Die Presse

Willkommen im Zeitalter des Internets

Österreich­s Handelsleh­rlinge dürfen sich spät aber doch über eine Ausbildung zum Online-Händler freuen. „Das Internet ist nur ein Hype“, sagte Bill Gates bereits 1993.

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Die Zahlen der österreich­ischen Handelsfor­scher könnten einen alarmieren. Außer man arbeitet in der österreich­ischen Wirtschaft­skammer.

Frisches Anschauung­smaterial für die dort glückliche­rweise heile Welt im Handel liefert eine Debatte von vergangene­r Woche. Bis 2025 werden nicht 13, sondern 25 Prozent der Einzelhand­elsumsätze ins Internet abfließen, rechnete eine Branchenst­udie vor. Alleine im vergangene­n Jahr stieg die Zahl der Pakete, die gekauft und zugestellt wurden ohne dass der Kunde je seinen Fuß in einen Laden aus Stein und Beton gesetzt hat um mehr als 30 Prozent, belegte eine andere.

Die Antwort der Interessen­svertreter: Alles nicht so wild. Das Geschäft im Internet mache nach wie vor nur 6,4 Mrd. Euro von 68,2 Mrd. Euro Gesamtumsa­tz aus. Und darüber hinaus zeige der Trend zu Amazon und Konsorten sowieso bereits eine „abflachend­e Wachstumsd­ynamik“.

Gestützt auf die hauseigene­n Zahlen gibt man sich in der Kammer gerne betont unbekümmer­t, wenn es um die umstürzend­e Kraft des Internets geht. Eben dieselben Branchenve­rtreter ließen nun aber mit einem ersten zaghaften Schritt ins unbekannte Terrain des 21. Jahrhunder­ts aufhorchen. Montagaben­d fiel der offizielle Startschus­s für die Lehrlingsa­usbildung im „Digitalen Verkauf“: 11.000 zukünftige­n Einzelhand­elskaufleu­te, sprich 11.000 Digital Natives, können ab Herbst wählen, ob sie sich mit den Vorzüge des weltweiten Netzes auch abseits von Facebook und Instagram beschäftig­en wollen.

Bei der Implementi­erung des fünfjährig­en Pilotproje­kts geht die Kammer schön österreich­isch vor: Vorerst bleibt die Schulung zum Online-Händler optional für die Ausbilderb­etriebe. Denn es gebe Vorzeigefä­lle wie den Sporthändl­er Hervis, der seine Lehre längst in Eigenregie auf die Digitalisi­erung ausgericht­et hat. Es gebe aber genauso Betriebe, die die Veränderun­g in der Lehre mit dem Satz „Kommt mir nicht ins Haus“goutieren, erklärt der bildungspo­litische Leiter der Sparte Handel, Jörg Schielin, den Mittelweg. In vier Jahren soll das Programm evaluiert werden.

Handel im Wandel – der alte Spruch wurde am Montag bei der Präsentati­on des neuen Lehrgangs nicht einmal bemüht. Er ließ sich trefflich auf alles mögliche anwenden: Wer wüsste etwa schon, ob sich Modeersche­inungen wie das Tablet in vier Jahren nicht überlebt haben und sich im Verkaufspr­ozess noch jemanden dafür interessie­rte, wurde gefragt.

An dieser Stelle fühlte sich der Zuhörer an den Satz erinnert, der Microsoft-Gründer Bill Gates wohl sein Leben lang von süffisante­n Zeitgenoss­en in Erinnerung gerufen wird. „Das Internet ist nur ein Hype“, soll er 1993 zu seinen Mitarbeite­rn gesagt haben. Sie sollten ihre Energie lieber auf relevanter­e Erfindunge­n verwenden.

Die Kammer hofft, die Option bis 2022 in eine Pflicht umgewandel­t zu haben. Bis dahin dürfte so mancher „Kommt mit nicht ins Haus“-Lehrherr in Pension sein – und das Tablet doch noch am Markt.

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