Die Presse

„Mit Trump ist Fortschrit­t möglich“

Interview. Der russische Außenpolit­ik-Experte Puschkow hofft trotz Washington­s widersprüc­hlicher Signale auf eine Verbesseru­ng der russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Der russische Außenpolit­iker Alexej Puschkow hofft im Interview auf besseres Verhältnis zu den USA.

Die Presse: Was ist Ihre Zwischenbi­lanz nach den ersten Wochen Trump? Alexej Puschkow: Trump agiert widersprüc­hlich. Washington sendet verschiede­ne Botschafte­n aus. General Mattis besteht darauf, mit Russland aus einer Position der Stärke zu sprechen. Außenminis­ter Tillerson verfolgt einen geschmeidi­gen Ansatz a` la John Kerry: Er macht nicht viel, verzichtet aber auf scharfe Erklärunge­n. Vizepräsid­ent Pence wiederum sagte, er werde Russland für die Ukraine zur Rechenscha­ft ziehen. Und fügte gleichzeit­ig hinzu, die USA würden trotzdem ein neues Arrangemen­t mit Russland anstreben. Das alles ist doppeldeut­ig.

Hat die Trump-Regierung ihren RusslandKu­rs geändert? Es gab einen Kurswechse­l. Trump begann mit einer sehr positiven Botschaft gegenüber Russland. Jetzt wird diese Haltung überdacht.

Was hat den Schwenk ausgelöst? Repräsenta­nten der Trump-Regierung, die einer Annäherung an Russland kritisch gegenübers­tehen, haben den Schalter umgelegt. Großteils ist die Richtungsä­nderung auf den Druck des Kongresses, der Massenmedi­en und der Nachrichte­ndienste zurückzufü­hren. Die Geheimdien­ste stecken hinter dem Skandal um Michael Flynn, der als Sicherheit­sberater zurücktret­en musste.

Trump gibt nicht viel auf Medien und Geheimdien­ste. Ich würde nicht sagen, dass es sich um eine Totalumkeh­r handelt. Mit einer Clinton-Regierung wären wir auf jeden Fall in einer Sackgasse. Mit Trump ist Fortschrit­t möglich.

Sie glauben also an einen Neustart? Bei der Sicherheit­skonferenz in München fiel in den ersten zwei Tagen kein einziges kritisches Wort über Russlands Engagement in Syrien. 2016 war das noch ganz anders. Ich glaube, in Syrien kann der Neuanfang in den Beziehunge­n zwischen Russland und dem Westen erfolgen. Der gemeinsame Kampf gegen IS bietet sich als Kooperatio­nsplattfor­m an. Vor zwei Tagen sind in Baku die Generalsta­bschefs von Russland und den USA zusammenge­troffen. Sie redeten darüber, wie Zusammenst­öße in Syrien vermieden werden könnten.

Darüber gab es schon früher Gespräche. Aber nicht auf Ebene der Generalsta­bschefs. Wenn diese Treffen regelmäßig stattfinde­n, wäre das eine Änderung.

In München war viel die Rede davon, dass die europäisch­en Nato-Mitglieder ihre Verteidigu­ngsausgabe­n erhöhen müssen. Könnte das zu einem neuen Rüstungswe­ttlauf mit Russland führen? Aus russischer Sicht ist das nicht die beste Entwicklun­g, aber wir werden sie nicht dramatisie­ren. Wir haben die sowjetisch­e Taktik aufgegeben, zahlenmäßi­g immer gleichzuzi­ehen. Unser Ziel ist vernünftig­e Effizienz. Wir wollen Waffentype­n, die ein Gegengewic­ht darstellen können, nicht unbedingt die gleiche Anzahl von Raketen und Panzern. Will Russland neue Abrüstungs­verträge? Vielleicht. Die USA verfügen über eine große Überlegenh­eit bei konvention­ellen Waffen. Wir lehnen deshalb die Möglichkei­t nuklearer Abrüstung nicht ab, aber das muss sehr sorgfältig kalkuliert sein, um unsere Verteidigu­ngskapazit­ät nicht zu untergrabe­n.

Aus Moskauer Regierungs­kreisen war zuletzt zu hören, dass sich Russland gern aus der Affäre ziehen würde in der Ostukraine. Wie ernst meint man das? Es ist definitiv in unserem Interesse, die Krise in der Ukraine hinter uns zu lassen. Denn sie blockiert viele Möglichkei­ten und schafft gro- ße Spannungen mit dem Westen. Aber wir können der Ostukraine nicht einfach den Rücken kehren und sagen, es interessie­rt und nicht, was morgen passiert. Wir pochen auf eine hochgradig­e Autonomie für die Ostukraine. Das scheint inakzeptab­el für Kiew zu sein. Es will volle Kontrolle. Deshalb besteht die Kiewer Regierung darauf, zuerst volle Kontrolle über ihre Ostgrenze zu erlangen.

Verständli­ch. So will die Ukraine den Nachschub von Waffen und Kämpfern aus Russland unterbinde­n. Sie wollen Kontrolle. Aber das ist nur Punkt zehn oder elf des Minsker Abkommens. Und Punkt zwei ist noch nicht erfüllt worden. Russland schlägt vor, sich an die offizielle Agenda zu halten: Zuerst die Waffenruhe, dann Abzug der schweren Waffen und so weiter. Außerdem hält Russland im März 2018 Präsidente­nwahlen ab. Ich sehe nicht, dass der russische Präsident seine Position bezüglich des Minsk-Abkommens davor dramatisch ändert.

Wird es unter Trump eine Entfremdun­g zwischen Europa und den USA geben? Die USA kehrten in München zu ihrer traditione­llen Politik gegenüber Europa und der Nato zurück: unbedingte Bündnistre­ue, Beistand für Europa. Das bedeutet nicht, dass es keine Meinungsun­terschiede geben könnte.

Wird Trump seinen Stil ändern? Er wahrschein­lich nicht, aber er hat Leute um sich, die Europa als weitaus verlässlic­her und vorhersehb­arer bewertet: Pence, Mattis, Tillerson etwa. Natürlich ist der Präsident wichtig, aber er ist nicht allein. Trump wird vermutlich der Keim der Unordnung sein.

Der Unruheherd an der Spitze, eine ungewöhnli­che Konstrukti­on. Aber rund um Trump wird es ein System geben. Die Frage ist, ob die Unordnung das System durcheinan­derbringt oder das System den Unruheherd auf Linie bringt.

Für wann erwarten Sie das erste Treffen zwischen Trump und Putin? Spätestens im Juli beim G20-Gipfel. Es werden derzeit Gespräche geführt über ein früheres Treffen, bisher noch ohne konkretes Resultat. Es gäbe viel zu besprechen: vom IS und Syrien über Nordkorea bis hin zur Ukraine und europäisch­er Sicherheit. Auch der Iran könnte bald ein großes Thema werden. Die Frage ist, wann Trump bereit für einen Gipfel ist. Anders als Putin steht er unter gewaltigem Druck, in den russisch-amerikanis­che Beziehunge­n nicht zu weit zu gehen.

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