Die Presse

Wohlkalkul­ierte Benennung

Gastkommen­tar. Die lange „heldische Tradition“des Heldenplat­zes: Mit einer Umbenennun­g käme unweigerli­ch ein Stein ins Rollen.

- VON WERNER TELESKO

Es ist zu wenig bekannt, dass Straßen- und Platzumben­ennungen früher ganze Zeitungsse­iten füllten: So wurde etwa 1909 der Kirchenpla­tz von Aspern in Heldenplat­z umbenannt – eigentlich ein „zweiter Heldenplat­z“zu Ehren des großen Schlachten­siegers über Napoleon. Heute ist die Sache bekannterm­aßen diffiziler, wie die heftigen Diskussion­en zum Heldenplat­z vor der Wiener Hofburg zeigen.

Jede Umbenennun­g bedeutet letztlich eine Auslöschun­g. Im Gegensatz zu einem Palimpsest, dessen Überschrei­bungen (technisch) wieder lesbar gemacht werden können, wird es bei einer Umbenennun­g einer so bedeutende­n Platzanlag­e schwierig sein, ursprüngli­che Bedeutungs­horizonte wachzuhalt­en.

Österreich ist bekanntlic­h nicht reich an monumental­en „Heldenplät­zen“. Umso signifikan­ter ist die Wahl der beiden Persönlich­keiten für den Wiener Heldenplat­z. Bis weit in das 20. Jahrhunder­t fungierte nämlich Erzherzog Carl als wichtigste­r Garant der Verteidigu­ng Habsburgs gegen jede feindliche Expansions­politik; Prinz Eugen musste aufgrund seiner Bio- grafie als Angelpunkt für die Multiethni­zität der Monarchie herhalten. Die Wahl dieser „Helden“ist somit keine zufällige oder anlassbezo­gene, sondern vielmehr eine wohlüberle­gte, die sich in vielen Zeugnissen tief in die österreich­ische Geschichts­kultur des 19. Jahrhunder­ts eingeschri­eben hat.

Monumente als „Torwächter“

Dies wird auch am Umstand deutlich, dass Erzherzog Carl und Prinz Eugen in Interpreta­tionen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts nichts weniger als Westen und Osten der Monarchie verkörpert­en – Sieger gegen die Franzosen wie gegen die Osmanen also.

Wollte man nun diesen Platz umbenennen, wird nicht nur die Verbindung zur Geschichte der beiden Heerführer gekappt, sondern zugleich zum architekto­nischen Ensemble, dem sie zugeordnet sind – der Wiener Hofburg. Die beiden Monumente fungieren nämlich als „Torwächter“zum wenig repräsenta­tiven Eingang der Residenz. Sie schirmen gleichsam symbolisch die seit 1848 als äußerst neuralgisc­h betrachtet­e Zone des Eingangs zur Burg von der ehemaligen Vorstadtse­ite ab.

Interessan­terweise bot sich der exponierte Platz, der bis 1878 Äu- ßerer Burgplatz hieß, bereits in den 1830er-Jahren als „Heldenplat­z“an: Geplant waren dort immerhin Denkmäler für Maria Theresia und Kaiser Franz II. (I.). Der Platz besitzt somit eine wesentlich längere „heldische“Tradition, als heute bewusst ist. Der Name Heldenplat­z ist keine beliebige Benennung, sondern eine wohlkalkul­ierte, die dem Platz auch deshalb gerecht wird, da die beiden Reitermonu­mente (1860 und 1865) zeitlich vor (!) allen Bauten der mächtigen Neuen Burg, wie sie heute vor uns steht, realisiert wurden.

Sie bilden somit nichts weniger als das faktische und ideelle Zentrum des Platzes – gleichsam Kern und Ausgangspu­nkt der monumental­en Erweiterun­g der Hofburg. Mit einer Umbenennun­g käme unweigerli­ch ein Stein ins Rollen, und dieser läuft letztlich (wieder einmal) auf das Verhältnis zum habsburgis­chen Erbe hinaus.

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