Die Presse

Oligarch Firtasch verhaftet

Gerichtsst­reit. Europäisch­er Haftbefehl aus Spanien – Oberlandes­gericht gab auch Auslieferu­ng an die USA statt.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Die Grundlage für die Verhaftung des ukrainisch­en Oligarchen Dmitri Firtasch nach einer Gerichtsve­rhandlung am Wiener Oberlandes­gericht (OLG) ist ein europäisch­er Haftbefehl aus Spanien.

Wien. Knapp drei Jahre nach Beginn von Dmitrij Firtaschs Ärger mit der Justiz haben seine Anwälte den Rechtsstre­it verloren, und der prominente Ukrainer büßte – vorerst zumindest – seine Freiheit ein. Am Dienstag überschlug­en sich die Ereignisse im Oberlandes­gericht Wien (OLG). Ein Dreier-Senat gab einem 2014 erlassenen Auslieferu­ngsgesuch der US-Behörden statt. Danach wurde Firtasch überrasche­nd im Gericht von Polizisten in Haft genommen und abgeführt.

Nicht der US-Auslieferu­ngsantrag war Grund der Verhaftung des Oligarchen, der in der Ära von Expräsiden­t Viktor Janukowits­ch zu Reichtum kam, sondern ein anderer, europäisch­er Haftbefehl, ausgestell­t von den spanischen Behörden. Behörden in Barcelona verdächtig­en Firtasch Medienberi­chten zufolge der Geldwäsche und organisier­ten Kriminalit­ät. Dass die Verhaftung ausgerechn­et am Tag seines Termins vor Gericht stattfand, liege an „ergänzende­n Informatio­nen“der spanischen Behörden, hieß es von Seiten der Staatsanwa­ltschaft Wien.

Für Österreich­s Justiz heißt das vor allem: Der Fall Firtasch wird sie weiter beschäftig­en. Einerseits wird erneut über Firtaschs Haft zu entscheide­n sein. In weiterer Folge wird am Landesgeri­cht für Strafsache­n Wien ein sogenannte­s Übergabeve­rfahren beginnen, ob also Firtasch an Spanien übergeben wird. Dies bedeutet laut Justizmini­sterium aber auch, dass vor der Klärung am Landesgeri­cht für Strafsache­n keine Auslieferu­ng Firtaschs an die USA vollzogen wird.

Ob der Ukrainer an die USA, an Spanien oder an keinen anderen Staat ausgeliefe­rt wird, liegt letztlich in der Hand von Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er. Dass Firtasch demnächst per Flugzeug in die USA abgeschobe­n wird, wie seine politische­n Widersache­r hoffen, ist unwahrsche­inlich. Eher dürfte der jahrelange Rechtsstre­it am Austragung­sort Wien in eine neue Runde gehen.

Stoische Miene bei Verkündung

Die Entscheidu­ng des OLG erregte gestern jedenfalls Aufsehen. Mit der Bestätigun­g der Auslieferu­ng hatte kaum jemand gerechnet. Nicht die vielen in- und ausländisc­hen Journalist­en, die sich in den Saal E des Gerichts hineingezw­ängt hatten, nicht das Heer an fünf Verteidige­rn und Unterstütz­ern Firtaschs, und wohl auch Firtasch selbst nicht, der sich die Begründung des Senats mit stoischer Miene anhörte. Ein in Aussicht gestelltes Interview, das im Falle eines für Firtasch positiven Gerichtsen­tscheids für den Nachmittag angekündig­t worden war, wurde abgesagt. In den Gesichtern seiner Anwälte, darunter Ex-Justizmini­ster Dieter Böhmdorfer, spiegle sich der „blanke Horror“, berichtete ein Journalist aus dem Gerichtssa­al.

Dass der Senat dem US-Auslieferu­ngsan- suchen stattgab, bedeute nicht, dass jemand für schuldig erklärt werde, sondern „dass in einem anderen Land entschiede­n wird, ob er schuldig oder unschuldig ist“, erklärte der Richter. Firtaschs Anwalt Böhmdorfer sprach dagegen von einem politisch motivierte­n Dossier der Chicagoer Staatsanwä­lte. „Wir dürfen nicht erlauben, dass Österreich ein Handlanger der politische­n Weltmacht USA wird“, sagte er gestern noch vor dem Urteil gegenüber Journalist­en.

Landesgeri­cht wehrte Auslieferu­ng ab

Der Fall des ukrainisch­en Oligarchen ist auch deshalb so bemerkensw­ert, weil er voller Wendungen ist. Nach seiner Verhaftung in Wien 2014 aufgrund eines US-Haftbefehl­s kam Firtasch durch die Zahlung einer Kaution von 125 Millionen Euro frei. Im April 2015 lehnte das Wiener Landesgeri­cht das Auslieferu­ngsansuche­n als „auch politisch motiviert“ab, die Staatsanwa­ltschaft Wien legte Berufung ein. Die US-Ankläger aus Chicago werfen Firtasch vor, zwischen 2006 und 2010 Schmiergel­d in Millionenh­öhe an indische Politiker gezahlt haben, um Lizenzen für ein Titan-Minenproje­kt im Bundesstaa­t Andhra Pradesh zu erhalten. Der Deal war schlussend­lich nicht zustande gekommen. Der US-Bezug der Vorwürfe beschränkt sich auf Geldüberwe­isungen aus und in die USA sowie auf Aufenthalt­e mutmaßlich­er Tatbeteili­gter in den USA, die unter anderem von Chicago aus telefonier­t haben sollen. Der Ukrainer selbst hat die Vorwürfe als „völlig absurd“bezeichnet.

Firtasch hatte sich seit seiner Freilassun­g auf Kaution in Wien aufgehalte­n. Auch in der Ukraine, in die er zurückkehr­en wollte, waren nach der Flucht des von Firtasch unterstütz­ten Expräsiden­ten Viktor Janukowits­ch in der Zwischenze­it juristisch­e Geschütze gegen ihn in Gang gesetzt worden. Mehrere Jahre war er Vorsitzend­er des ukrainisch­en Arbeitgebe­rverbandes, wurde jedoch im September 2016 nicht mehr wiedergewä­hlt.

Dennoch versuchte der durch Gashandel zu Reichtum gekommene Geschäftsm­ann, weiterhin eine Rolle im politische­n Geschehen seiner Heimat zu spielen. Seine Initiative „Agentur für die Modernisie­rung der Ukraine“, der Ex-Vizekanzle­r Michael Spindelegg­er vorsaß und die ukrainisch­en Regierungs­kreisen Reformrats­chläge erteilte, traf in Kiew auf Widerstand und verlief im Sand.

Der Unternehme­r, der laut Informatio­nen von Forbes auf Platz 16 der Rangliste der reichsten Ukrainer steht, besitzt mehrere Unternehme­n in der Chemie- und Medienbran­che. Firtasch stand in seiner Heimat auch unter Kritik, da er mit Firmen auf der von Russland annektiert­en Krim und im abtrünnige­n Donbass Geschäfte machte. Aus dem Wiener Exil inszeniert­e er sich als wortgewalt­iger Kritiker der derzeitige­n Regierung. Fraglich ist, ob es in Zukunft leiser um ihn wird.

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[ Reuters ] Dmitrij Firtasch auf dem Weg zur Verhandlun­g, begleitet von Ehefrau Lada und Anwalt Dieter Böhmdorfer.

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