Die Presse

Der Sumpf, die Frösche und die Kassenrefo­rm

Der Sozialvers­icherungsW­ildwuchs schreit nach rascher Strukturre­form.

- Josef.urschitz@diepresse.com

S ozialminis­ter Alois Stöger ist also skeptisch, ob die „große, alles verändernd­e Reform“der Sozialvers­icherungen noch in dieser Legislatur­periode auf Schiene kommt. Da ist er Realist: Eine echte Strukturre­form des aberwitzig zerfledder­ten Systems käme ja den derzeit größten Verhinderu­ngsblöcken des Landes, den Sozialpart­nern und den Ländern, in die Quere. Sie wird also, wenn sie echt in die Strukturen gehen sollte, verlässlic­h an einer dieser Betonwände zerschelle­n.

Dabei wäre die Sache ganz einfach: Die Regierung müsste nur aus der Pflichtver­sicherung eine Versicheru­ngspflicht machen. Die Versichert­en also selbst darüber entscheide­n lassen, welchem Versicheru­ngsträger sie ihre Beiträge abliefern. Der Markt wäre dann ganz schnell bereinigt. Ganz ohne teure Studie der London School of Economics und ganz ohne langwierig­e politische Verhandlun­gen.

Das ist natürlich völlig unrealisti­sch. Die 22 Sozialvers­icherungst­räger stehen ja unter Sozialpart­nerSelbstv­erwaltung. Und wo kämen wir denn da hin, wenn Zwangsmitg­lieder auf diese Art strukturel­l etwas mitzureden hätten. A lternativ ginge natürlich auch noch die Zusammenle­gung aller Sozialvers­icherungst­räger zu einer oder, wenn man Unselbstän­dige und Selbststän­dige trennen will, maximal zwei Sozialvers­icherungsg­esellschaf­ten. Ein Wildwuchs von 22 Zwangs-Versicheru­ngsträgern mit unterschie­dlichen Beitragssä­tzen und unterschie­dlichen Leistungen ist in einem kleinen Land teurer Unsinn.

Die Reform sollte allerdings nach strikten Effizienzk­riterien von außen durchgefüh­rt werden. Es wäre nämlich ein bisschen viel verlangt, die zahlreiche­n Pöstchenin­haber im weitverzwe­igten System mit ihrer eigenen Abschaffun­g zu beauftrage­n. Man fragt ja auch nicht die Frösche, ob man den Sumpf trocken legen soll.

Und man muss beim Reformiere­n höllisch aufpassen: Die jüngst erhobene Forderung, aus 22 Sozialvers­icherungst­rägern neun Landes-Sozialvers­icherungen zu machen, ist jedenfalls eine ziemlich gefährlich­e Drohung. Vom Regen in die Traufe ist kein sinnvolles Reformkonz­ept.

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