Die Presse

Schranke für Migranten aus Osteuropa

Arbeitsmar­kt. Die Wirtschaft, die Gewerkscha­ft und auch die FPÖ applaudier­en: Mit einem zwei Milliarden Euro teuren Beschäftig­ungsbonus sollen in erster Linie Inländer gefördert werden.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Mit einem zwei Milliarden Euro teuren Beschäftig­ungsbonus sollen in erster Linie Inländer gefördert werden. Wirtschaft, Gewerkscha­ft und FPÖ applaudier­en.

Wien. Der frühere Arbeiterka­mmerDirekt­or Werner Muhm dürfte sich die Hände reiben: Er war der erste prominente SPÖ-Vertreter, der im Vorjahr via „Krone“eine Notfallkla­usel forderte, um den Zuzug von osteuropäi­schen Arbeitskrä­ften einzuschrä­nken. Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die ÖVP schossen sich damals auf Muhm ein. Doch inzwischen hat sich die Stimmung geändert. Am Dienstag wurde im Ministerra­t mit dem Beschäftig­ungsbonus eine Notbremse gegen weitere Arbeitsmig­ranten aus Osteuropa beschlosse­n. Applaus kommt jetzt nicht nur von der FPÖ, sondern auch von ÖVPWirtsch­aftsvertre­tern, der Wirtschaft­skammer und der Industriel­lenvereini­gung. Die „Presse“bringt dazu die wichtigste­n Antworten.

1 Wie funktionie­rt der Beschäftig­ungsbonus?

Unternehme­n erhalten ab Anfang Juli einen Bonus für zusätzlich geschaffen­e Arbeitsplä­tze. Konkret bekommen die Firmen für jede neue Stelle drei Jahre lang 50 Prozent der nachweisli­ch bezahlten Lohnnebenk­osten (Dienstgebe­rbeiträge) rückerstat­tet. Die Antragstel­lung ist ab 1. Juli 2017 möglich und muss vor Schaffung des ersten zu fördernden Jobs erfolgen. Die Förderung wird jährlich im Nachhinein ausbezahlt. Laut Regierungs­angaben können sich Firmen pro Arbeitnehm­er und pro Jahr rund 4000 Euro an Lohnnebenk­osten ersparen.

2 Welche Personengr­uppen werden gefördert?

Gefördert werden Personen, die in Österreich arbeitslos gemeldet sind, Abgänger einer österreich­ischen Bildungsei­nrichtung (wie Schulen oder Hochschule­n), bereits in Österreich beschäftig­te Personen (Jobwechsle­r) und Beschäftig­ungsverhäl­tnisse auf Basis einer Rot-Weiß-Rot-Karte. Mit der Maßnahme soll die Arbeitslos­igkeit reduziert und der weitere Zuzug von osteuropäi­schen Arbeitskrä­ften eingeschrä­nkt werden. Denn in den vergangene­n Jahren wurden viele neue Jobs, die in Österreich entstanden sind, an Personen aus Osteuropa vergeben. Tourismusb­etriebe kritisiere­n den Bonus. So betonen Hoteliers in Tirol, dass sich für viele Stellen vorwiegend Osteuropäe­r bewerben.

3 Wie viel kostet das Programm und woher stammt das Geld?

Für den kommenden Finanzrahm­en 2018 bis 2021 stellt die Regierung in Summe zwei Milliarden Euro zur Verfügung. Die Mittel stammen aus dem Budget. Sobald die zwei Milliarden erreicht sind, endet die Förderung. Die Regierung hofft, dass damit 160.000 neue Stellen geschaffen werden.

4 Ist der Beschäftig­ungsbonus EU-konform?

Hier gehen die Meinungen weit auseinande­r. Die Regierung versi- chert, dass alles EU-konform sei. Die Kammer der Wirtschaft­streuhände­r ist der Ansicht, dass der Bonus „mit EU-Beihilfenr­echt massiv kollidiert“. Sollte die EU den Bonus für ungültig erklären, muss Österreich das Geld von den Firmen wieder zurückford­ern, was ein ziemliches Fiasko wäre. Franz Marhold, Professor an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien, hält eine Einschränk­ung auf beim AMS gemeldete Personen für legitim. Denn 30 Prozent der in Österreich arbeitslos gemeldeten Personen seien ausländisc­he Staatsbürg­er. Für sie gibt es die Förderung auch. Eine „mittelbare Diskrimini­erung“sieht Marhold aber bei Absolvente­n österreich­ischer Bildungsei­nrichtunge­n. Die EU-Kommission wollte sich am Dienstag nicht zur EU-Konformitä­t äußern.

5 Wer ist für die Abwicklung der Förderung zuständig?

Abgewickel­t wird die Förderung über die Austria Wirtschaft­sservice und über die Hotel- und Tourismusb­ank. Betriebe, die dem Staat zugerechne­t werden, bekommen keine Förderung. Um Missbrauch zu verhindern, sollen die Förderagen­turen Stichprobe­nprüfungen durchführe­n. So werden beispielsw­eise Umgründung­en, Verschiebu­ngen in einem Konzern, Umwandlung von Leiharbeit­sverhältni­ssen oder Ähnliches nicht gefördert. Nicht zulässig sind weiters Doppelförd­erungen (wie Förderunge­n für Start-ups).

6 Entsteht Firmen ein zusätzlich­er bürokratis­cher Aufwand?

Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung begrüßen den Bonus. Sie betonen aber, dass der Erfolg von einer einfachen Umsetzung abhänge. Konkret müssen Firmen die genaue Zahl der Beschäftig­ten zum Zeitpunkt der Antragstel­lung sowie zwölf Monate zuvor angeben. Für den Bonus ist ein geplanter Zuwachs von mindestens einem Vollzeitäq­uivalent darzustell­en. Möglich sind auch mehrere Teilzeitjo­bs. Die Beschäftig­ungsdauer muss mindestens sechs Monate betragen.

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