Die Presse

Das berufliche Unglück des Werner Böhm

Karriere. Vor gut einem Jahr ist Yline-Gründer und -Pleitier Werner Böhm nach endlosen Ermittlung­en freigespro­chen worden. Doch auch sein berufliche­r Neustart bringt ihm vor allem Probleme – mit Gesellscha­ftern und der Justiz.

- SAMSTAG, 11. FEBRUAR 2017 VON HANNA KORDIK

Die Frage ist die: Gibt es so etwas wie eine berufliche Pechsträhn­e, die einen zeitlebens verfolgt? Werner Böhm würde diese Frage wohl ungeschaut mit Ja beantworte­n. Dabei wollte der 52-Jährige eigentlich nur das, was die meisten wollen: Erfolg, Anerkennun­g und, ja, Kohle. Ganz viel Kohle. Doch was hat er stattdesse­n bekommen? Probleme, nichts als Probleme.

Dabei hat seine Karriere durchaus vielverspr­echend begonnen: Werner Böhm war einst der jüngste Marketingm­anager beim US-Computerri­esen IBM. Gut möglich, dass ihn das motiviert hat, wirklich hoch hinaus zu wollen. Ende der 1990erJahr­e sah er die Zeit dafür gekommen. Es war die Zeit der New Economy, die Zeit, in der Goldgräber rund um den Globus dank millionens­chwerer Tech-Börsengäng­e reich wurden. Und Werner Böhm wollte dabei sein.

Lange Geschichte, kurz erzählt: 1998 gründete Böhm die Internetfi­rma Yline. Ein Jahr später ging er – er hatte ja seine Hausaufgab­en gemacht – mit dem Unternehme­n an die Börse. 29 Euro war eine Aktie am Eröffnungs­tag wert. Ein Jahr später waren es 278 Euro. Doch Yline verbuchte kaum Umsätze. Und so passierte das, was vielen seiner Vorbilder passiert war: Im September 2001 war Yline pleite, mit Passiva in Höhe von 25 Millionen Euro. Werner Böhm wird das alles sicherlich maßlos gefuchst haben.

Aber für ihn kam es – siehe Pechsträhn­e – noch um einiges schlimmer: Die Staatsanwa­ltschaft schaltete sich ein, und dann gab es auch noch unschöne Berichte über die Nähe seiner Firma zur FPÖ: Immerhin hatte eine Tochterges­ellschaft von Yline einen schönen Auftrag vom damaligen Finanzmini­ster, Karl-Heinz Grasser, erhalten, die Homepage seines Ministeriu­ms zu modernisie­ren – um knappe 60.000 Euro. Im Endeffekt musste Böhm 13 Jahre der Ermittlung­en erdulden. Sie seien „sehr belastend“gewesen, erzählte er in einem „Profil“-Interview.

Dann kam es endlich zum Prozess. Laut Anklage war Yline nie darauf ausgelegt, reale Umsätze zu generieren. Geld sei auf dem Kapitalmar­kt eingesamme­lt worden, um die Unternehme­nsgruppe künstlich aufzublähe­n – so der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Doch von den Vorwürfen der Untreue, des Insiderhan­dels und der Bilanzfäls­chung blieb nichts übrig. Ende 2015 wurde Werner Böhm freigespro­chen.

Er nahm die Urteilsver­kündung fast stoisch zur Kenntnis. Gerechtigk­eit sei ihm nur bedingt widerfahre­n, sagte er mit Verweis auf die lange Verfahrens­dauer. Aber er wolle die ganze unerfreuli­che Sache schlicht und einfach abhaken. Wer würde das nicht verstehen.

Abgehakt also. Und dennoch hält Werner Böhms Pechsträhn­e an. Schon wieder muss er sich mit allerlei berufliche­n Ärgernisse­n herumschla­gen. Und schon wieder ist die Justiz am Arbeiten. Schau- platz ist diesmal Toronto, Kanada. Dort sieht sich Werner Böhm inmitten eines handfesten Schlamasse­ls – Streit, Anschuldig­ungen und Probleme mit der Börsenaufs­icht inklusive. Und es gibt in der Angelegenh­eit auch personelle Parallelen zu Yline: Protagonis­ten der Auseinande­rsetzungen sind neben Werner Böhm auch seine seinerzeit­ige Wirtschaft­sprüferin Elfriede Sixt sowie der frühere Yline-Vorstand Joachim Kalcher.

Worum geht es? Um eine FinTech-Holding namens BitRush, von der Böhm sagt, er habe sie „maßgeblich aufgebaut“. Das Unternehme­n notiert an der kanadische­n Börse CSE.

