Berufspraxis ersetzt den Bachelor
Einen Master, ohne vorher einen Bachelor zu absolvieren? Das geht – bei sogenannten Weiterbildungslehrgängen und unter bestimmten Voraussetzungen.
Lebenslanges Lernen ist heute Grundvoraussetzungen am Arbeitsmarkt. War in diesem Zusammenhang die akademische Weiterbildung auf Master-Niveau früher an ein absolviertes Erststudium geknüpft, ist dieses seit einigen Jahren nicht mehr unbedingt erforderlich. „Der Gesetzgeber hat in Österreich die Möglichkeit geschaffen, neben ordentlichen Studiengängen auch sogenannte Lehrgänge zur Weiterbildung einzurichten und hierbei international gebräuchliche Mastergrade wie etwa einen MBA festzulegen, wobei die Zugangsbedingungen, der Umfang und die Anforderungen mit entsprechenden ausländischen Masterstudien vergleichbar sein müssen“, erklärt Andreas Altmann, Rektor am Management Center Innsbruck (MCI). Konkret heißt das, dass somit Weiterbildungswillige, die weder Matura noch eine Studienberechtigungsprüfung oder ähnliches vorweisen können, trotzdem die Möglichkeit haben, einen Mastertitel zu erwerben.
Zugangsregelungen mit Spielraum
Voraussetzung dafür sind eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung sowie die Aufnahmeverfahren an den jeweiligen Bildungseinrichtungen. „Diese Regelung gibt Spielraum für Interpretation, was die Zugangsbedingungen angeht und bietet grundsätzlich die Möglichkeit, in eher großzügigem Umfang Personen zuzulassen, die keinen akademischen Abschluss vorweisen können“, sagt Altmann. Eine Möglichkeit, von der am MCI allerdings nur in streng regulierten Einzelfällen Gebrauch gemacht wird. „Wir verlangen von den Kandidaten in einem aufwendigen Aufnahmeverfahren die Ablegung anspruchsvoller Zugangsprüfungen, den Nachweis einer außergewöhnlichen beruflichen Leistungsbilanz und hinterfragen die Eignung in den kommissionellen Aufnahmegesprächen“, beschreibt der MCI-Rektor. Um akademische Grade nicht zu inflationieren, sei eine qualitätsvolle Handhabung wichtig. „Am MCI wird diese Möglichkeit jedenfalls sehr restriktiv gehandhabt“, so Altmann.
„Wir haben uns der universitären Weiterbildung verschrieben, daher ist lebensbegleitendes Lernen für uns ein Auftrag“, sagt Friedrich Faulhammer, Rektor der DonauUniversität Krems. Dennoch seien die Zulassungsbedingungen streng. Voraussetzung, um ohne akademischen Titel zugelassen zu werden, sind unter anderem eine mindestens vierjährige Berufserfahrung. „Bei manchen Studiengängen müssen es auch mehr sein“, sagt Faulhammer. Dazu komme ein Aufnahmegespräch, bei dem die individuellen Voraussetzungen überprüft würden. Dazu gehören, so Faulhammer, unter anderem die facheinschlägige Qualifikation der Interessenten sowie deren Leitungsund Entscheidungskompetenz.
Die Zulassung von Praktikern ohne vorhergehendes Studium zu frei finanzierten Masterlehrgängen ist auch an der FH Campus Wien ein Thema, bestätigt Franz Gatterer, Leiter des Masterlehrganges Professional MBA. „Es werden immer die formalen Voraussetzungen und die persönlichen Eignungskriterien von Bewerbern in einem Aufnahmeverfahren evaluiert. In Aufnahmegesprächen wird etwa die Fähigkeit, wissenschaftlich zu arbeiten, auf den Prüfstand gestellt. Entspricht diese nicht den Anforderungen, ist das noch kein endgültiges Aus. „Wir bieten dann konkrete Vorbereitungsmaßnahmen an, in denen wissenschaftliche Methoden vermittelt werden“, sagt Gatterer. Denn eines sei klar: Bei allem Bekenntnis zur Durchlässigkeit des Systems stehe die akademische Qualität des Programmes und der Absolventen über allem. Und das Gesagte gilt nur für die – in der Regel kostenpflichtige – Masterlehrgänge zur Weiterbildung im Gegensatz zu öffentlich finanzierten Masterstudiengängen, die den Bachelor voraussetzen.
Begehrte Schiene
Die Nachfrage nach dieser tertiären Ausbildung ist durchaus gegeben. Ganz besonders dann, wenn es sich um branchenspezifische Lehrgänge handelt, so Gatterer. Und auch Belinda Hödl, Referentin für Hochschulpolitik in der Wirtschaftskammer Österreich, registriert den Run auf den Master-Titel: „Wir nehmen sehr wohl einen dahingehenden Trend wahr“. Gerade dann, wenn man sich nach der Lehre im Unternehmen hoch gearbeitet habe und der Sprung ins mittlere Management bevorstehe, würden Lehrgänge zur Weiterbildung gerne besucht. „Hier kann man sich etwa fehlende rechtliche oder wirtschaftlichen Kenntnisse aneignen“, sagt Hödl. In einer Untersuchung des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft an der Berufsakademie Handel in Wien im Jahr 2015 gaben immerhin 62 Prozent der Befragten als höchste abgeschlossene Ausbildung die Lehre an. Kein Wunder, dass sich Hödl von der Möglichkeit, mit Lehrabschluss einen Master zu erwerben, möglicherweise auch eine Attraktivierung der Lehre verspricht.