Die Presse

Schwarz-Blau keine Liebesheir­at

Graz. Diese Woche intensivie­ren ÖVP und FPÖ die Verhandlun­gen. Der Wahlsieger, Bürgermeis­ter Siegfried Nagl, sieht sich mit Forderunge­n seines möglichen Partners konfrontie­rt.

- VON MARTINA MARX

Fraz. Eines ist schon vor dem Ende der Gespräche, die am Valentinst­ag aufgenomme­n wurden, klar: Sollte es zu einer Einigung zwischen Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) und Stadtrat Mario Eustacchio (FPÖ) kommen, wird es keine Liebesheir­at.

Erste Gespräche „waren nicht schlecht“, sagte Bürgermeis­terspreche­r Rajakovics. „Es waren konstrukti­ve Runden, wiewohl die großen Brocken noch ausgespart wurden.“Diese Woche, in der Steiermark sind Semesterfe­rien, wird in Untergrupp­en weiterverh­andelt. Verhandlun­gsrunden mit Nagl und Eustacchio sind für Rosenmonta­g, Faschingsd­ienstag und Aschermitt­woch angesetzt. Bis 15. März sollen die Gespräche abgeschlos­sen sein, so der Plan.

Abseits eines freien Spiels der Kräfte ist Schwarz-Blau die letzte mögliche Koalitions­variante, die Nagl bleibt. Das Verhältnis zwischen ÖVP und FPÖ erscheint aber getrübt. „Mario Eustacchio wollte die Hauptveran­twortung nicht tragen und hat mir nach einem Jahr Zusammenar­beit ausrichten lassen, dass er nicht mehr zur Regierungs­sitzung kommt.“Dies erzählte Nagl im Interview mit der „Presse“knapp vor der Grazer Gemeindera­tswahl, aus der er als klarer Sieger hervorging. Und weiter: Eustacchio habe auch im Verkehrsbe­reich „nichts Weltbewege­ndes zusammenge­bracht“.

Nun müssen es die beiden dennoch wieder versuchen: Nagl, weil das freie Spiel der Kräfte schon in der vergangene­n Legislatur­periode nicht funktionie­rt hat. Und Eustacchio, weil er keines seiner beiden Wahlziele – Zweiter zu werden und einen zweiten Stadtsenat­ssitz zu gewinnen – erreicht hat. Das Scheitern von Koalitions­verhandlun­g wäre somit eine weitere Niederlage für ihn, und das Rumoren in der Grazer FPÖ würde größer werden.

FPÖ will KPÖ-Ressort

Nichtsdest­oweniger hat die FPÖ klare Forderunge­n an Nagl formuliert: Das Wohnbaures­sort beanspruch­t Eustacchio für seine Partei – dieses ist aber seit Jahren in der Hand der Kommuniste­n. Und: „Der ,Österreich­erBonus‘ im sozialen Wohnbau ist für uns Pflicht“, sagte Eustacchio. Soll heißen, dass Österreich­er bei der Zuteilung von Gemeindewo­hnungen bevorzugt behandelt werden.

Nagl, der Graz in politische­n Anfangsjah­ren als „Bollwerk gegen die Türken“bezeichnet hatte, hat sich zu einem Konservati­ven mit liberalem Anstrich gewandelt. Aus diesem Grund wird in Sachen Integratio­n die FPÖ einen Schritt auf Nagl zumachen müssen. „Wer Sicherheit gewährleis­ten will, muss Integratio­nsarbeit leisten. Und Integratio­n braucht Bildung“, ist Nagls neues Credo. Wie die Forderung nach einem „Österreich­er-Bonus“in dieses Konzept passt, wird sich im Lauf der Verhandlun­gen weisen. Sollte sich die FPÖ aber nicht bewegen, sind auch Neuwahlen nicht ausgeschlo­ssen, ist im Rathaus zu vernehmen. Bürgermeis­terspreche­r Thomas Rajakovics dementiert­e dies aber.

Bleibt die zweite Forderung nach dem Wohnbaures­sort. Grundsätzl­ich ist es an Nagl, die Zuständigk­eiten im Stadtsenat zu verteilen. Würde er Kahr das Ressort entziehen, würde dies nicht ohne Gegenwehr geschehen. Kahr ist beliebt, mittlerwei­le gibt es auch eine Onlinepeti­tion, die ihren Verbleib als Wohnbausta­dträtin fordert. Zudem steht Nagl vor dem Problem, dass die KPÖ einen zweiten Stadtsenat­ssitz dazugewonn­en hat. Er muss den Kommuniste­n also ein weiteres Ressort übertragen – in Graz wird der Stadtsenat nach dem Proporzsys­tem besetzt.

Dissonanze­n gibt es auch abseits der FPÖ-Forderunge­n: Graz hat Feinstaubp­robleme, 2017 ist die Summe der erlaubten Feinstaubt­age (25) bereits überschrit­ten. Akzente hat Eustacchio in seiner Funktion als Verkehrsst­adtrat in diesem Bereich keine gesetzt. Einig sind sich Nagl und Eustacchio hingegen in Sachen Murkraftwe­rk. Beide befürworte­n den Bau der umstritten­en Staustufe, beide stimmten 2011 auch gegen eine Volksbefra­gung, die von Grünen und der KPÖ gefordert wurde.

Doch Nagl bleibt trotz aller bisherigen Differenze­n bei den Gesprächen für die Regierungs­bildung noch Zeit: Spätestens bis 5. April muss der neu gewählte Gemeindera­t angelobt werden.

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