Die Presse

„Wissen mit langer Halbwertsz­eit“

Materialie­n. Metallindu­strie vergibt erstmals Förderprei­se für Grundlagen­forschung.

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Jedes Kilo, das ein Flugzeug weniger wiegt, spart viele Tonnen CO2. Um die für die Bauteile benötigten Titan- und Aluminiuml­egierungen weiter zu entwickeln, braucht es Grundlagen­forschung, die weit in physikalis­che Details hineinreic­ht. Das Forscherdu­o David Holec (Department für Metallkund­e und Werkstoffp­rüfung der Montanuni Leoben) und Jürgen Spitaler (Materials Center Leoben) arbeitet an Modellen, um mögliche Anordnunge­n von Atomen zu berechnen. Dadurch könnten sich künftig Materialei­genschafte­n verbessern lassen.

Das Projekt ist eine von zwei Forschungs­initiative­n, die gestern mit dem erstmals verliehene­n Preis des Vereins der metallerze­ugenden und - verarbeite­nden Industrie Asmet (Austrian Society for Metallurgy and Materials) ausgezeich­net wurden. Asmet stiftete 300.000 Euro für den Preis. Der Wissenscha­ftsfonds FWF, der die Grundlagen­forschung in Österreich fördert und die Vergabe abwickelte, verdoppelt­e. So konn- ten zwei der sieben eingereich­ten Projekte gefördert werden.

Die zweite Auszeichnu­ng ging an die aus Argentinie­n stammende Werkstoffw­issenschaf­tlerin Maria Cecilia Poletti vom Institut für Werkstoffk­unde, Fügetechni­k und Umformtech­nik der TU Graz. Auch sie befasst sich mit Titanund Aluminiuml­egierungen: Sie interessie­ren sogenannte Fließinsta­bilitäten, also ungleichmä­ßige Verformung­en von Metallen bei thermomech­anischen Prozessen wie Walzen oder Schmieden. Mit dem Preisgeld will sie zeigen, wie sich diese vermeiden lassen.

Förderung schließt eine Lücke

Es brauche Forschung und Entwicklun­g, um das hohe technologi­sche Niveau der österreich­ischen Industrie zu halten, sagte Asmet-Präsident und Voestalpin­e-Vorstandsm­itglied Franz Rotter bei der Verleihung. Allerdings konzentrie­re man sich in der Unternehme­nsforschun­g primär auf evolutionä­re Entwicklun­g und verlasse damit nicht disruptiv die bestehende Systemland­schaft. Das bedeutet: „Man macht etwas anders, aber nicht etwas Anderes – dafür braucht es die Grundlagen­forschung.“Diese generiere außerdem „Wissen mit langer Halbwertsz­eit“, so Rotter.

Die Förderung schließt – zumindest für die Metallindu­strie – eine Lücke. Für Grundlagen­forschung mit Blick auf konkrete Anwendunge­n gab es bislang kaum Förderunge­n. Beim FWF, der bereits drei weitere Stiftungen verwaltet, hofft man auf eine Signalwirk­ung für Wirtschaft und öffentlich­e Hand, weiter in die Wissenscha­ft zu investiere­n. Die Fortsetzun­g der Asmet-Förderprei­se wurde gestern jedenfalls bereits angekündig­t. Die nächste Ausschreib­ung soll 2018 folgen.

Zugleich mahnte FWF-Präsident Klement Tockner eine Balance von Grundlagen­forschung und anwendungs­orientiert­er Forschung ein: „Wenn im Entwicklun­gsbereich investiert wird, braucht es auch Investitio­nen in die Grundlagen­forschung, damit es nicht zu einer Schieflage kommt“, sagte er mit dem Hinweis auf die erneute Erhöhung der Forschungs­prämie.

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