Der Kindergarten als Selbstbedienungsladen
Überblick. Vier Förderskandale rund um Kindergärten wurden in Wien während der vergangenen Monate bekannt. Immer wieder geht es um Fördergeld, das zweckwidrig verwendet wurde. Und immer wieder geht der Schaden in Millionenhöhe.
Wien. Für Hassan Mousa ist alles ein großes Missverständnis. „Engste Mitarbeiter wollten ihn loswerden, indem sie ihn ins Gefängnis bringen“, sagte sein Verteidiger am Dienstag. Der 57-Jährige wurde vor wenigen Tagen in U-Haft genommen. Gegen ihn wird wegen Untreue, Fördermissbrauch und betrügerischer Krida ermittelt. Der Fall Mousa steht stellvertretend für ein System, das zu lange ignoriert wurde.
In dem auch Kontrollorgane offenbar nicht genau hingesehen haben oder nicht wussten, wonach sie suchen müssen. Zuletzt wurden alleine vier Fälle bekannt, in denen Kindergartenbetreibern vorgeworfen wird, mit Fördergeld missbräuchlich umgegangen zu sein.
Der Luxuriöse
Der Fall Mousa ist der zweite große Förderskandal, der aufgedeckt wurde. Aber sicherlich der schillerndste. Für einen Kindergarten im 21. Bezirk wurden etwa Rechnungen für Marmorfliesen, einen Marmorkamin sowie einen Marmorbrunnen gelegt. Der Schaden beläuft sich auf 2,4 Millionen Euro, schätzt die Staatsanwaltschaft Wien. Mousa ist Präsident des – mittlerweile in Konkurs gegangenen – Betreibervereins. Der Jurist hat am Standort Weisselgasse in Floridsdorf nicht nur einen Kindergarten, sondern auch das islamische Bildungszentrum „Austrian International School“betrieben. Die Schulen sind nach wie vor offen. Mousa ist nicht mehr für deren Betreiberverein tätig. Stadtschulratsdirektor Arno Langmeier erklärte der „Presse“, man warte derzeit auf die Rückmeldung der Staatsanwaltschaft, ob die Mitarbeiter „aus dem aktuellen Verein vertrauenswürdig seien“.
Der Kindergarten wurde im Vorjahr außerdem nicht nur wegen des Verdachts des Fördergeldmissbrauchs geschlossen. Er wurde Ende Juni dezidiert auch deshalb gesperrt, weil „in diesem Kindergarten immer wieder Koranunterricht erteilt“wurde – obwohl es die Behörde „wiederholt verboten“habe, hieß es aus dem Büro von Stadträtin Sonja Wehsely („Die Presse“berichtete exklusiv). 299 Plätze waren davon betroffen.
Mousas Rechtsvertreter bestreitet übrigens alle Vorwürfe. „Kein einziger Cent ist missbräuchlich verwendet worden.“
Der Erste
Er bildete den Beginn der Serie: Auch er wurde für eine Zeit in U-Haft genommen. Auch hier sprach der Anwalt von einem „Missverständnis“. Abdullah P. wird vorgeworfen, Drahtzieher eines ganzen Förderbetrugsnetzwerkes zu sein. Der Schaden soll ebenfalls in Millionenhöhe liegen. P. (ein ausgebildeter „Integrationscoach“mit türkischen Wurzeln) soll als Berater Verträge mit Personen abgeschlossen haben, die vorhatten, private – städtisch geförderte – Kindergärten zu betreiben. Dafür, dass P. bei Amtswegen etc. half, soll er sich entlohnen haben lassen. In einem Fall waren sogar um die 40.000 Euro zu bezahlen. Auch in seinen eigenen Kindergärten soll er Fördergelder der Stadt widmungswidrig verwendet haben. Der von ihm betriebene Kindergarten KIBIZ (Kinder Bildungs- und Integrationszentrum) wurde von Mai 2013 bis Mai 2015 mit einer Vollförderung von 1,8 Millionen Euro für acht Gruppen mit jeweils 20 bis 25 Kindern bedacht. Es sollen allerdings weit weniger Kinder betreut worden sein, und überdies wurden – so die Verdachtslage – wiederholt nicht erbrachte Leistungen verrechnet.
Später kamen Vorwürfe dazu, dass in den Kindergärten abends Sexpartys gefeiert worden sein sollen. Abdullah P. wurde an einer Nebenfront verurteilt. Hier musste die Staatsanwaltschaft allerdings eine Niederlage einstecken. P. wurde – entgegen dem Antrag der Anklage – vom Vorwurf des schweren Betruges im Zweifel freigesprochen. Lediglich eine – nicht rechtskräftige – Verurteilung wegen Urkundenfälschung blieb übrig. Dafür bekam P. drei Monate bedingte Haft.
Der Angesehene
Die Eltern waren hochzufrieden mit dem Kindergarten und wehrten sich sogar mit Demonstrationen beim Wiener Rathaus gegen eine Schließung. Der Fall betraf 33 Standorte mit 2276 Kindern. Der Vorwurf an die Trägerorganisation „Alt Wien – MUKU – Arge für multikulturelle Kindergartenpädagogik“lautete, Subventionen „widmungswidrig“verwendet zu haben. Die Stadt Wien hegte den Verdacht, dass die städtischen Gelder beispielsweise für Sanierungen von Immobilien verwendet worden seien, die sich im Eigentum des Betreibers befinden – beispielsweise einer Ballettschule. Auch ein Feriensommercamp soll mit zweckwidrig verwendetem Fördergeld errichtet worden sein.
Insgesamt fordert die Stadt Wien vom inzwischen ehemaligen Vereinschef 6,6 Millionen Euro zurück. Der Betreiber ist in Konkurs, die Kindergärten wurden teilweise von anderen Betreibern übernommen. Eine Übernahme durch die Stadt scheiterte. Der Betreiber wies übrigens die Vorwürfe zurück und betonte, „effizient zu wirtschaften“.
Der Unscheinbare
Seit Anfang November 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Kindergartenbetreiber wegen Steuerbetrugs. Betroffen sind zwei Trägervereine an mehreren Standorten mit insgesamt 87 Kindern. Der Verdächtige soll die Wiener Kindergärten (MA10) und das Arbeitsmarktservice (AMS) geschädigt haben, indem er sich Mittel für Bildungskarenzen auszahlen ließ, die seine Mitarbeiter gar nicht in Anspruch genommen hatten. Damit soll das AMS gezielt hinters Licht geführt worden sein. Obwohl es sich nicht um klassischen Förderbetrug handelte, forderte die MA 10 die Förderungen zurück – etwas, das immer gemacht wird, wenn sich ein Kindergartenverein nicht an die Regeln hält. Der Verdächtige hat bisher sämtliche Anschuldigungen bestritten.