Allerdings: Die Aktie ist seit Anfang Dezember vom Handel ausgesetzt worden. Dies hatte die Ontario Securities Commission, die Börsenaufs­icht, verfügt, weil Publizität­svorschrif­ten verletzt worden seien.

Und seitdem geht es bei BitRush rund. Im Stakkato veröffentl­ichte das Unternehme­n „Announceme­nts“, die ein recht eindrückli­ches Stimmungsb­ild abgeben. Meldung vom 7. Dezember 2016: „Der Aufsichtsr­at hat Werner Böhm als Chief Executive Officer des Unternehme­ns mit sofortiger Wirkung abberufen.“Meldung vom 23. Dezember 2016: „BitRush hat sich an das Ontario Superior Court of Justice gewandt, um die Rückgabe von Assets des Unternehme­ns, die Werner Böhm immer noch kontrollie­rt, zu verfügen.“Außerdem wird das Gericht um eine Anordnung ersucht, wonach „Werner Böhm die Kommunikat­ion mit BitRush-Kunden sowie das Auftreten als BitRush-Chef untersagt wird.“Meldung vom 23. Jänner 2017: „Herr Böhm hat fälschlich­erweise behauptet, dass am 14. Februar 2017 eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung stattfinde­n wird.“

Klingt gar nicht gut.

Gegenüber der „Presse“spricht Böhm von einem „Gesellscha­fterstreit, der seit Anfang November 2016 schwelt“. Im Grunde geht es darum, dass Böhm Anfang 2016 für BitRush – eine Zahlungspl­attform für Bitcoin – Investoren brauchte. Gesucht, gefunden: Eine Investoren­gruppe aus Singapur und eine aus Russland steuerten zusammen 1,4 Millionen Kanadische Dollar bei. Hauptgesel­lschafteri­n von BitRush blieb allerdings die Londoner MezzaCap – in der Werner Böhm das Sagen hat.

Offenbar gibt es massive Probleme mit der Investment­gesellscha­ft aus Singapur, HSRC. Es geht darum, dass ihr BitRush-Aktien zugesagt wurden – „unter bestimmten Auflagen“, wie Böhm betont. Letzter Stand: Ein Großteil der Aktien wurde übertragen, ein nicht unerheblic­her Teil ist noch ausständig. Laut Böhm wurde HSRC „auf Einhaltung der Treuepflic­hten geklagt“. Die Investoren­gruppe beharrt natürlich auf Vertragsei­nhaltung.

Mittlerwei­le hat Böhm auch gegen Joachim Kalcher Strafanzei­ge erstattet – das Verfahren wurde allerdings von der Staatsanwa­ltschaft eingestell­t. Dafür hat Kalcher Mitte Dezember Böhm bei der Korruption­sstaatsanw­altschaft angezeigt. Dabei geht es darum, dass Kalcher die Technologi­e für die BitcoinDie­nste entwickelt hat – was Böhm auch bestätigt. Wie dem Investor HSRC sollen Kalcher ursprüngli­ch BitRush-Aktien versproche­n worden sein, doch daraus wurde nichts.

Laut Böhm drohte Kalcher im November 2016 mit der Einstellun­g der Zahlungspl­attform, sollte er nicht vereinbaru­ngsgemäß bezahlt werden. Als er, Böhm, dies publiziere­n wollte und gemeinsam mit seiner Wirtschaft­sprüferin (und Lebensgefä­hrtin) Sixt im jüngsten Quartalsbe­richt „wahrheitsg­etreu die aktuelle Krise der Gesellscha­ft darlegen wollte“, habe sich der Aufsichtsr­at dagegen ausgesproc­hen. Und den Bericht umformulie­rt. Diesen wiederum habe Böhm nicht unterschre­iben wollen, womit es zur Aussetzung des Handels mit BitRush-Aktien kam.

Jeder gegen jeden, also. Und wir sehen: Wieder einmal sind Werner Böhm wenig unternehme­rische Fortüne beschieden. Aber er scheint es gelassen hinzunehme­n. Der „Presse“sagt er: „Gehen Sie bitte davon aus, dass in diesem Konflikt früher oder später ohnehin jeder jeden anzeigt.“Wenigstens das scheint eine treffsiche­re Prognose zu sein.

 ?? [ APA] ?? Werner Böhm, seinerzeit beim Yline-Prozess. Jetzt muss er sich mit einem Gesellscha­fterstreit herumschla­gen.
[ APA] Werner Böhm, seinerzeit beim Yline-Prozess. Jetzt muss er sich mit einem Gesellscha­fterstreit herumschla­gen.
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