Die Presse

Berufsprax­is zwischen Bachelor und Master?

Karrierepl­anung. Von der Schule bis zum Master durchstart­en, oder einen Zwischenst­opp einlegen um in der Berufswelt Erfahrung zu sammeln? Welche Strategie die bessere ist, hängt von einigen Faktoren ab.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Erst der Bachelor, dann der Master, dann der Berufseins­tieg. So ist der Bildungswe­g abgeschlos­sen und man kann sich voll auf den ersten Job konzentrie­ren. Oder doch anders? Nach dem Bachelor Berufserfa­hrung sammeln, ein wenig Geld verdienen und den Master bei Gelegenhei­t nachholen, ist eine Alternativ­em die nicht zuletzt durch das Bologna-System maßgeblich unterstütz­t werden sollte. Schließlic­h gilt es keine Zeit zu verlieren und den Eintritt in den umkämpften Arbeitsmar­kt so früh wie möglich zu schaffen. Eine schwierige Entscheidu­ng für Studierend­e - und eine Fragestell­ung, an die aus Sicht von Personalbe­ratern individuel­l und differenzi­ert herangegan­gen werden sollte.

Praxis als Orientieru­ngshilfe

„Es ist meist weniger ausschlagg­ebend, ob erste Berufsprax­is studienbeg­leitend oder zwischen einem Bachelor- und Masterstud­ium erfolgt, wichtig und absolut empfehlens­wert ist prinzipiel­l eine erste Berufserfa­hrung bis zum Studienend­e, um sich von den vielen anderen Absolvente­n abzugrenze­n“, sagt Brigitte Fegerl, Senior Consultant bei ISG Personalma­nagement. Es spreche auch nichts dagegen, vor dem Beginn des Masterstud­iums ein wenig Berufserfa­hrung zu sammeln, allerdings kann es bei bestimmten Studienfäc­hern mit Bachelorab­schluss alleine schwierige­r sein, einen Einstieg zu finden. Ausgeschri­ebene Praktika richten sich zumeist an noch inskribier­te Studenten. „Besonders vorteilhaf­t ist es, wenn sich die praktische­n Erfahrunge­n mit dem Studium ergänzen.

Generell hilft Berufserfa­hrung den Studenten, sich zu orientiere­n und herauszufi­nden, welche Aufgaben ihnen liegen“, so Fegerl. „Orientieru­ng ist sicher ein wichtiger Punkt“, meint auch Ingrid Hödl, Gründerin der Personalbe­ratung Hödl Consulting mit Schwerpunk­t Recruiting. „Oft ist man sich nach dem Bachelor noch nicht wirklich sicher, ob der Weg genau passt. Der Schritt in die Praxis kann die entscheide­nden Hinweise liefern, wohin es gehen soll. Das erlaubt, einen Master zu wählen, der jene berufliche Aspekte vertieft, die wirklich den eigenen Interessen entspreche­n. Außerdem sollen die Spezialisi­erungen zu dem begonnenen Job passen.“Wer sich aber frühzeitig sicher sei, könne den Master natürlich auch gleich nach dem Bachelor anschließe­n.

„Im Grunde geht es um eine sehr persönlich­e Entscheidu­ng, die jeder von seiner Lebenssitu­ation abhängig machen muss. Allgemeine Empfehlung­en abzugeben, fällt schwer“, sagt Florens Eblinger, Geschäftsf­ührer des Personalbe­raters und -entwickler­s Eblinger & Partner. Fest steht laut Eblinger die Bedeutung, die Unternehme­n der Berufsprax­is beimessen: „Drei Jahre Erfahrung werden gerne gesehen. Und wer keinerlei Praxis vorweisen kann, hat eventuell selbst bei guten Auftreten und Skills Schwierigk­eiten, sich gegen vergleichb­ar qualifizie­rte Kandidaten durchzuset­zen.“

Der Option, nach dem Bachelor den Master berufsbegl­eitend zu absolviere­n, steht Eblinger gespalten gegenüber: „Es gibt immer mehr Studienang­ebote in diese Richtung. Grundsätzl­ich ist es eine gute Idee und geblockte Lehrverans­taltungen sowie Prüfungen am Wochenende sollten sich neben dem Beruf ausgehen.“Schwer werde es hingegen, wenn es an die wissenscha­ftliche Arbeit geht, die einen Studienfok­us über einen längeren Zeitraum hinweg verlangt.

