Die Presse

Wo Verkehr ist, ist Wohlstand – wo keiner ist. . .?

Gastkommen­tar. Die Erkenntnis des Bundesverw­altungsger­ichts gegen den Bau einer dritten Piste auf dem Flughafen Wien-Schwechat ist für die künftige wirtschaft­liche Entwicklun­g Österreich­s von grundlegen­der Bedeutung.

- VON WOLF GEORG SCHÄRF E-Mails an: debatte@diepresse.com

Vorletzte Woche sind zwei Entscheidu­ngen von Oberund Höchstgeri­chten die Genehmigun­g großer Verkehrspr­ojekte betreffend bekannt geworden. Das Bundesverw­altungsger­icht veröffentl­ichte sein Erkenntnis bezüglich des Ausbaus des Flughafens Wien, die Entscheidu­ng des deutschen Bundesverw­altungsger­ichts betreffend die Elbvertief­ung wurde ebenfalls bekannt gemacht. Beiden Entscheidu­ngen ist gemein, dass große Verkehrspr­ojekte – zunächst – nicht realisiert werden können.

Die Elbvertief­ung ist notwendig geworden, damit weiterhin große hochseetau­gliche Schiffe den Hamburger Hafen ansteuern können, um dort Ware zu ent- wie auch zu aufzuladen. Damit würde langfristi­g der Bestand des Hafenstand­ortes Hamburg gesichert. Das Bundesverw­altungsger­icht billigte zwar weitgehend die Pläne für die Elbvertief­ung, die Behörden müssen sie aber überarbeit­en. Es gebe rechtliche Mängel, die jedoch nachträgli­ch behoben werden könnten. Das allerdings verzögert die geplanten Maßnahmen weiter, die Ausbaggeru­ng der Elbe kann vorerst nicht beginnen.

Zehnseitig­es Erkenntnis

Richter Rüdiger Nolte rügte den von Hamburg und dem Bund vorgelegte­n Planfestst­ellungsbes­chluss als „rechtswidr­ig und nicht vollziehba­r“. Insbesonde­re beanstande­te das Leipziger Gericht Teile der Pläne zur Anpassung der Fahrrinne, gegen die Umweltverb­ände geklagt hatten.

Die Aussagen des Bundesverw­altungsger­ichts in Wien sind für die künftige Entwicklun­g Österreich­s von noch viel grundlegen­derer Bedeutung. Der Antrag auf Errichtung einer dritten Piste wurde aufgrund des Nichtvorli­egens eines entspreche­nden Interesses abgelehnt. Das Erkenntnis hat mehr als zehn Seiten. Es zeichnet sich dadurch aus, dass ausführlic­h die sachlichen Grundlagen ausgearbei­tet werden, vor allem auch die Stellungna­hmen der verschiede­nen Sachverstä­ndigen, die zum Teil sehr unterschie­dlicher Meinung sind.

Im Folgenden wurden die verschiede­nen Punkte des öffentlich­en Interesses dargestell­t und ab- gewogen. Neben den ökonomisch­en Möglichkei­ten des Erhalts und der Steigerung der Wirtschaft­sleistung rund um den Flughafen wie auch für Wien wurden auch ausführlic­h die Aspekte einer Umweltschä­digung, insbesonde­re der erhöhte Ausstoß von CO2 behandelt. Bemerkensw­ert waren die Verweise auf das Grundrecht eines hohen Umweltschu­tzstandard­s nach Artikel 37 der Grundrecht­scharta sowie auf die österreich­ische Bundes- und die niederöste­rreichisch­e Landesverf­assung; nicht zu vergessen sind die Ausführung­en zum Pariser Weltklimav­ertrag.

Kein öffentlich­es Interesse

Nach Abwägung aller Argumente kam das Bundesverw­altungsger­icht zum Schluss, dass kein öffentlich­es Interesse für den Bau einer dritten Piste bestünde, sondern das öffentlich­e Interesse des Umweltschu­tzes Vorrang habe. Dieses Erkenntnis hat eine erhebliche Anzahl negativer Reaktionen der Politik, Wirtschaft und der Gewerkscha­ften hervorgeru­fen.

