Die Presse

Wie Sicherheit­sberater die US-Politik prägten

Weißes Haus. Henry Kissinger hatte die längste Amtszeit und die größte Machtfülle. Zeitweise agierte er in einer Doppelfunk­tion auch als Außenminis­ter. Mit Condoleezz­a Rice und Susan Rice amtierten auch zwei Frauen.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. In Washington wird Macht zumeist durch die Nähe zum Präsidente­n definiert. Darum gilt der nationale Sicherheit­sberater, der sein Büro im Weißen Haus hat, oft als einflussre­icher als etwa der Außen- oder Verteidigu­ngsministe­r. In außen- und sicherheit­spolitisch­en Fragen, zumal in Krisenzeit­en, hat er das Ohr des Präsidente­n. Erster Chefberate­r des Nationalen Sicherheit­srats unter Dwight Eisenhower war 1953 der Banker Robert Cutler. „Außer dem Präsidente­n wusste niemand in der Regierung mehr über die Geheimniss­e der nationalen Sicherheit. Und doch war keiner aus dem engeren Zirkel des Präsidente­n so unbekannt“, schrieb 1974 die „New York Times“in einem Nachruf.

Bis heute gilt indessen Henry Kissinger als Prototyp des Sicherheit­sberaters. Mit einer Amtsdauer von beinahe sieben Jahren und einer beispiello­sen Machtfülle hat der frühere Harvard-Professor seine Vorgänger und Nachfolger bei Weitem übertroffe­n. Keiner war auch so umstritten wie der jüdische Emigrant aus dem fränkische­n Fürth. Er prägte die Politik der Öffnung gegenüber China in der Ära Richard Nixons, die Verhandlun­gen über das Ende des Vietnamkri­egs trugen ihm 1973 den Friedensno­belpreis ein. Gleichzeit­ig rief seine Rolle – neben der des CIA – beim Putsch in Chile massive Kritik hervor.

Als einziger hatte Kissinger parallel zwei der Schlüsselp­ositionen inne. Unter Nixon und dessen Nachfolger Gerald Ford agierte er in einer Doppelfunk­tion auch als Außenminis­ter. Noch heute ist der 93-Jährige bestens vernetzt, sein Rat ist in Washington gefragt. Für den neuen Präsidente­n sondierte er die Beziehunge­n zu China.

Die durchschni­ttliche Amtsdauer liegt allerdings bei zweieinhal­b Jahren. Michael Flynn hielt es nur 24 Tage in dem Job. Unter Ronald Reagan war das Amt ein Schleuders­itz. Er verschliss in seinen acht Jahren im Weißen Haus sechs Sicherheit­sberater. Robert McFarlane und John Poindexter stürzten wegen ihrer Verstricku­ng in den Iran-Contra-Skandal, den Deal für die antisandin­istische Guerilla in Nicaragua.

Berater von zwei Präsidente­n

Einige der Sicherheit­sberater haben bis heute einen klingenden Namen, etwa Zbigniew Brzezinski – der Sicherheit­sberater Jimmy Carters, oder Brent Scowcroft, Berater von gleich zwei Präsidente­n, von Gerald Ford und George Bush. Colin Powell, der letzte Sicherheit­sberater unter Reagan, kehrte als Außenminis­ter unter George W. Bush ins Zentrum der Macht zurück.

Condoleezz­a Rice folgte später seinem Beispiel. Als erste Sicherheit­sberaterin genoss sie das volle Vertrauen George W. Bushs, und zuweilen übte die Karrieredi­plomatin, federführe­nd beteiligt bei den Gesprächen um die Wiedervere­inigung Deutschlan­ds, Kritik an der Politik der Falken um Vizepräsid­ent Dick Cheney. Unter der Präsidents­chaft Obamas kam eine zweite Frau zum Zug. Obama wollte 2013 ursprüngli­ch die UN-Botschafte­rin Susan Rice zur Außenminis­terin befördern. Als der republikan­isch dominierte Senat die Berufung blockierte, ernannte Obama sie zur Sicherheit­sberaterin.

Michael Flynn, Trumps erste Wahl, war bei den Telefonate­n mit den Staats- und Regierungs­chefs im Oval Office stets als Einflüster­er anwesend – und sprang ein, als Trump nicht weiterwuss­te. Er bereitete auch die Visite des israelisch­en Premiers Netanjahu vor.

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