Die Presse

Gesetz gegen türkische Auftritte

Referendum. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka will mit einer Gesetzesän­derung ausländisc­hen Wahlkampf in Österreich verhindern. Ein Experte bezweifelt, dass dies verfassung­skonform wäre.

- VON MARTIN FRITZL UND DUYGU ÖZKAN

Wien. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) will eine gesetzlich­e Regelung für Wahlkampfa­uftritte ausländisc­her Politiker. In das Versammlun­gsgesetz soll ein Passus aufgenomme­n werden, der es der Regierung ermöglicht, die Teilnahme ausländisc­her Politiker an Veranstalt­ungen zu untersagen, „wenn dies dem Schutz der Menschen- und Grundrecht­e dient“. Anlassfall ist das Referendum über die Einführung einer Präsidialv­erfassung in der Türkei: Präsident Erdogan˘ und einzelne türkische Minister planen Auftritte in Deutschlan­d, derzeit aber noch nicht in Österreich.

Trotzdem herrscht über die Parteigren­zen hinweg weitgehend­e Einigkeit, dass derartige Auftritte nicht erwünscht wären. Bundeskanz­ler Christian Kern hat eine gemeinsame Vorgangswe­ise der EU zu deren Verhinderu­ng gefordert, die ÖVP setzt auf Verbote auf nationaler Ebene. Die Gesetzespl­äne von Sobotka werden aber auch von der SPÖ unterstütz­t. Kanzleramt­sminister Thomas Drozda erklärte, er teile das Anliegen und verstehe die Intention, er stehe diesbezügl­ich zu hundert Prozent auf der Seite des Vorschlags des Innenminis­ters. Auch Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil hat den Vorschlag unterstütz­t, er will ihn aber – ebenso wie Drozda – noch im Detail ansehen.

Lösung nicht verfassung­skonform?

Da wird es vor allem um die Frage gehen, ob eine derartige Lösung verfassung­skonform ist. Starke Zweifel daran hat der Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk: Ein derart weit gehender präventive­r Eingriff in die Versammlun­gsfreiheit sei auf eine verfassung­skonforme Weise kaum machbar, sagte Funk zur „Presse“. In der Menschenre­chtskonven­tion seien klare Kriterien aufgezählt, wann im Sinn der Interessen­abwägung Versammlun­gen untersagt werden können: Vor allem dann, wenn dies im Interesse der nationalen Sicherheit „notwendig“ist – etwa, wenn Ausschreit­ungen drohen. Dass schon untersagt werden kann, wenn dies den Menschenre­chten „dient“, sei zu weit gefasst. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies verfassung­srechtlich Akzeptanz findet“, so Funk.

Für die aktuelle Debatte um die türkische Verfassung­sänderung käme die Gesetzesän­derung aber ohnehin zu spät, denn das Referendum findet schon am 16. April statt. Auftritte namhafter AKP-Politiker sind derzeit noch nicht geplant, aber die Unterstütz­er ihrer Sache sind sehr wohl in Österreich unterwegs. Vergangene­s Wochenende trat im Wiener Verein Wonder der Ex-Politiker und Kolumnist Sevki¸ Yılmaz auf, um für ein Ja beim Referendum zu werben. Und für diesen Freitag ist ein Auftritt des „Star“-Kolumniste­n Cem Kücük¸ geplant. In Hörbranz, Vorarlberg, will Kücük¸ über „Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft der Türkei“sprechen, der Abend wird von der AKP-Auslandsni­ederlassun­g beworben. Die Zeitung „Star“gilt als eine der Hausund-Hof-Publikatio­nen der Erdogan-˘Regierung.

Sollten auch Auftritte aktiver türkischer Politiker geplant sein, will Sobotka diese mit dem Argument verbieten, dass Ausschreit­ungen drohen. Das ist rechtlich möglich, auch wenn ein derartiges Verbot möglicherw­eise im Nachhinein erfolgreic­h angefochte­n werden kann. In Deutschlan­d ist ein Auftritt von Außenminis­ter Mevlüt C¸avus¸og˘lu in einer Veranstalt­ungshalle in Hamburg aus feuerpoliz­eilichen Gründen untersagt worden. C¸avus¸og˘lu wich auf das türkische Generalkon­sulat aus und warf – wie schon Präsident Erdogan˘ – Deutschlan­d Nazi-Praktiken vor. Trotzdem will er heute, Mittwoch, seinen Amtskolleg­en Sigmar Gabriel treffen.

Munition für Regierungs­medien

In den türkischen Medien wird der Vorschlag Sobotkas aufmerksam registrier­t. „Österreich schließt die Türen für alle ausländisc­hen Politiker“, lautet etwa eine Schlagzeil­e. Insgesamt nehmen viele regierungs­nahe Publikatio­nen die Absagen zum Anlass, um mit Nachdruck für ein Ja zu werben. Die Zeitung „Yeni Safak“¸ schrieb, dass Deutschlan­d das Nein-Lager anführe. Gerade die europäisch­en Länder, die Auftritte türkischer Politiker untersagte­n, hätten die PKK oder die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstütz­t. Die AKP kann die Absagen daher für sich instrument­alisieren. Noch deftiger reagierte der Abgeordnet­e und Erdogan-˘Berater Burhan Kuzu. In Richtung Bundeskanz­ler Christian Kern twitterte er „Verpiss dich“.

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