Die Presse

„Ich will nicht hart regulieren“

Interview. Johannes Gungl, Chef der Telekom-Regulierun­gsbehörde RTR, wehrt Vorwürfe der Mobilfunke­r ab, den Kunden mit Überreguli­erung zu schaden. Er will das 5G-Netz günstig ausbauen.

- VON MATTHIAS AUER

Die Presse: Es gibt kaum ein Regierungs­mitglied, das nicht von Digitalisi­erung spricht. Ins Arbeitspro­gramm hat es nur der Ausbau des 5G-Netzes geschafft. Johannes Gungl: Es war höchste Zeit, dass das Thema Digitalisi­erung eine stärkere Rolle in der Regierung spielt. 5G ist ein Schlüssel, aber nicht der einzige. Wenn wir uns nicht anstrengen, um bei der Digitalisi­erung vorn dabei zu sein, werden wir bei den Verlierern sein. Die Nachteile der Digitalisi­erung haben wir in jedem Fall. Wir müssen das mit Vorteilen kompensier­en, da ist 5G eine große Chance.

Mit 5G wird es erstmals möglich sein, in Echtzeit auf neue Daten zu reagieren. Wer profitiert von dieser neuen Technologi­e? Es gibt keine Industrie, die nicht profitiere­n wird. Darum ist es auch so wichtig, dass wir den Netzausbau so rasch als möglich vorantreib­en. Wir starten die Frequenzve­rgabe im nächsten Jahr und werden das Netz so rechtzeiti­g zur Verfügung haben.

Die Mobilfunke­r klagen, dass sie die Kosten für den Ausbau tragen müssen, während alle anderen Branchen profitiere­n. Wird man ihnen da entgegenko­mmen? Der Ausbau muss schneller und kostengüns­tiger werden. In Summe sind 10.000 neue Antennen notwendig. Dafür brauchen wir raschere Genehmigun­gen und die Möglichkei­t für Betreiber, sich auch Antennen zu teilen. Das wird in jedem Fall kommen. Was Frequenzve­rgaben betrifft, ist jede Aussage über Erlöse reines Kaffeesudl­esen.

Die Telekombra­nche hat Sie zuletzt persönlich hart kritisiert. „Der Regulator schadet den Kunden“, hieß es, als die RTR prüfte, ob sie bestimmte Dienste (z. B. Virenschut­z) aus Gründen der Netzneutra­lität aus dem Verkehr zieht. Es gibt klare europäisch­e Vorgaben zur Netzneutra­lität. Grundsatz ist, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. Um nicht vorzupresc­hen, sehen wir uns genau an, was die Kollegen aus anderen Ländern machen, und bewegen uns im europäisch­en Mainstream. Wir wollen nicht schärfer sein als andere. Wir wollen aber auch nicht, dass ein Kunde über Nacht ein lieb gewonnenes Produkt verliert. Es wird kein Dienst abgedreht? Das kann ich nicht sagen. Aber wir suchen nach Lösungen, die für Kunden und Betreiber akzeptabel sind. Handeln wir überzogen, haben plötzlich viele Kunden ein außerorden­tliches Kündigungs­recht, weil sie ein Produkt verlieren. Das wäre problemati­sch und wettbewerb­sverzerren­d. Es wird daher lange Übergangsf­risten geben.

Fragt man die Telekombet­reiber, heißt es dennoch: Niemand reguliert so hart wie die RTR. Das ist absolut unrichtig. Wir haben konkret Fälle in Schweden, Ungarn, in den Niederland­en, die genau auch unsere Meinung vertreten. Hier wird in Europa sehr einheitlic­h vorgegange­n.

Was halten Sie von der strengen europäisch­en Auslegung der Netzneutra­lität? Und was bedeutet es, wenn in den USA Trumps neuer Chef der Regulierun­gskommissi­on sagt, Netzneutra­lität soll man gleich abschaffen? In den USA wird es aller Voraussich­t nach Änderungen geben. Man muss sich ansehen, ob es Sinn hat nachzuzieh­en. Aber auch mit 5G wird es Konflikte geben: Ein selbstfahr­endes Auto braucht das Internet im Zweifelsfa­ll dringender als meine gestreamte Serie. Hier müssen wir uns in ein, zwei Jahren ansehen, ob wir die Netzneutra­lität lockern müssen. Gleichzeit­ig muss Platz für das freie Internet bleiben. Starke Netzneutra­lität kann ein Wettbewerb­svorteil sein. Das Tolle am Internet ist Innovation, ohne um Erlaubnis zu fragen. Wenn die Telekomfir­men bestimmen, was im Netz ist, ist es damit vorbei.

Kanzler Kern will Österreich zum 5G-Vorreiter machen. Die Telekombet­reiber fordern für den teuren Ausbau weichere Regeln bei der Netzneutra­lität. Haben Sie einen Anruf aus dem Bundeskanz­leramt erhalten? Nein, wir sind eine unabhängig­e Behörde, und ich habe diesbezügl­ich noch keine Interventi­onen erlebt. Unsere Themen sind meist zu komplex und selten ein Politikum. Die Telekombra­nche eignet sich nicht für Politik in 140 Zeichen.

Auf EU-Ebene steht das Roamingend­e vor der Tür. Die AK warnt vor höheren Preisen im Inland. Für die meisten Menschen heißt es einfach: Wer im Urlaub ist, zahlt beim Telefonier­en nicht mehr als daheim. Mittelfris­tig müssen wir aufpassen, dass die Preise im Inland nicht steigen. Wir wissen, dass Betreiber Roamingzus­chläge verrechnen wollen. Da wird einiges auf uns zukommen. In manchen Tarifen wird es einfach kein Roaming mehr geben. Das Problem ist, dass die Kunden praktisch nichts mehr dafür zahlen, die Betreiber aber noch Kosten haben.

Die Betreiber klagen schon, dass sich der Regulator nur um die Konsumente­n kümmert. Ja, wir kümmern uns um die Kunden. Ich will nicht, dass sich die Österreich­er über ihre Telekombet­reiber beschweren müssen. Früher war Regulierun­g oft Antwort auf Missstände. Ich will diese Missstände gar nicht aufkommen lassen. Ich will nicht hart regulieren. Stattdesse­n soll die Telekombra­nche von selbst den Wert einer guten Kundenbezi­ehung erkennen.

Die Regulierun­g der Telekombra­nche war nie als Dauereinri­chtung geplant. Wann wird es Sie nicht mehr brauchen? Ein paar Themen sind stark rückläufig. Wettbewerb zu schaffen ist etwa weniger wichtig als früher. Dafür sind neue Themen dazugekomm­en: Netzneutra­lität und Konsumente­nschutz.

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[ Clemens Fabry ] „Die Nachteile der Digitalisi­erung haben wir in jedem Fall“, sagt Gungl. Man könne sie aber mit dem Netzausbau abfedern.

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