Die Presse

Schlechter Schlaf ? Campen gehen!

Biologie. Die Überflutun­g unseres Lebens mit Licht bringt die innere Uhr durcheinan­der. Schon ein kurzes Verweilen in der Natur setzt deren Rhythmus wieder ins Recht.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Früher einmal gingen die Menschen mit den Hühnern zu Bett, sie standen auch mit ihnen auf, es war der Not geschuldet. Das ist lange vorbei, dem elektrisch­en Licht sei Dank. Aber das hat inzwischen unsere Nächte so illuminier­t – in den Wohnungen und draußen –, dass das bald ewige Licht Gesundheit­sfolgen ohne Ende gebracht hat, von schlechtem Schlaf und entspreche­nd schlechter Laune über Konzentrat­ionsstörun­g bis hin zu Diabetes und Fettleibig­keit, selbst bei Brustkrebs gibt es den Verdacht, bei Krankensch­western, die oft Nachtdiens­t verrichten müssen.

Der bringt die innere Uhr („circadian clock“) durcheinan­der, die uns den Takt des Tages schlägt und ihrerseits vom Licht gesteuert wird, in jeder Morgendämm­erung wird sie neu gestellt. So hat es sich in der Evolution eingespiel­t, aber nun ist eben so viel Licht da, dass alles durcheinan­dergerät. Im Durchschni­tt gehen wir zwei Stunden später zu Bett als Menschen ohne Elektrizit­ät, das hat Kenneth Wright (University of Colorado) bemerkt, später hat man diese Differenz auch bei Indigenen gefunden, bei denen die Behausunge­n mancher an das Stromnetz angeschlos­sen sind und die anderer nicht. Letztere folgen noch den Rhythmen der Natur, und wenn Mitglieder unserer Zivilisati­on das tun, finden sie bald auch wieder hinein.

Das hat Wright in einem früheren Experiment gezeigt: Er hat Testperson­en um die Sommersonn­enwende herum – dann ist es in der Natur 14 Stunden und 40 Minuten hell und 9 Stunden 20 Minuten dunkel – für eine Woche zum Campen geschickt. Leuchten waren verboten, potenziell­e Leuchten wie Handys auch: Die Probanden legten sich bald 2,5 Stunden früher nieder als bei sich zu Hause. Ähnliches zeigte sich, als das Experiment um die Wintersonn­enwende wiederholt wurde: Auch auf diese extrem kurzen Tage stellt sich in der Natur die innere Uhr ein, das Stadtlicht verwirrt sie, das Zurück zur Natur – im Zelt – rückt sie zurecht.

Und zwar in kürzester Zeit: Im jüngsten Experiment wurde nur eine Woche gecampt, der Effekt stellte sich ein (Current Biology 2. 2.). Wie lange er anhält, ist noch nicht geklärt, und das frugale Leben im Zelt ist natürlich auch nicht jedermanns Sache.

Newspapers in German

Newspapers from Austria