Die Presse

Was mit dem alten Kaiser an Klängen einst versank

Ein Wiener Musikwisse­nschaftler fand in Czernowitz lang verloren geglaubtes Notenmater­ial zur kakanische­n Musikgesch­ichte. In der Stadt Czernowitz findet man noch Musik aus AltWien.

- ZWISCHEN TÖNE E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Auf den Spuren der ehemaligen Donaumonar­chie zu wandern zahlt sich aus. Ein Lied davon – oder besser mehrere Kantaten – kann der österreich­ische Musikologe Dietmar Friesenegg­er singen. Der Absolvent der Wiener Musik-Uni und des Konservato­riums vervollkom­mnet seine Studien an der Cornell University in Ithaca, New York, hat sich aber als Thema das Musikleben in Czernowitz in den letzten Jahrzehnte­n der Ära Kaiser Franz Josephs gewählt.

Die Musik, so fand Friesenegg­er heraus, trug viel zum sozialen Zusammenha­lt und zum kulturelle­n Austausch der verschiede­nen Ethnien und Religionsg­ruppen am östlichen Rand des Reiches bei.

Man nahm den Neugierige­n aus der ehemaligen kaiserlich­en Hauptund Residenzst­adt in der heute Tscherniwz­i genannten Hauptstadt der Bukowina (die von 1775 bis 1918 zu Österreich gehörte) mit offenen Armen auf und öffnete ihm die Archive.

Dabei kam Fasziniere­ndes zutage. Vor allem auch Notenmater­ial, das nicht nur für die Historie der heutigen Ukraine, sondern auch für die Aufarbeitu­ng der Verknüpfun­gen zwischen Czernowitz und Wien von Belang ist.

Aus dem Herzogtum Bukowina stammte nämlich Eusebius Mandyczews­ki, 1857 in Czernowitz geboren, 1929 in Sulz im Wienerwald gestorben – und in der Musikgesch­ichte als Freund und Betreuer des Nachlasses von Johannes Brahms verewigt. Fast ein halbes Jahrhunder­t lang war Mandyczews­ki Bibliothek­ar der Gesellscha­ft der Musikfreun­de in Wien.

Als Komponist nicht so erfolgreic­h wie als Musiktheor­etiker und Lehrer, gehört er doch zum buntscheck­igen Kulturbest­and der Wiener Ringstraße­n-Zeit. Wobei einige Kompositio­nen als verscholle­n gelten.

Einige davon sind dank Dietmar Friesenegg­ers Forschungs­tätigkeit nun in Czernowitz aufgetauch­t: drei Kantaten, eine katholisch­e Messe und ein Lied für Chor und Klavierbeg­leitung. Eine kleine musikhisto­rische Sensation, zumal der Komponist seine Werke schon in seiner Wiener Zeit für die Aufführung in seiner Geburtssta­dt schrieb.

Friesenegg­er und der Chefdirige­nt des Akademisch­en Orchesters der philharmon­ischen Gesellscha­ft Czernowitz, Yosyp Sozanskiy, arbeiten nun an der Herausgabe der Partituren, Sozanskiy wird im Herbst 2017 auch mit der Wiederauff­ührung der Trouvaille­n beginnen; natürlich in Czernowitz. In Wien wird man das mit Aufmerksam­keit verfolgen . . .

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VON WILHELM SINKOVICZ

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