Das berufliche Unglück des Werner Böhm
Karriere. Vor gut einem Jahr ist Yline-Gründer und -Pleitier Werner Böhm nach endlosen Ermittlungen freigesprochen worden. Doch auch sein beruflicher Neustart bringt ihm vor allem Probleme – mit Gesellschaftern und der Justiz.
Die Frage ist die: Gibt es so etwas wie eine berufliche Pechsträhne, die einen zeitlebens verfolgt? Werner Böhm würde diese Frage wohl ungeschaut mit Ja beantworten. Dabei wollte der 52-Jährige eigentlich nur das, was die meisten wollen: Erfolg, Anerkennung und, ja, Kohle. Ganz viel Kohle. Doch was hat er stattdessen bekommen? Probleme, nichts als Probleme.
Dabei hat seine Karriere durchaus vielversprechend begonnen: Werner Böhm war einst der jüngste Marketingmanager beim US-Computerriesen IBM. Gut möglich, dass ihn das motiviert hat, wirklich hoch hinaus zu wollen. Ende der 1990erJahre sah er die Zeit dafür gekommen. Es war die Zeit der New Economy, die Zeit, in der Goldgräber rund um den Globus dank millionenschwerer Tech-Börsengänge reich wurden. Und Werner Böhm wollte dabei sein.
Lange Geschichte, kurz erzählt: 1998 gründete Böhm die Internetfirma Yline. Ein Jahr später ging er – er hatte ja seine Hausaufgaben gemacht – mit dem Unternehmen an die Börse. 29 Euro war eine Aktie am Eröffnungstag wert. Ein Jahr später waren es 278 Euro. Doch Yline verbuchte kaum Umsätze. Und so passierte das, was vielen seiner Vorbilder passiert war: Im September 2001 war Yline pleite, mit Passiva in Höhe von 25 Millionen Euro. Werner Böhm wird das alles sicherlich maßlos gefuchst haben.
Aber für ihn kam es – siehe Pechsträhne – noch um einiges schlimmer: Die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, und dann gab es auch noch unschöne Berichte über die Nähe seiner Firma zur FPÖ: Immerhin hatte eine Tochtergesellschaft von Yline einen schönen Auftrag vom damaligen Finanzminister, Karl-Heinz Grasser, erhalten, die Homepage seines Ministeriums zu modernisieren – um knappe 60.000 Euro. Im Endeffekt musste Böhm 13 Jahre der Ermittlungen erdulden. Sie seien „sehr belastend“gewesen, erzählte er in einem „Profil“-Interview.
Dann kam es endlich zum Prozess. Laut Anklage war Yline nie darauf ausgelegt, reale Umsätze zu generieren. Geld sei auf dem Kapitalmarkt eingesammelt worden, um die Unternehmensgruppe künstlich aufzublähen – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Doch von den Vorwürfen der Untreue, des Insiderhandels und der Bilanzfälschung blieb nichts übrig. Ende 2015 wurde Werner Böhm freigesprochen.
Er nahm die Urteilsverkündung fast stoisch zur Kenntnis. Gerechtigkeit sei ihm nur bedingt widerfahren, sagte er mit Verweis auf die lange Verfahrensdauer. Aber er wolle die ganze unerfreuliche Sache schlicht und einfach abhaken. Wer würde das nicht verstehen.
Abgehakt also. Und dennoch hält Werner Böhms Pechsträhne an. Schon wieder muss er sich mit allerlei beruflichen Ärgernissen herumschlagen. Und schon wieder ist die Justiz am Arbeiten. Schau- platz ist diesmal Toronto, Kanada. Dort sieht sich Werner Böhm inmitten eines handfesten Schlamassels – Streit, Anschuldigungen und Probleme mit der Börsenaufsicht inklusive. Und es gibt in der Angelegenheit auch personelle Parallelen zu Yline: Protagonisten der Auseinandersetzungen sind neben Werner Böhm auch seine seinerzeitige Wirtschaftsprüferin Elfriede Sixt sowie der frühere Yline-Vorstand Joachim Kalcher.
