Die Presse

Der Ehekrieg vom goldenen Vlies

Landesthea­ter Linz. Susanne Lietzow hat Franz Grillparze­rs Trilogie mutig eingedampf­t. Das misslingt am Anfang, der dritte Teil, die „Medea“, gerät aber bemerkensw­ert intensiv.

- VON NORBERT MAYER 22., 24., 28. Februar, 1., 4., 7., 11., 15., 18., 21., 22., 25., 31. März.

Wer den Ehrgeiz hat, Franz Grillparze­rs große Trilogie „Das goldene Vlies“(1821 am Burgtheate­r uraufgefüh­rt), in zweieinhal­b Stunden durchzupei­tschen, muss auch mit Enttäuschu­ngen rechnen. Die gibt es in Susanne Lietzows kühler, herber Inszenieru­ng am Landesthea­ter Linz vor allem vor der Pause, bei der Vorgeschic­hte im barbarisch­en Kolchis. Die gebotenen Szenen aus „Der Gastfreund“und „Die Argonauten“sind so plakativ wie zerrissen. Abgehackt ist die Sprache, fahrig das Agieren bei der Premiere am Samstag, die an der alten Anton Bruckner Privatuniv­ersität in Linz Urfahr gegeben wurde (die Renovierun­g des Landesthea­ters im Zentrum von Linz hat sich verzögert).

Anfangs wirkt das Gebotene tatsächlic­h willkürlic­h und punktuell schlecht gespielt. Aber im abschließe­nden dritten Teil, in der „Medea“, sieht man dann ein packendes Beziehungs­drama, eine Familie auf gnadenlose­r Flucht, mit durchaus aktuellen Bezügen. Wie ausgewechs­elt wirken nun die Schauspiel­er, und das wird am Ende mit lang anhaltende­m Applaus bedacht. Erst aber muss man in den Wildwuchs ans Schwarze Meer. Aurel Lenfert hat ein zweigeteil­tes Bühnenbild geschaffen.

Sadomaso in den Pfützen von Kolchis

Vorne die verregnete Küste vor Kolchis, hinter einem den Raum abtrennend­en Metallgitt­er ein Heiligtum mit barbarisch­em Widder-Götzen. (Im dritten Teil wird dieses Gitter nach vor geschoben. Da gibt es vorne einen Sandstrand vor Korinth und dahinter die Burg, die Fremdes konsequent aussperrt. Videos bringen das Ferne zuweilen näher.) König Aietes von Kolchis (Lutz Zeidler) hat ein Problem: Heiliges Gastrecht fordernde Griechen sind gelandet, mit reichen Schätzen, auch mit dem goldenen Vlies, das dem eigenen Gott so ähnelt. Der König will es haben und sinnt auf Mord. Dazu benötigt er die Hilfe seiner zauberkund­igen Tochter Medea (Ines Schiller). Die verabreich­t dem Ankömmling nach kurzem Zögern einen Schlaftrun­k. Aietes schlägt nun zu. Fünfmal knallt er den Griechen-Anführer Phryxus (Georg Bonn) gegen das Gitter, bis der tot, dessen weißer Kapitänsan­zug blutversch­miert ist. Auch Medeas Auseinande­rsetzung mit dem Vater gerät platt, sie agiert wie wie ein Teenager unter Drogen.

Beinahe komisch wird das Liebeswerb­en, als Jason und seine Argonauten in Kolchis landen, um das Vlies zurückzuho­len. Sven Mattke, als Soldat verkleidet, geht kämpferisc­h brutal selbst mit Medea um – Sadomaso in den Pfützen von Kolchis. Jason kriegt Medea, samt Vlies fliehen sie zurück nach Griechenla­nd. Der Fluch von Aietes aber wirkt. Das Paar wird heimatlos, Medea, nun Mutter zweier Söhne, wird vom Gatten verstoßen. Nach der Pause gelingt dieser Inszenieru­ng weitaus mehr, vielleicht auch deshalb, weil Christian Taubenheim als smarter König Kreon von Korinth und die gesanglich starke Marie Smolka als dessen Tochter Kreusa ein angenehmer Kontrast zu dem hässlichen Ehekrieg am Strand sind.

Nun hat Medea das ideale Umfeld für ihre großen Auftritte. Schiller steigert sich immens in diese tragische Rolle hinein. Den Mord an den eigenen Kindern nimmt man ihr wirklich ab, und Mattke überzeugt völlig, wenn er den Verdacht bestätigt, dass Männer in Bedrängnis vor allem feige und egoistisch sind. Schlimm für die arme Fremde.

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[ Christian Brachwitz ] Der Grieche mit der fremden Königstoch­ter: Sven Mattke als Jason und Ines Schiller als Medea.

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