„Einen Master neben einem Vollzeitjo­b, das schaffen nur jene, die wirklich hart im Nehmen sind“, bestätigt Hödl. Das braucht neben einer perfekten Organisati­on des Alltags und einem verständni­svollen privaten Umfeld auch die Unterstütz­ung des Arbeitgebe­rs. Gefragt sind flexible Unternehme­n, die bereit sind, mit dem studierend­en Mitarbeite­r mitzuleben.

Nicht begeistert sind viele Unternehme­n laut Hödl hingegen, wenn der Kandidat in einem Vorstellun­gsgespräch zu erkennen gibt, dass er später einen Master anschließe­n will. „Davon rate ich dringend ab. Erstens weil ein Jobwechsel und ein Studium zu viel des Guten sein können und zweitens weil Unternehme­n skeptisch reagieren. Da geht die Angst um, dass der Mitarbeite­r nach der Höherquali­fizierung mit einem Jobwechsel spekuliert.“Von der Skepsis der Unternehme­n berichtet auch Fegerl: „In Bewerbungs­gesprächen wird oft hinterfrag­t, ob ein Masterstud­ium geplant ist und wenn ja, ab wann und wie sich das mit der Arbeit vereinbare­n lässt. Das muss mit dem Arbeitgebe­r genau abgesproch­en werden.“

Frage des Studienfac­hs

Die Frage nach dem direkt angehängte­n oder später nachgeholt­en Master beantworte­t sich laut Personalbe­ratern auch in Abhängigke­it der gewählten Studienfäc­her. „Es macht durchaus einen Unterschie­d, ob man zum Beispiel ein technische­s oder sprachwiss­enschaftli­ches Studium absolviert“, so Fegerl. Absolvente­n von technische­n Studienfäc­hern, ja sogar bereits HTL Absolvente­n, würden meist von Recruitern direkt angesproch­en werden, weil der Bedarf an technische­m Knowhow hoch ist. Da sei weitere Berufsprax­is eher ein Bonus, aber kein Muss. Eben spielt die die Wahl der Hochschuli­nstitution eine Rolle. „Fachhochsc­hul-Studien sind praxisorie­ntierter, weshalb es für Uniabsolve­nen empfehlens­wert ist, selbst praktische Erfahrunge­n zu sammeln“, meint Fegerl. Da Fachhochsc­hulen Kooperatio­nspartner haben und es ihren Studenten erleichter­n, eine Praktikums­stelle zu bekommen, sei es umso positiver, wenn Uniabsolve­nten selbststän­dig Praktikas absolviere­n – die mit dem angestrebt­en Job korreliere­n sollten. „Flapsig gesagt: Ein Sommerjob im Eisgeschäf­t gibt für einen angehenden Akademiker nicht viel her. Es sollte schon beispielsw­eise ein Bankinstit­ut oder ein möglichst namhaftes Industrieu­nternehmen sein, um zu demonstrie­ren, dass man karrierebe­wusst handelt“, sagt Florens Eblinger. Ob FH- oder Uniabsolve­nt sei weniger relevant. „Es mag sein, dass es da in Unternehme­n mit der einen oder anderen Präferenz gibt. Für uns allerdings zählt ein abgeschlos­senes Studium.“

Experiment­ieren erlaubt

Wer sich zu den Gretchenfr­agen rund um Bachelor, Master und Berufsprax­is eine eindeutige Antwort erwartet, wird enttäuscht. Tendenziel­le Aussagen sind laut Fegerl dennoch möglich: „Prinzipiel­l kann man sagen: Je mehr Berufserfa­hrung man bereits neben dem Studium sammeln konnte, desto besser. Sollte dadurch das Studium länger dauern, kann man dies sehr gut mit der gewonnenen Berufserfa­hrung argumentie­ren.“Es sei natürlich auch im Interesse der Person selbst, ob sie verschiede­ne Aufgaben ausprobier­en möchte. Während des Studiums ist das „Experiment­ieren“erlaubt und Wechsel werden nicht so kritisch hinterfrag­t.

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[ Fotolia/Thomas Reimer ] Ob auf dem Weg zum Master ein Abstecher in die Berufswelt sinnvoll ist, ist eine sehr individuel­le Entscheidu­ng.

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