Worum geht es? Um eine FinTech-Holding namens BitRush, von der Böhm sagt, er habe sie „maßgeblich aufgebaut“. Das Unternehmen notiert an der kanadischen Börse CSE.
Allerdings: Die Aktie ist seit Anfang Dezember vom Handel ausgesetzt worden. Dies hatte die Ontario Securities Commission, die Börsenaufsicht, verfügt, weil Publizitätsvorschriften verletzt worden seien.
Und seitdem geht es bei BitRush rund. Im Stakkato veröffentlichte das Unternehmen „Announcements“, die ein recht eindrückliches Stimmungsbild abgeben. Meldung vom 7. Dezember 2016: „Der Aufsichtsrat hat Werner Böhm als Chief Executive Officer des Unternehmens mit sofortiger Wirkung abberufen.“Meldung vom 23. Dezember 2016: „BitRush hat sich an das Ontario Superior Court of Justice gewandt, um die Rückgabe von Assets des Unternehmens, die Werner Böhm immer noch kontrolliert, zu verfügen.“Außerdem wird das Gericht um eine Anordnung ersucht, wonach „Werner Böhm die Kommunikation mit BitRush-Kunden sowie das Auftreten als BitRush-Chef untersagt wird.“Meldung vom 23. Jänner 2017: „Herr Böhm hat fälschlicherweise behauptet, dass am 14. Februar 2017 eine außerordentliche Hauptversammlung stattfinden wird.“
Klingt gar nicht gut.
Gegenüber der „Presse“spricht Böhm von einem „Gesellschafterstreit, der seit Anfang November 2016 schwelt“. Im Grunde geht es darum, dass Böhm Anfang 2016 für BitRush – eine Zahlungsplattform für Bitcoin – Investoren brauchte. Gesucht, gefunden: Eine Investorengruppe aus Singapur und eine aus Russland steuerten zusammen 1,4 Millionen Kanadische Dollar bei. Hauptgesellschafterin von BitRush blieb allerdings die Londoner MezzaCap – in der Werner Böhm das Sagen hat.
Offenbar gibt es massive Probleme mit der Investmentgesellschaft aus Singapur, HSRC. Es geht darum, dass ihr BitRush-Aktien zugesagt wurden – „unter bestimmten Auflagen“, wie Böhm betont. Letzter Stand: Ein Großteil der Aktien wurde übertragen, ein nicht unerheblicher Teil ist noch ausständig. Laut Böhm wurde HSRC „auf Einhaltung der Treuepflichten geklagt“. Die Investorengruppe beharrt natürlich auf Vertragseinhaltung.
Mittlerweile hat Böhm auch gegen Joachim Kalcher Strafanzeige erstattet – das Verfahren wurde allerdings von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Dafür hat Kalcher Mitte Dezember Böhm bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Dabei geht es darum, dass Kalcher die Technologie für die BitcoinDienste entwickelt hat – was Böhm auch bestätigt. Wie dem Investor HSRC sollen Kalcher ursprünglich BitRush-Aktien versprochen worden sein, doch daraus wurde nichts.
Laut Böhm drohte Kalcher im November 2016 mit der Einstellung der Zahlungsplattform, sollte er nicht vereinbarungsgemäß bezahlt werden. Als er, Böhm, dies publizieren wollte und gemeinsam mit seiner Wirtschaftsprüferin (und Lebensgefährtin) Sixt im jüngsten Quartalsbericht „wahrheitsgetreu die aktuelle Krise der Gesellschaft darlegen wollte“, habe sich der Aufsichtsrat dagegen ausgesprochen. Und den Bericht umformuliert. Diesen wiederum habe Böhm nicht unterschreiben wollen, womit es zur Aussetzung des Handels mit BitRush-Aktien kam.
Jeder gegen jeden, also. Und wir sehen: Wieder einmal sind Werner Böhm wenig unternehmerische Fortüne beschieden. Aber er scheint es gelassen hinzunehmen. Der „Presse“sagt er: „Gehen Sie bitte davon aus, dass in diesem Konflikt früher oder später ohnehin jeder jeden anzeigt.“Wenigstens das scheint eine treffsichere Prognose zu sein.