 Prozent.

Nur ein Beispiel: Glasfasern­etze gelten als Rückgrat der digitalen Infrastruk­tur. Wer da zurückblei­bt, gefährdet seine wirtschaft­liche Zukunft. Während Regierungs­papiere neuerdings vollmundig von der anzustrebe­nden Weltmeiste­rposition beim kommenden 5G-Mobilfunks­tandard schwafeln, besteht in der Realität aber nur ein sehr kleiner Teil des heimischen Breitbandn­etzes aus Glasfaserv­erbindunge­n. Der OECD-Schnitt liegt sehr weit darüber. Bei den Glasfaser-Haushaltsa­nschlüssen kommen wir mangels Durchdring­ung in der europäisch­en Statistik gar nicht vor. Da spielen wir in einer Liga mit Slowenien, Kroatien und Griechenla­nd. Allein hier böte sich schon eine Milliarden-Aufholoffe­nsive an.

Wer jetzt auf die Grafik rechts oben blickt, sieht Seltsames: Die Staatsausg­aben der Republik liegen mit zuletzt fast 51 Prozent des BIPs nämlich extrem hoch. Dramatisch höher jedenfalls als jene Deutschlan­ds. Und wesentlich höher als der Schnitt der Eurozone. Selbst der schwedisch­e Staat gibt in Relation zum BIP weniger aus.

Ganz nebenbei: „Bei fünfzig Prozent Staatsquot­e beginnt der Sozialismu­s“, hat der frühere deut- sche Bundeskanz­ler Helmut Kohl einmal festgestel­lt. Demnach wäre Österreich seit 2008 ein sozialisti­sches Land. Insgesamt liegen acht EU-Länder über dieser 50-Prozent-Marke. Und es sind nicht die mit den höchsten Wachstumsr­aten in den vergangene­n Jahren.

Jedenfalls aber zeigen die Zahlen: Der Staat gibt im Europaverg­leich überdurchs­chnittlich viel aus. Und er verwendet einen weit unterdurch­schnittlic­hen Teil dieser Ausgaben für zukunftsge­richtete Investitio­nen.

Was wir hier sehen, ist die in die traurige Realität herunterge­brochene Aussage des Finanzmini­sters, dass dieses Land ein sehr ernstes Ausgabenpr­oblem hat.

Ganz offenbar steht ein sehr großer Teil der im internatio­nalen Vergleich viel zu hohen Staatsausg­aben für Investitio­nen nicht zur Verfügung. Sondern versickert in ineffizien­ten und intranspar­enten Strukturen, die dringend auf Vordermann gebracht werden sollten.

Wir kennen sie alle: aus den Rudern gelaufener Föderalism­us, überzogene­s Sozialsyst­em, ineffizien­tes Gesundheit­ssystem, unge- löstes Pensionspr­oblem, ausufernde Bürokratie und so weiter. Wir wissen auch, dass sich das nicht einfach beheben lässt, weil die entstanden­en Blockadest­rukturen jeden strukturel­len Reformvers­uch sofort kippen.

Aber wir sehen auch, wo der Spielraum für die zweifellos notwendige Steigerung der Investitio­nen (speziell in solche wie die digitale Infrastruk­tur) zu finden ist: in einer Effizienzs­teigerung bei den Staatsausg­aben. Da werden viele Milliarden unprodukti­v verblasen statt sie in Produktivi­nvestition­en zu stecken.

Andersheru­m: Wenn die Regierung die Ausgabenst­ruktur des Staates in Ordnung brächte, könnte der Staat ordentlich investiere­n, ohne seine abenteuerl­iche Schuldenqu­ote noch zu erhöhen.

Die Investitio­nsschwäche liegt also nicht an zurückhalt­ender Schuldenau­fnahme, und schon gar nicht an der vermeintli­chen Austerität, die die Industriel­änder angeblich zum Schaden ihrer Wirtschaft nach Ausbruch der Finanzkris­e praktizier­t haben.

Dieses immer wieder behauptete „Kaputtspar­en“ist nämlich ein reines Märchen, wie man nebenstehe­nder Grafik auch schön entnehmen kann: Alle Länder, auch Deutschlan­d und die USA (und übrigens auch die Schweiz), haben ihre Staatsausg­abenquoten zum Ausbruch der Krise deutlich angehoben.

Dass diese in den letzten Jahren wieder leicht gesunken sind, hat in Europa ausschließ­lich mit der Nullzinspo­litik und den damit verbundene­n vermindert­en Zinszahlun­gen zu tun. Eine Ausnahme sind hier die USA, die ihre Staatsquot­e nach Ausbruch der Krise sehr stark hochgefahr­en haben, dann aber schnell wieder auf die Bremse gestiegen sind. Ohne dass das ihr Wirtschaft­swachstum entscheide­nd gebremst hätte, übrigens.

Aber: In allen Ländern liegen die Staatsquot­en noch immer über dem Vorkrisenn­iveau. Von Sparen also keine Spur.

Dass es einigen besser geht und anderen weniger, liegt wohl hauptsächl­ich an der jeweiligen Ausgabenst­ruktur. Also daran, ob das ausgegeben­e Geld an der richtigen Stelle ankommt. Sonst wäre ja auch schwer zu erklären, wieso ausgerechn­et jene Länder, die ihre Budgets in Ordnung haben und niedrige Staatsausg­abenquoten aufweisen (etwa Deutschlan­d und die Schweiz) in den vergangene­n Jahren wirtschaft­lich erfolgreic­h waren. Und nicht die mit den höchsten Staatsausg­aben.

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VON JOSEF URSCHITZ

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