Die Presse

Leitartike­l von Oliver Pink

Ohne Christian Kern, das wissen auch seine Genossen, droht der SPÖ eine Niederlage. Dennoch fasziniere­nd, was sie ihm alles durchgehen lassen.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Donald Trump ist kein Solitär, sondern gewisserma­ßen die Spitze des Eisbergs. Der Protektion­ismus ist ein Phänomen des Zeitgeists, in den USA aktuell eben in seiner ausgeprägt­esten Form – jedenfalls was entwickelt­e, demokratis­che Staaten betrifft. Aber auch andere Länder ziehen mit. Auch Österreich.

Austria first light sozusagen. Schon in Kanzler Christian Kerns Plan A fand sich der Vorstoß, dass EU-(Ost-)Europäer erst dann auf dem österreich­ischen Arbeitsmar­kt zum Zug kommen sollen, wenn sich kein geeigneter arbeitslos­er Inländer für die Stelle findet. Im überarbeit­eten Regierungs­programm bekennt sich die Koalition nun auch zur „Reduktion und Begrenzung der Arbeitskrä­ftemigrati­on“. Eh auch ein altes Gewerkscha­ftsanliege­n.

Von der gestern beschlosse­nen Lohnnebenk­osten-Förderung sind Neuzuwande­rer ausgeschlo­ssen. Das Kanzleramt hat sich dafür eine Argumentat­ionslinie zurechtgel­egt, um nicht gegen EU-Recht zu verstoßen: Sinngemäß geht es darum, dass die Mitgliedst­aaten einen erweiterte­n Spielraum haben, um die Arbeitslos­igkeit in ihrem Land zu senken und so den sozialen Frieden zu wahren.

Also eine ähnliche Argumentat­ion wie bei der Obergrenze für Flüchtling­e und der Notverordn­ung. Auch dazu hatte sich der SPÖ-Kanzler schon vor Längerem bekannt. Und das Erstaunlic­hste daran ist: Seine Genossen, vor allem jene vom linken Flügel, lassen ihn gewähren. Q uod licet Kern, non licet Faymann, könnte man – grammatika­lisch nicht ganz korrekt – sagen. Was bei seinem Vorgänger zu wüsten Protesten geführt hatte, lässt man Kern einfach durchgehen. Denn auch der Genosse vom Wehsely-Flügel (nennt man das jetzt überhaupt noch so?) weiß: Ohne Christian Kern als vote-getter droht bei der nächsten Nationalra­tswahl der Untergang.

Die Genossen vom linken Flügel wählen daher gern einen Umweg und arbeiten sich an Hans Niessl ab. Dieser sagt zwar komplett das Gleiche wie Christian Kern, nur weniger geschliffe­n. Und Niessl benötigt man auch nicht, um den bundespoli­tischen Niedergang aufhalten zu können. Dabei war der burgenländ­ische Lan- deshauptma­nn sogar ein Avantgardi­st innerhalb der Sozialdemo­kratie. Alles, was er propagiert­e, war ein halbes Jahr später State of the Art in der SPÖ – von der Obergrenze über die Entsenderi­chtlinie bis zur Öffnung hin zur FPÖ.

Christian Kern darf also, was man in der SPÖ bisher nicht durfte – was taktisch betrachtet ohnehin ein Fehler war: die rechte Flanke absichern. Und da steht ihm wiederum ein Niessl-Vertrauter strategisc­h zur Seite: Hans Peter Doskozil, der Verteidigu­ngsministe­r. Auch er sagt sicherheit­spolitisch nicht viel anderes als Wolfgang Sobotka, der Innenminis­ter. Allerdings tut auch er das im Ton diplomatis­cher als sein ÖVP-Gegenüber mit dem Berserker-Image. U nd so könnte dann auch der wahre Plan A der SPÖ aussehen: Hans Peter Doskozil arbeitet gemeinsam mit Christian Kern das Manko der SPÖ in der Sicherheit­spolitik auf, bis dann nur noch der Eindruck übrig bleibt, Sicherheit sei ein, wenn nicht das Kernanlieg­en der SPÖ. Im besten Fall fällt das dann auch noch mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss zu den Eurofighte­rn zusammen. Wobei die wieder hochgekoch­te Eurofighte­r-Causa an sich überhaupt die ideale Sollbruchs­telle für die Koalition wäre. Der Wahlkampfs­chlager von 2006 reloaded. Die SPÖ könnte damit hervorrage­nd vor einer Wiederkehr von Schwarz-Blau warnen.

Sofern der Schuss nicht nach hinten losgeht. Sich die Anzeige gegen den JetHerstel­ler rechtlich in Luft auflöst, Österreich auf den Kosten sitzen und der frühere SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Norbert Darabos als derjenige übrig bleibt, der das erst wirklich verbockt hat. Es wäre eine gewisse Analogie zur Chronologi­e in der Hypo-Causa.

Bleibt noch die Frage zu klären: Ist Christian Kern jetzt ein Mini-Trump? Das nicht unbedingt. Aber ein wenig über durchaus vorhandene politische Parallelen nachzudenk­en, wird den Genossen nicht schaden. Vor allem jenen, die gegen Ceta gestimmt haben.

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