Wenn Behälter zu denken anfangen
Logistik 4.0. Die Automatisierung in den Produktionsprozessen und logistischen Abläufen ist zum Wettbewerbsfaktor geworden. Experten mahnen, den Trend nicht als „Schicksalsschlag“zu begreifen, sondern ihn mitzugestalten.
Seit der österreichische Feuerwehrfahrzeug-Hersteller Rosenbauer 2014 sein neues Werk Leonding II bezogen hat, spielt Papier keine Rolle mehr. „Leonding II ist eine papierlose Fabrik, die Übermittlung sämtlicher Informationen und Daten im Produktionsprozess vollzieht sich nun auf elektronischem Wege“, sagt Unternehmenssprecherin Gerda Königstorfer. So verfügt jeder Arbeitsplatz nun etwa über ein Montagecockpit, über das wichtige auftragsbezogene Informationen elektronisch übermittelt werden. Elektronisch funktioniert auch das Nachbestellsystem: Behälter, die Kleinteile enthalten, sind hierfür mit einem RFIDChip versehen, der alle Informationen über Anzahl und Typ enthält. Sobald er leer ist, wird er in eine „intelligente“Box geworfen, diese liest die Daten aus und übermittelt sie automatisch an das Lager, das sie in der Folge neu bestückt. An den sogenannten Quality-Gates wiederum werden die Prüfdaten von Pumpanlagen und anderen Fahrzeugkomponenten elektronisch eingelesen und in das Produktionssystem überspielt.
Chance für Hochlohnländer
„Industrie 4.0“nennt sich dieses Konzept, das Produktions- und Logistikprozesse effizienter und einfacher machen soll und von Fachleuten wie Herbert Jodlbauer, Professor an der FH Oberösterreich in Steyr als Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gesehen wird: „Industrie 4.0-Konzepte ermöglichen eine kostengünstige Fertigung von personalisierten Produkten in Hochlohnländern“, betont er und sieht darin die Chance, „Fertigungskapazitäten ins eigene Land zurückzuholen und den globalen Güterverkehr zu reduzieren.“Königstorfer bestätigt diese Einschätzung aus der Praxis: „Durch die damit erreichte, effizientere Taktung der einzelnen Produktionsabläufe konnten wir die Lieferzeiten deutlich verkürzen und gleichzeitig die Kosten reduzieren“, berichtet sie. Eine komplette Durchautomatisierung sei in ihrem Unternehmen aber kein Thema, schon allein wegen der individuellen Fertigungsanforderungen der Kunden, die nur mit Fachkräften zu realisieren sind: „Wir implementieren Industrie 4.0-Konzepte dort, wo sie Sinn machen und von den Kosten gerechtfertigt werden können“, sagt sie.
Auch beim Vorarlberger Leuchten-Hersteller ZumTobel ist die Digitalisierung schon längst ein Thema. „Ohne IT wären funktionierende Logistikabläufe heute undenkbar“, betont der Leiter Logistics und Supply Chain Managment, Marcus Schwarz. Als Beispiel verweist er auf die elektronischen Schnittstellen zu Kunden, Logistikdienstleistern, Verkehrsträgern und Zollämtern. „Die erforderlichen Daten müssen vor dem Warentransport ja elektronisch bereitgestellt werden.“Generell seien viele Bereiche in Produktion und Logistik schon automatisiert, so der Experte weiter. Neu sei aber, dass selbstlernende und selbstregelnde Funktionen hinzukämen, etwa „vorausschauende“Wartungen. „Früher galt: Nach 1000 Maschinenstunden steht eine Wartung an. Jetzt können Maschinen permanent beobachtet und zu dem Zeitpunkt gewartet werden, wenn sich ein Verschleiß zeigt. Serviceeinsätze können somit besser optimiert werden“, erläutert er.
Qualifizierung der Mitarbeiter
Aber nicht alle Unternehmen sehen den Digitalisierungstrend so positiv. Roland Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0 beobachtet eine weit verbreitete Meinung: „Die Digitalisierung wird oft als ungestaltbare Realität wahrgenommen, fast wie ein Schicksalsschlag.“Dass sie nicht aufzuhalten sei, glaubt auch er: „Umso wichtiger ist es, sie mitzugestalten, um ihre unbestreitbaren Vorteile nutzen zu können“, meint er. (siehe dazu auch S. F4). Sommer rät in diesem Zusammenhang dazu, in die Höherqualifizierung der Mitarbeiter zu investieren. „Industrie 4.0 benötigt nicht nur Fähig- keiten rund um das Web 2.0 und mobile Geräte, sie umfasst auch cyber-physikalische Kompetenzbereiche und additive Fertigungsverfahren wie 3D-Druck oder Robotik.“Professor Jodlbauer verweist in diesem Zusammen auf neue Berufe in den Bereichen IT-Security, Big Data und Advanced Analytics oder Crowd-Working. Speziell die Logistik werde sich zudem verstärkt mit dem Internet der Dinge auseinandersetzen müssen, betont Jodlbauer: „Untersuchungen zeigen, dass bereits heute rund 50 Milliarden intelligente Dinge miteinander vernetzt sind. Und die Tendenz ist steigend.“