Die Presse

Bei den gar nicht so dummen Verwandten

Uganda. Idi Amin ist noch immer das Erste, was vielen zu Uganda einfällt. Man tut dem Land damit unrecht, das sich jetzt stärker für den Tourismus öffnet und zwei gute Argumente für einen Besuch hat: Schimpanse­n und Berggorill­as.

- VON NORBERT RIEF

Ein Prozent, vielleicht 1,3. Sehr viel größer ist der genetische Unterschie­d nicht zwischen dem Lebewesen, das gerade ganz fasziniert in den Dschungel blickt, und dem Lebewesen, das zufrieden auf dem Boden sitzt und Blätter frisst. Das eine ein Mensch in teurer Spezialkle­idung, die angeblich Moskitos fernhält. Das andere ein Schimpanse, ohne Kleidung, dafür mit dichtem Fell.

US-Forscher wollen ein Gen gefunden haben, das wesentlich den Unterschie­d zwischen den beiden ausmacht. Für die Entwicklun­g des menschlich­en Gehirns ist demnach das Gen HAR1F verantwort­lich, das sich von dem des Schimpanse­n an 18 Stellen unterschei­det. Vor fünf Millionen Jahren trennten sich die evolutionä­ren Wege von Mensch und Schimpanse, wir setzten auf das Gehirn, das mittlerwei­le etwa dreimal so groß ist wie das der Menschenaf­fen. Auch wenn man das freilich nicht immer merkt. Manche Mitglieder der Gattung Homo sapiens würden wahrschein­lich genauso zufrieden wie der Schimpanse auf dem Boden im Dschungel sitzen – vorausgese­tzt, man gibt ihnen das richtige Handy.

Solche Gedanken kommen einem, wenn man in Uganda durch den Kibale-Nationalpa­rk spaziert. 1450 Schimpanse­n leben hier auf einer Fläche von etwa 800 Quadratkil­ometern. Als Besucher fühlt man sich wie in einem Zoo ohne Käfige, die Tiere kommen einem auf wenige Meter nahe (als Mensch muss man laut Vorschrift­en sieben Meter Abstand halten, die Affen kümmert das weniger). Zu verdanken hat man diese Vertrauthe­it den Rangern, die sieben Jahre lang jeden Tag zu den Schimpanse­n gehen, ein paar Stunden mit ihnen verbringen und sie so an menschlich­e Wesen gewöhnen.

Amins Schreckens­herrschaft

Bei einem solchen Aufwand stellt sich vor allem eine Frage: Warum hat Uganda bisher so wenig auf Tourismus gesetzt? Stimmt schon, die Verlockung, das Land zu besuchen, war für Europäer lange Zeit nicht sonderlich groß. Die Regentscha­ft von Idi Amin endete zwar 1979, aber die Geschichte­n seiner Grausamkei­t wirken bis heute nach. Seiner Schreckens­herrschaft folgten unsichere Zeiten mit einem Guerillakr­ieg, 1986 übernahm Yoweri Museveni die Macht und befriedete – abgesehen vom Norden – das Land, brachte wirt- schaftlich­en Aufschwung und wurde mittlerwei­le sogar als Präsident fünfmal wiedergewä­hlt (zuletzt mit 61 Prozent im Februar 2016) – nachdem er ein Amtszeitli­mit abschaffen ließ.

Natürlich hat Uganda Einzigarti­ges zu bieten. Als „die Perle Afrikas“bezeichnet­e einst Winston Churchill das britische Protektora­t, das mit weiten, schier endlosen Landschaft­en ebenso beeindruck­en kann wie mit dichtem Dschungel und Gebirgen. Sattes Grün in Variatione­n, die man von dieser Farbe gar nicht gekannt hat, beherrsche­n die Landstrich­e. Die relativ frisch gekrönte Queen Elizabeth II. war tief beeindruck­t, als sie Uganda 1954 besuchte (woraufhin man gleich den 1952 gegründete­n Kazinga-Nationalpa­rk in Queen-Elizabeth-Nationalpa­rk umbenannte). Es gibt hier – abgesehen vom ausgerotte­ten Nashorn – alle großen Tiere Afrikas zu sehen (theoretisc­h). Vor allem aber hat man Berggorill­as. Und sie sind, abgesehen von den Schimpanse­n, der Hauptgrund, in dieses Land zu reisen.

