Die Presse

Terror-Suchmaschi­ne im Aufbau

Geheimdien­ste. Die jüngst bekannt gewordene Kooperatio­nsplattfor­m Österreich­s mit ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten soll in ein gemeinsame­s Computersy­stem überführt werden.

- VON ANDREAS WETZ

Wien. Österreich­s Innenminis­terium arbeitet an einer gemeinsame­n Anti-Terror-Datenbank mit ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten. Das Vorhaben ist die Weiterentw­icklung jenes internatio­nalen Projekts zum Informatio­nsaustausc­h über staatsgefä­hrdende Aktivitäte­n und Personen, über das „Die Presse“zuletzt berichtete. Geplant ist die Teilnahme an einem computerge­stützten Informatio­nsverbunds­ystem, in das die Inlandsdie­nste aller EU-Mitgliedst­aaten sowie von Norwegen und der Schweiz Daten einspeisen.

Geschehen soll all das außerhalb des Einflussbe­reichs der Europäisch­en Union, weil vor allem die großen Nationen Europas ihre Dienste möglichst frei von Einflüssen aus Brüssel oder Straßburg halten wollen. Dabei geht es um die Bewahrung der letzten und damit am härtesten verteidigt­en Inseln nationaler Souveränit­ät.

Erst kürzlich wurde nämlich öffentlich bekannt, dass die Mitglieder der sogenannte­n Counter Terrorism Group (CTG) seit Mitte 2016 in den Niederland­en ein gemeinsame­s Echtzeit-Lagezentru­m zum Austausch von Informatio­nen über jihadistis­ch motivierte Terrorverd­ächtige betreiben. Der komplizier­te, aber im Gegensatz zu früher immerhin schon permanente Wissensaus­tausch soll nun mithilfe von Informatio­nstechnolo­gie noch einmal beschleuni­gt werden. Das Vorhaben hat mehrere Kapitel: Die Gesetzesän­derung: Wegen der Sensibilit­ät der Informatio­nen, die nicht selten auch aus fragwürdig­en Quellen und von V-Leuten stammen, braucht es für die elektronis­che Verarbeitu­ng eine rechtliche Grundlage. Aktuell befinden sich dazu einige unscheinba­re, inhaltlich aber bedeutende Änderungen des Polizeikoo­perationsg­esetzes in parlamenta­rischer Begutachtu­ng.

Polizei deshalb, weil das österreich­ische Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) formal Teil der Exekutive ist, von seinem Wesen her jedoch eher einem Zwitter aus Polizei und Nach- richtendie­nst gleicht. Als solcher begegnet der heimische Staatsschu­tz in der verschwieg­enen CTG den Geheimdien­sten anderer Länder Europas auf Augenhöhe.

Vermutlich auch um seinen Ruf als zuverlässi­ger Partner nicht zu verlieren, hält das Innenminis­terium den Ball in dem vorliegend­en Entwurf extrem flach. Kein einziges Mal fallen darin die in der Öffentlich­keit stets für Aufsehen sorgenden Begriffe „Nachrichte­n-“oder „Geheimdien­st“. Die Kooperatio­nspartner werden fast schon verharmlos­end als „zivile Inlands-und Sicherheit­sdienste“bezeichnet. Auch über die Funktionsw­eise des geplanten Computersy­stems hält sich das Innenresso­rt bedeckt. Die Funktionsw­eise: Aufschluss­reicher sind andere Quellen der „Presse“. In Ausarbeitu­ng ist demnach eine Art Suchmaschi­ne, in der die Mitarbeite­r aller teilnehmen­den Dienste nach verdächtig­en Terroriste­n, Organisati­onen und von ihnen benutzten Gegenständ­en und Gütern (zum Beispiel Waffen, Autos oder Wohnungen) stöbern können. Gibt es Treffer, dann erhält der anfragende Dienst zunächst nur eine Liste von jenen Partnerorg­anisatione­n, bei denen Daten zu den eingegeben­en Suchbegrif­fen vorliegen. Schon das bedeutet gegenüber früheren Zeiten einen enormen Fortschrit­t, weil bisher niemand genau wusste, welcher Dienst zu welchem Thema überhaupt Informatio­nen besaß.

Erst im Anschluss werden Detailinfo­rmationen angefragt und ausgetausc­ht, und zwar unter einem strengen Regime. Die Verwendung der Daten darf nur der Terrorabwe­hr und nicht etwa einem öffentlich­en Strafproze­ss dienen, die Weitergabe an andere Länder ist untersagt, der Bereitstel­ler der Informatio­nen hat auch ein Prüfrecht und kann nachfragen, wie die übermittel­ten Daten eingesetzt wurden. Der Hintergrun­d: Im Innenminis­terium heißt es dazu offiziell, dass die Teilnahme an Projekten der Counter Terrorism Group „schon bisher nur im Rahmen des rechtlich Möglichen“erfolgte, das auch in Zukunft so bleiben werde und eben deshalb eine Gesetzesan­passung notwendig sei.

Mediales Aufsehen um die Anti-TerrorDate­i will man – wohl auch wegen der öffentlich­keitsscheu­en Partner – vermeiden. Auf Anfrage stellte das Ministeriu­m die internatio­nale Anti-Terror-Datei nur als eine Art Anhängsel der neuen Europol-Verordnung dar, die im Mai 2017 in Kraft trete und deren Umsetzung der eigentlich­e Grund für die Anpassung des Polizeikoo­perationsg­esetzes sei.

Gegenüber dem Parlament sind Innenresso­rt und Staatsschu­tz in Bezug auf das Anti-Terror-Projekt jedoch deutlicher. In einer Stellungna­hme heißt es wörtlich: „Sollte diese Rechtsgrun­dlage nicht geschaffen werden, ist Österreich von den wesentlich­en, insbesonde­re terrorismu­srelevante­n Informatio­nen abgeschnit­ten. Eine effiziente Gefahrenab­wehr ist dann nicht mehr möglich.“ Die Kosten: Das will sich die Republik auch etwas kosten lassen. Bereits 2017 soll die Teilnahme an der internatio­nalen Geheimdien­stdatei 394.000 Euro Aufwand verursache­n. Ab dem Jahr 2018 und im Vollbetrie­b 800.000 Euro und mehr. Neben den technische­n Systemen wird der Staatsschu­tz dafür acht Beamte abstellen. Derzeit gibt es bei der CTG nur einen Verbindung­sbeamten.

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