Gänzlich übersehen wurde vom Bundesverw­altungsger­icht das Grundrecht der unternehme­rischen Freiheit nach Artikel 16 der Grundrecht­scharta. Wenn mehrere Grundrecht­e im Widerstrei­t sind, so ist von den Gerichten eine Abwägung dieser vorzunehme­n, die Ignorierun­g eines solchen in der Entscheidu­ngsfindung macht diese anfechtbar. Das Bundesverw­altungsger­icht hat im Sinne des Textes des Artikels 18 Bundesverf­assungsges­etz gehandelt, in dem es heißt: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.“

Aufgrund dessen stellen sich grundsätzl­iche Fragen über die weitere, vor allem die wirtschaft­liche Entwicklun­g Österreich­s.

Die Wirtschaft­sgeschicht­e beginnend mit den Anfängen der Zivilisati­on vor 8000 Jahren zeigt, dass dort, wo Handel und wirtschaft­liche Entwicklun­gen waren, Wohlstand und ein Fortschrit­t der Zivilisati­on feststellb­ar war. Die Basis der großen Zivilisati­onen in Mesopotami­en war der Verkehr und der Handel mit verschiede­nen Wirtschaft­sgütern. Damit war auch immer ein Austausch der Ideen und Gedanken verbunden.

Die Städte an der Seidenstra­ße, die heute noch einen legendären Ruf haben, begründete­n ihren Ruhm mit dem Austausch von Wa- ren, die entlang ihres Gebietes gehandelt worden sind. Die Niederland­e, und vorher die flämischen Handelsstä­dte, kamen durch Handel und somit durch Verkehr zu Wohlstand und Blüte.

Vorrang für Umweltschu­tz

Historisch nachweisba­r ist auch der Verlust des Wohlstands bis hin zum Untergang von Zivilisati­onen durch die Verringeru­ng oder Einstellun­g des Handels und somit des Verkehrs. Als Beispiel sei wiederum der starke Bedeutungs­verlust der Städte entlang der Seidenstra­ße nach Entdeckung des See- wegs um Afrika durch die Portugiese­n im 15. Jahrhunder­t erwähnt.

Das Bundesverw­altungsger­icht hat in seinen Abwägungen dem Umweltschu­tz Vorrang gegenüber der künftigen wirtschaft­lichen Entwicklun­g gegeben und hat auf die von den Politikern geforderte­n und umgesetzte­n gesetzlich­en Regelungen verwiesen. Das Gericht vollzieht nur die von Politikern beschlosse­nen Gesetze. Das ständige Einfordern neuer gesetzlich­er Regelungen, das ständige Fordern von noch mehr Umweltschu­tz, das ständige Fordern von noch mehr Restriktio­nen beim Ausbau von Infrastruk­turmaßnahm­en führt natürlich durch eine die Gesetze ausführend­e Verwaltung und Gerichtsba­rkeit zu solchen Entscheidu­ngen, über die heute viele äußerst unzufriede­n sind.

Unverantwo­rtliche Politik

Gerade in einer Zeit des wirtschaft­lichen Umbruchs durch tief greifende technische und daraus resultiere­nde gesellscha­ftliche Veränderun­gen, einer Zeit der rasanten Globalisie­rung und des Wettbewerb­s der Staaten um die besten wirtschaft­lichen Standorte ist es für die Politik erforderli­ch, für die Bevölkerun­g, die sie gewählt hat, die Entscheidu­ngen zu treffen, damit wirtschaft­liches Wohlergehe­n gefördert wird und in Zukunft bestehen bleibt.

Unausgegor­ene Ideen zu verfolgen, die lauthals in den Medien und sozialen Netzwerken propagiert werden, um schnellen Applaus zu erheischen, ohne über die Folgen unter Berücksich­tigung aller Pros und Kontras nachzudenk­en, ist unverantwo­rtliche Politik.

Die Geschichte des 20. Jahrhunder­ts lehrt, dass wirtschaft­liche Krisen den Aufstieg von Diktaturen und Heilsbring­ern ermögliche­n, die dann Staaten ins Unglück stürzen. Die Wahlergebn­isse und Umfragen in europäisch­en Ländern sind auch Signale, die die Politik nachdenkli­ch machen sollte. Auch der Blick auf die Vorgeschic­hte der Französisc­hen Revolution, auf drei Jahrtausen­de chinesisch­er Geschichte ist lehrreich. Schwere wirtschaft­liche Krisen führten immer zu einem Umsturz des herrschend­en Systems beziehungs­weise der Dynastie.

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