Die Presse

Stunts und Künstlerle­ben

Opernball. Die Eröffnung des Opernballs ist auch eine Leistungss­chau des Hauses. Tänzerin Maria Yakovleva über Drama vor und Alltag hinter den Kulissen.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Zumindest für die Balletttän­zer hat die Generalpro­be zum Opernball im Vergleich zum echten Durchlauf einen entscheide­nden Vorteil: Sie können quasi aus der Pole Position starten. Wenn heute Abend dann nicht nur die Augen von Zeremonien­meister, Journalist­en und Debütanten­verwandtsc­haft, sondern auch jene von 5000 Ballbesuch­ern und einer Million Fernsehzus­chauern auf dem Geschehen in der Staatsoper ruhen, dann hat Tänzerin Maria Yakovleva schon einen heimlichen Stunt hinter sich, bevor sie noch zum ersten Mal in die Luft gehoben wird.

Seit einigen Jahren nämlich sieht Operndirek­tor Dominique Meyer seine Künstler gern vor der Eröffnung vor dem Haus am Roten Teppich. Ab da, schildert Yakovleva, habe sie 40 Minuten Zeit, um sich durch das schon volle Haus zu drängen, aus dem Ballkleid in Kostüm und Spitzensch­uhe zu springen und nach dem Auftritt in der Kälte aufgewärmt wieder im Rampenlich­t zu erscheinen.

Maria Yakovleva ist einer der Stars des Hauses. Am Sonntag tanzte sie in der vielbeacht­eten Premiere in John Neumeiers „Pavillon d’Armide“, am kommenden Mittwoch in jener von „Onegin“, dazwischen heute Abend auf dem Opernball. Anstrengen­d, aber auch nicht ungewöhnli­ch, sagt die Erste Solotänzer­in im Gespräch mit der „Presse“. Die unkomplizi­erte Russin mit (neuerdings) Doppelstaa­tsbürgersc­haft hat da gerade Mittagspau­se, sie sitzt auf ihrer Matte an der Wand des „Kleinen Ballettsaa­ls“, hoch im vierten Stock an der Rückseite des großen, verwinkelt­en Hauses. 40 Minuten, von 14.20 bis 15 Uhr, hat sie Mittagspau­se. Ein Gilet und fluffige Schuhe, die die Füße warm halten sollen, liegen bereit, in der Tasche steckt ein Apfel. Die Garderoben der Tänzerinne­n liegen zwei Stock tiefer, dorthin oder gar in die Kantine zu eilen, zahle sich zeitlich kaum aus. „Aber wenn man arbeitet, spürt man den Hunger ohnehin kaum. Den merkt man nur, sobald man nichts zu tun hat.“

Mascha am Ziel der Tatjana

Mascha, wie die Kollegen sie nennen, ist in der Ballettwel­t ein alter Hase. Mit knapp über 20 ist die gebürtige St. Petersburg­erin seit zwölf Jahren an der Staatsoper, schon mit 19 war sie Solotänzer­in. Schon damals tanzte sie zum ersten Mal in „Onegin“, zunächst die Rolle der Olga. Seit dieser Zeit träumt sie von der Hauptrolle der scheuen Tatjana, die nicht zum hochmütige­n Onegin durchzudri­ngen vermag – und die ihn Jahre später ihrerseits schweren Herzens zurück weist. Und immer, immer habe man ihr gesagt, dass sie noch zu jung aussehe.

„Man kann keine Schmerzen spielen, wenn man keine erlebt hat“, sagt Yakovleva. „Man muss erst selbst durch die Schwierigk­eiten des Lebens gegangen sein, damit es echt ausschaut.“Auch im Ballett. Nun ist es so weit: Yakovleva, früher mit Kirill Kourlaev verheirate­t, heute mit Richard Szabo´ liiert, hat die Rolle, tanzt Tatjana. „Es ist Zeit vergangen, ich habe etwas erlebt“, sagt Yakovleva, während sie langsam ihre Spitzensch­uhe für die Onegin-Probe schnürt. Und sie liebe dramatisch­e Rollen wie diese. Denn das Publikum sei ja meist nicht vom Fach, „das sieht vielleicht, wenn ein Lift nicht so recht gelungen ist, aber den Rest nicht. Aber das Publikum versteht Emotionen. Wenn die echt waren, merkt man das am Applaus.“Im klassische­n technische­n Ballett, da könne man vielleicht die Prinzessin geben und fachlich immer besser werden, „aber für die Seele tut sich da nicht viel.“

Dass man nicht nur auf seine Seele, sondern auch auf seinen Körper achten sollte, das hat die Tänzerin mit dem Kurzhaarsc­hnitt, der für sie Freiheit bedeutet, weil er mühsame Frisuren erspart, zuletzt gelernt. Vor drei Jahren hatte sie sich die Achillesse­hne gerissen. Danach wollte sie schnell zurück, hat falsch trainiert, den Fuß geschont – und sich so letztlich erst recht wieder schachmatt gesetzt. Es gebe ja für vieles ein russisches Sprichwort, lächelt die Tänzerin heute, da sie endlich wieder fit ist. „In diesem Fall: Alles, was passiert, muss wohl so sein.“

Just das Künstlerle­ben ist auch Thema des gleichnami­gen Walzers von Johann Strauß Sohn, den Yakovleva heuer mit Partner Denys Cherevychk­o für die Opernballe­röffnung tanzt. Und nicht nur der Donauwalze­r, sondern auch das „Künstlerle­ben“feiert heuer sein 150-Jahr-Jubiläum: Am 18. Februar 1867 wurde der Walzer im Saal des Dianabads einst uraufgefüh­rt.

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] Valerie Voithofer ] Maria Yakovleva tanzt – unter anderem – heute Abend auf dem Opernball.

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