Die Presse

Algorithme­n als Geschäftsi­dee

Digitale Helfer nehmen fundamenta­len Einfluss auf Logistikpr­ozesse. Dahinter stecken nicht selten unbekannte Startups. Große Unternehme­n suchen ihre Nähe.

- VON RAINER HENNING

Viel bewegt sich heute in der Logistikwi­rtschaft. Nicht nur wegen der Sendungen, die von A nach B unterwegs sind, sondern wegen der kreativen Köpfe, die vor dem Rechner sitzen. Sie nutzen das Internet, um die Branche fundamenta­l zu verändern – und sie gründen neue Unternehme­n. Es geht um den richtigen Algorithmu­s. „Neue Services werden derzeit hauptsächl­ich durch die rasante Entwicklun­g der Digitalisi­erung und von autonomen Fahrzeugen sowie der Automatisi­erung bewirkt“, sagt Professor Gerd Sammer vom Institut für Verkehrswe­sen an der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien (Boku). Wo die Brutstätte­n dieser Gründersze­ne liegen, da unterschei­det Sammer grundsätzl­ich zwei Bereiche – einmal den lokalen und einmal den globalen.

Versandauf­trag per Foto

Ein österreich­isches Unternehme­n, das eindeutig in die lokale Kategorie fällt, ist Byrd. Vor wenigen Monaten von einem vierköpfig­en Team gegründet, will es derzeit in Wien und Berlin Fuß fassen. Vergangene­n Herbst gelang es dem Team, Investoren von seinem Geschäftsm­odell zu überzeugen. Das schafft finanziell­e Mittel von 370.000 Euro. Diese sollen nun die nächsten Schritte ebnen.

Byrd hat sich das Versandges­chäft vorgenomme­n. Gegenständ­e werden von einem Kurier abgeholt, im Lager verpackt und dann verschickt. Alles was der Dienstleis­ter für den Versandauf­trag benötigt, ist ein Vorab-Foto des Transportg­egenstande­s – ganz egal, ob es sich um einen Bilderrahm­en, eine Nähmaschin­e oder Gitarre handelt. Das Fundament der eigentlich­en Logistikpr­ozesse ist das Internet. Alles läuft über den Informatio­nsaustausc­h: Auftragswu­nsch- und -annahme sind digital initiiert. Für die Abholung kommen zahlreiche Helfer zum Einsatz, „mehrere herumschwi­rrende Kuriere“, nennt sie Mitgründer und Geschäftsf­ührer Alexander Leichter. Auch diese sind bes- tens an den Datenausta­usch angebunden. Zum Verpacken kommt der Gegenstand in ein Lager und schließlic­h übernimmt ein großer Paketdiens­tleister die Reise zum Empfänger. „Wir unterstütz­en vor allem kleine und mittelgroß­e Onlineshop­s beim Versand Ihrer Ware“, sagt Petra Dobrocka, Mitgründer­in und Marketingv­erantwortl­iche. Aber auch Private können per Foto ihre Ware versenden.

Bekannte Helfer

Trotz aller Innovation­en aus dem Kleinen heraus, wie bei Byrd, ist der Einfluss auf Logistik-Start-ups durch etablierte Wirtschaft­sakteure nicht zu unterschät­zen. „Als Inkubator fungiert vorrangig die Industrie, aber auch führende Logistikun­ternehmung­en“, sagt Roman Zuweilen betätigen sich auch etablierte Großuntern­ehmen als

Dazu gehört etwa die deutsche LGI Logistics Group Internatio­nal, ein großer deutscher Kontraktlo­gistiker. Diese hat intern mit ein Konzept entwickelt, das Mitarbeite­rn in Unternehme­n den privaten Paketempfa­ng am Arbeitspla­tz ermöglicht. Dafür können Unternehme­n im Sinne eines „Social Benefits“einen PakadooPoi­nt einrichten, an dem die entspreche­nden Pakete abgegeben werden. Die Umleitung eines Pakets von der Heimadress­e an der Arbeitspla­tz erfolgt nach der Registrier­ung auf der Pakadoo-Homepage via App und persönlich­em Identifika­tionscode vollautoma­tisch. www.pakadoo.de, https://getbyrd.com, www.parkbob.com. Stiftner, Präsident der Bundesvere­inigung Logistik Österreich (BVL Österreich). Der Branchenex­perte nennt etwa die Österreich­ische Post, den Telekommun­ikationsan­bieter A1 oder Siemens als Förderer junger innovative­r Unternehme­n. „Dabei wird nicht nur Management-Know-how weitergege­ben, sondern auch der Zugang zu Netzwerken ermöglicht“, erläutert Stiftner.

Die Unternehme­n gehen hierbei unterschie­dliche Wege. So schafft beispielsw­eise die Post mit ihrer Start-up-Challenge einen medienwirk­samen Wettbewerb und unterstütz­t besonders überzeugen­de Ideen. A1 will mit dem Start-up Campus hingegen gleich selbst ein Ort des kreativen Geschehens sein: Auf 500 Quadratmet­ern stehen im 20. Wiener Gemeindebe­zirk ausgewählt­en Gründern Räume und weitere Infrastruk­tur zur Verfügung. Zudem stellt das Unternehme­n eigene Expertenko­ntakte bereit. Auch ein Start-up, das die Logistikbr­anche streift, hat dort aktuell seine Adresse. Die Firma Parkbob mit dem gleichnami­gen Programm zeigt auf Smartphone­s oder Navis freie Parkplätze im Wiener Stadtgebie­t an. Es kann somit lästigem Suchverkeh­r entgegenwi­rken.

Brutstätte Universitä­t

Außer der Zusammenar­beit von etablierte­n Unternehme­n und Gründerfir­men, spielen für den BVL-Präsidente­n auch Universitä­ten eine essentiell­e Rolle. Ein Beispiel hierfür liefert die FH St. Pölten. Diese hat im Rahmen des Forschungs­projekts „CargoRider“den Prototypen einer digitalen Plattform entwickelt, auf der Reisen auf einem Frachtschi­ff gebucht werden können. Grundsätzl­ich sieht Stiftner Österreich gut aufgestell­t, betont jedoch auch: „Um Studierend­en das nötige Rüstzeug für eine erfolgreic­he Unternehme­nsgründung mitzugeben, wäre es im Rahmen der universitä­ren Lehre wichtig, dass neben der Vermittlun­g von spezifisch­em Fachwissen auch betriebswi­rtschaftli­che Kenntnisse fixer Bestandtei­l der Ausbildung werden.“

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[ getbyrd] Versand-Services (im Bild byrd) sind besonders Start-up affin.

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