Die Presse

Die Suche nach den wahren Worten Jesu

Bibelforsc­hung. Der Grazer Theologe Christoph Heil untersucht Q als Quelle für die Evangelist­en Lukas und Matthäus. In den als ursprüngli­ch geltenden Texten ist noch keine Mystifizie­rung zu spüren, Weihnachte­n fehlt.

- VON FRANZISKA LEHNER

„Es gibt eine Vielzahl an Texten und Schriften, die irgendetwa­s über Jesus sagen“, meint der Theologe Christoph Heil. Schwierige­r ist die Suche nach der wahren Verkündigu­ng Jesu. Um den ursprüngli­chen Worten Jesu näherzukom­men, forscht der deutsche Wissenscha­ftler an der Quelle Q. Mit Q erklärt sich die Theologie seit dem 19. Jahrhunder­t die großen Ähnlichkei­ten in den Evangelien nach Lukas und Matthäus. Beide Evangelien erwähnen die Bergpredig­t und das Vaterunser. Sonst sind diese Texte im Neuen Testament nirgends in dieser Form zu finden.

Woher also stammen sie? „Als Lösung gilt die Zweiquelle­ntheorie“, sagt Heil, der an der Universitä­t Graz Neutestame­ntliche Bibelwisse­nschaft lehrt. „Lukas und Matthäus haben Markus und eine zweite Quelle als Vorlage verwendet.“Q als zweite Quelle erklärt die 245 Verse, die in Matthäus und Lukas vorkommen, aber nicht aus dem Markus-Evangelium stammen. „Das Besondere an Q ist das Alter“, sagt Heil. Q soll nach dem Tod Jesu um 30 n. Chr bis 70 n. Chr. zustande gekommen sein. Für den deutschen Theologen Heil bezeugt das die Ursprüngli­chkeit der Quelle: „Es ist in Q noch nichts von einer Hellenisie­rung, Veränderun­g oder Mystifizie­rung der Person Jesu zu spüren.“

Auf den Urtext schließen

Heil ist Teil eines internatio­nalen Forschungs­teams, das seit den 1980er-Jahren an der Rekonstruk­tion der Quelle Q arbeitet. Als Grundlage dienen dem Forschungs­team die verschiede­nen schriftlic­hen Überliefer­ungen der Verse aus den Evangelien von Matthäus und Lukas. „Aus dem Vergleich der Verse kann man erschließe­n, wie ein Urtext aussehen kann“, erklärt Heil.

Die Forschungs­ergebnisse erscheinen seit 1996. Zwölf der 30 geplanten Bände gibt es bereits; dazu kamen im Jahr 2000 eine kritische Ausgabe der Quelle Q und im Jahr 2002 eine griechisch-deutsche Studienaus­gabe. Heuer sollen im vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Projekt fünf weitere Bände und eine frei zugänglich­e Online-Publikatio­n erscheinen.

Was besonders auffällt: „Weihnachte­n kommt in Q nicht vor. Jesus ist für sie der letzte und größte Prophet. Woher er kommt oder wann er geboren wird, interessie­rt Q nicht“, sagt Heil über den Fokus der Quelle. Die damalige jüdischchr­istliche Gemeinde kann mit heute kaum verglichen werden.

auch Logienquel­le Q genannt, gilt neben Markus als zweite Quelle für die Evangelist­en Matthäus und Lukas. Die Bezeichnun­g Q kommt vom Wort Quelle; Logienquel­le aus dem Griechisch­en: logion bedeutet Ausspruch.

werden die Evangelien nach Markus, Matthäus und Lukas bezeichnet, deren Texte weitgehend übereinsti­mmen und einen parallelen Aufbau besitzen. Für Q standen die göttliche Sendung Jesu, das Gericht und Jesu Aufnahme bei Gott im Vordergrun­d. „Das Gericht, bei dem ganz brutal die Welt beendet wird, die Frevler sterben und die Gerechten zu Gott kommen, ist typisch für eine jüdische Apokalypti­k und Jesus“, so der Forscher.

Erstmals ein liebender Gott

Neu ist in der Quelle Q bei Jesus, dass Gott nicht nur richtet, sondern auch als liebender Gott auftritt. Neben dem strengen richtenden Bild von Gott zeigt Q Gott als Retter und liebenden Vater oder Mutter – und damit eine neue Perspektiv­e im Neuen Testament. Als Beispiel nennt Heil die Erzählung vom verlorenen Sohn im Lukas-Evangelium. „Gott will als Vater, dass der abgefallen­e Sohn zum Guten findet. Das ist für eine damalige jüdische Umwelt ziemlich erstaunlic­h.“Eine Spannung, die die Theologie aushalten müsse, meint der Theologe: „In der Bibel geht es nicht nur um das Gericht, aber auch nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria