Algorithmen als Geschäftsidee
Digitale Helfer nehmen fundamentalen Einfluss auf Logistikprozesse. Dahinter stecken nicht selten unbekannte Startups. Große Unternehmen suchen ihre Nähe.
Viel bewegt sich heute in der Logistikwirtschaft. Nicht nur wegen der Sendungen, die von A nach B unterwegs sind, sondern wegen der kreativen Köpfe, die vor dem Rechner sitzen. Sie nutzen das Internet, um die Branche fundamental zu verändern – und sie gründen neue Unternehmen. Es geht um den richtigen Algorithmus. „Neue Services werden derzeit hauptsächlich durch die rasante Entwicklung der Digitalisierung und von autonomen Fahrzeugen sowie der Automatisierung bewirkt“, sagt Professor Gerd Sammer vom Institut für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku). Wo die Brutstätten dieser Gründerszene liegen, da unterscheidet Sammer grundsätzlich zwei Bereiche – einmal den lokalen und einmal den globalen.
Versandauftrag per Foto
Ein österreichisches Unternehmen, das eindeutig in die lokale Kategorie fällt, ist Byrd. Vor wenigen Monaten von einem vierköpfigen Team gegründet, will es derzeit in Wien und Berlin Fuß fassen. Vergangenen Herbst gelang es dem Team, Investoren von seinem Geschäftsmodell zu überzeugen. Das schafft finanzielle Mittel von 370.000 Euro. Diese sollen nun die nächsten Schritte ebnen.
Byrd hat sich das Versandgeschäft vorgenommen. Gegenstände werden von einem Kurier abgeholt, im Lager verpackt und dann verschickt. Alles was der Dienstleister für den Versandauftrag benötigt, ist ein Vorab-Foto des Transportgegenstandes – ganz egal, ob es sich um einen Bilderrahmen, eine Nähmaschine oder Gitarre handelt. Das Fundament der eigentlichen Logistikprozesse ist das Internet. Alles läuft über den Informationsaustausch: Auftragswunsch- und -annahme sind digital initiiert. Für die Abholung kommen zahlreiche Helfer zum Einsatz, „mehrere herumschwirrende Kuriere“, nennt sie Mitgründer und Geschäftsführer Alexander Leichter. Auch diese sind bes- tens an den Datenaustausch angebunden. Zum Verpacken kommt der Gegenstand in ein Lager und schließlich übernimmt ein großer Paketdienstleister die Reise zum Empfänger. „Wir unterstützen vor allem kleine und mittelgroße Onlineshops beim Versand Ihrer Ware“, sagt Petra Dobrocka, Mitgründerin und Marketingverantwortliche. Aber auch Private können per Foto ihre Ware versenden.
Bekannte Helfer
Trotz aller Innovationen aus dem Kleinen heraus, wie bei Byrd, ist der Einfluss auf Logistik-Start-ups durch etablierte Wirtschaftsakteure nicht zu unterschätzen. „Als Inkubator fungiert vorrangig die Industrie, aber auch führende Logistikunternehmungen“, sagt Roman Zuweilen betätigen sich auch etablierte Großunternehmen als
Dazu gehört etwa die deutsche LGI Logistics Group International, ein großer deutscher Kontraktlogistiker. Diese hat intern mit ein Konzept entwickelt, das Mitarbeitern in Unternehmen den privaten Paketempfang am Arbeitsplatz ermöglicht. Dafür können Unternehmen im Sinne eines „Social Benefits“einen PakadooPoint einrichten, an dem die entsprechenden Pakete abgegeben werden. Die Umleitung eines Pakets von der Heimadresse an der Arbeitsplatz erfolgt nach der Registrierung auf der Pakadoo-Homepage via App und persönlichem Identifikationscode vollautomatisch. www.pakadoo.de, https://getbyrd.com, www.parkbob.com. Stiftner, Präsident der Bundesvereinigung Logistik Österreich (BVL Österreich). Der Branchenexperte nennt etwa die Österreichische Post, den Telekommunikationsanbieter A1 oder Siemens als Förderer junger innovativer Unternehmen. „Dabei wird nicht nur Management-Know-how weitergegeben, sondern auch der Zugang zu Netzwerken ermöglicht“, erläutert Stiftner.
Die Unternehmen gehen hierbei unterschiedliche Wege. So schafft beispielsweise die Post mit ihrer Start-up-Challenge einen medienwirksamen Wettbewerb und unterstützt besonders überzeugende Ideen. A1 will mit dem Start-up Campus hingegen gleich selbst ein Ort des kreativen Geschehens sein: Auf 500 Quadratmetern stehen im 20. Wiener Gemeindebezirk ausgewählten Gründern Räume und weitere Infrastruktur zur Verfügung. Zudem stellt das Unternehmen eigene Expertenkontakte bereit. Auch ein Start-up, das die Logistikbranche streift, hat dort aktuell seine Adresse. Die Firma Parkbob mit dem gleichnamigen Programm zeigt auf Smartphones oder Navis freie Parkplätze im Wiener Stadtgebiet an. Es kann somit lästigem Suchverkehr entgegenwirken.
Brutstätte Universität
Außer der Zusammenarbeit von etablierten Unternehmen und Gründerfirmen, spielen für den BVL-Präsidenten auch Universitäten eine essentielle Rolle. Ein Beispiel hierfür liefert die FH St. Pölten. Diese hat im Rahmen des Forschungsprojekts „CargoRider“den Prototypen einer digitalen Plattform entwickelt, auf der Reisen auf einem Frachtschiff gebucht werden können. Grundsätzlich sieht Stiftner Österreich gut aufgestellt, betont jedoch auch: „Um Studierenden das nötige Rüstzeug für eine erfolgreiche Unternehmensgründung mitzugeben, wäre es im Rahmen der universitären Lehre wichtig, dass neben der Vermittlung von spezifischem Fachwissen auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse fixer Bestandteil der Ausbildung werden.“