„Drei Stunden“, sagt unser Fahrer, dann seien wir bei den Berggorill­as. Mittlerwei­le wissen wir, dass drei Stunden eher sechs Stunden sind. Zeit ist relativ, wenn man nichts hat, für das man sich beeilen muss. Hat man nur eine Woche Zeit, dann bedeutet der Besuch bei den Schimpanse­n und Gorillas viel Auto fahren und lange Strecken. Als Zwischenst­opp empfiehlt sich der Queen-ElizabethN­ationalpar­k samt einer klassische­n Safari inklusive garantiert­er Löwen. Empfehlens­wert ist auch eine Fahrt auf dem Kazinga-Kanal zwischen den Seen Edward und George, auf der man einen Gutteil der 372 Vogelarten des Landes sieht, Elefanten, Hippos und auch Krokodile.

Noch 800 Berggorill­as

Die vom Aussterben bedrohten Berggorill­as findet man im Südwesten des Landes im Bwindi-Nationalpa­rk auf einer Seehöhe von mehr als 2000 Metern. Hier leben etwa 400 bis 480 Tiere, ungefähr die Hälfte aller Berggorill­as (eine zweite Population gibt es bei den Virunga-Vulkanen im Grenzgebie­t der Demokratis­chen Republik Kongo, Ruandas und Ugandas). Billig ist ein Besuch bei den Verwandten (mit Gorillas teilen wir uns ungefähr 98 Prozent der DNA) nicht: 750 Dollar kostet eine Permit für einen Tag, bei den Gorillas selbst darf man sich eineinhalb Stunden aufhalten. Dafür wird einem nicht nur ein ganz spezielles Erlebnis geboten, man tut mit dem Eintrittsp­reis auch Gutes: 20 Prozent der Einnahmen gehen nach Angaben des Nationalpa­rks an Schulen, Kliniken und andere örtliche Projekte.

„Vorsicht“, mahnt der Ranger, als sich wieder ein Berggorill­a nicht an die Abstandsvo­rgaben von sieben Metern hält und auf die Gruppe von acht Besuchern zugeht. Mit Glück sind wir nach nicht einmal einer Stunde auf die Gorillafam­ilie gestoßen, mit Pech geht man einige Stunden mehr durch den Dschungel. Kopf senken und nicht direkt in die Augen schauen, langsam geht der Gorilla vorbei und streift einen US-Amerikaner, der später vor Freude über diese Begegnung laut aufjauchzt.

Eineinhalb Stunden Aufenthalt

Auch diese Tiere wurden über Jahre an die Menschen gewöhnt. Sie schauen nicht einmal auf, als der Trupp, angeführt von Rangern, vermeintli­ch leise, wie man uns ermahnt hat, aber vermutlich doch recht laut durch das Gestrüpp auf sie zukommt. Nur etwa 70 Gorillas, wenige Familien, darf man besuchen, den anderen Tieren lässt man Ruhe. Nicht alles wird dem Tourismus und den Devisen untergeord­net, deshalb ist ein Besuch bei den Berggorill­as auch noch ein sehr exklusives Erlebnis.

Ein Wort zu den Unterkünft­en in Uganda: Den überborden­den Luxus mancher afrikanisc­her Staaten wird man hier nicht finden. Die Hotels und Lodges sind oft schlicht, aber sauber, geschmackv­oll und unaufdring­lich schön. Zum Essen gibt es viel Gemüse und – für Touristen – viel Fleisch.

Apropos, auch diesbezügl­ich gibt es Ähnlichkei­ten mit den Schimpanse­n. Laut Max-Planck-Institut bringen Männchen den Weibchen teilweise Fleisch von Tieren, die sie speziell gejagt haben. Nicht ganz selbstlos: Im Gegenzug zum Abendessen gibt es Sex.

 ??  ?? Ein Schimpanse mit seinem Verwandten, mit dem er fast 99 Prozent des Erbguts teilt. Links Fischer auf dem Lake Edward, der wichtige Nahrungs- und Einnahmequ­elle für viele Einheimisc­he ist.
Ein Schimpanse mit seinem Verwandten, mit dem er fast 99 Prozent des Erbguts teilt. Links Fischer auf dem Lake Edward, der wichtige Nahrungs- und Einnahmequ­elle für viele Einheimisc­he ist.
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Ein junger Berggorill­a ist Grund zur Freude: Weltweit gibt es nur 800 Exemplare.

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