Zerplatzte Träume in Trumps Amerika
Einwanderung. Die vom US-Präsidenten betriebenen Abschiebungen drohen eine ganze Generation zu entwurzeln. Auch wer als Kind vor vielen Jahren ohne Papiere in die USA gekommen ist, muss damit rechnen, zurückgeschickt zu werden.
Washington.
Daniela Vargas träumt nicht von Reichtum und Ruhm, sondern von einem ganz normalen Leben: Die 22-Jährige aus Jackson im US-Bundesstaat Mississippi will studieren, heiraten und als Ehefrau und Mutter ihre Kinder im Auto zum Sport fahren. Doch der bescheidene Traum der jungen Frau könnte an der neuen Realität im Amerika von Donald Trump zerbrechen. Statt Geld für ihr Studium zu verdienen, sitzt Vargas in Abschiebehaft. Schon bald könnte sie in ein Flugzeug nach Argentinien gesetzt werden – ein Land, das sie als Siebenjährige verlassen hat.
Vargas ist ein „Dreamer“, wie die Zuwanderer genannt werden, die als Kinder ohne Papiere in die USA gekommen sind. Die Bezeichnung stammt von einer Gesetzesinitiative zum Schutz von minderjährigen Immigranten. Unter Präsident Barack Obama genossen rund 750.000 Dreamers eine Duldung und durften in den USA bleiben – doch unter Trump bekommt der rechtliche Schutzschild tiefe Risse. Niemand weiß, ob er die „Dreamers“aus dem Land werfen wird.
Bei Vargas rückt diese Möglichkeit näher. Vor etwa einem Monat musste sie miterleben, dass Beamte der Einheit ICE, einer Spezialtruppe zur Bekämpfung illegaler Einwanderung, ihren Vater und ihren Bruder festnahmen. Sie selbst blieb damals noch unbehelligt, weil sie auf ihre Duldung verwies. Doch ICE fand heraus, dass Danielas Papiere im vergangenen November abgelaufen waren – sie hat zwar eine Verlängerung beantragt, aber nicht genug Geld beisammen, um das fast 500 Dollar teure Genehmigungsverfahren zu bezahlen.
Ohne Gerichtsbeschluss
Als Vargas vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Jackson zusammen mit Kirchenvertretern und Bürgerrechtlern auftrat, um gegen die Festnahme ihrer Angehörigen zu protestieren, war es auch für sie so weit. Auf dem Heimweg stoppten ICE-Beamte ihren Wagen. „Sie wissen, warum wir hier sind“, sagte einer von ihnen und legte ihr Handschellen an.
Nach dem Gesetz hat sich Vargas schuldig gemacht, weil sie sich seit einigen Monaten ohne gültige Papiere im Land aufhält. Sie kann ohne Gerichtsbeschluss abgeschoben werden; schon in einigen Wochen könnte es so weit sein, sagte ihre Anwältin, Abigail Peterson, den amerikanischen Medien. Die Anwälte der jungen Frau haben jetzt beantragt, dass Vargas dennoch einem Richter vorgeführt wird.
Was Vargas noch drohen könnte, wird bei anderen schon praktiziert: Allein nach Mexiko schieben die USA jeden Tag 500 Menschen ab. Wie die „Washington Post“kürzlich meldete, haben sich die mexikanischen Behörden bereits auf den neuen Alltag eingestellt. Auf dem Flughafen von Mexico City werden die Rückkehrer nach der Landung ihres Fluges aus den USA von Regierungsbeamten mit Sandwiches, mexikanischen Personalausweisen und Wegbeschreibungen zum Sozialamt empfangen. Viele der Heimkehrer haben ihr halbes Leben oder mehr in den USA verbracht, wo illegale Einwanderer in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder in Restaurants arbeiten oder eigene Existenzen gegründet haben. Die Gesamtzahl der Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere in den USA wird auf elf Millionen Menschen geschätzt, sechs Millionen davon kommen aus Mexiko.
Im Wahlkampf kündigte Trump unter dem Jubel seiner rechtsgerichteten Wähler ein hartes Vorgehen gegen die Illegalen an. Inzwischen spricht der Präsident vor allem davon, „üble Burschen“wie Kriminelle und Drogenhändler hinauswerfen zu wollen, die „Dreamers“hat er dagegen als „unglaubliche junge Leute“gelobt. Dennoch geraten auch Unbescholtene wie Vargas ins Visier der ICE-Beamten.
Viele reisen legal ein
Fast vier Millionen der Illegalen haben mindestens ein Kind, das in Amerika geboren wurde und damit US-Bürger ist. Abschiebungen reißen Familien auseinander. Viele der jetzt von Abschiebung bedrohten Menschen sind seit Jahrzehnten im Land, haben Kleinbetriebe gegründet und zahlen Steuern.
Auch der Sinn der Mauer an der Grenze zu Mexiko, die Trump bauen will, ist zweifelhaft. Schon lang kommt nur noch eine Minderheit der Einwanderer ohne Papiere über die mexikanische Grenze in die USA. Die meisten reisen ganz legal ein und bleiben in den Vereinigten Staaten, nachdem ihr Visum abgelaufen ist.
Trennung von Kindern
Dennoch verschärft die Trump-Regierung ihr Vorgehen an der mexikanischen Grenze. Nach Angaben des Heimatschutzministeriums könnten die Behörden demnächst illegal einreisende Eltern und Kinder sofort voneinander trennen: Die Eltern werden in Haft genommen, während mitgebrachte Kinder in Heime gesteckt werden.
Abschiebungsgegner plädieren für Amnestie, um den bereits in den USA lebenden Zuwanderern einen Aufenthaltstatus zu ermöglichen. Viele Konservative lehnen das ab, doch soll sich Trump zuletzt bei einem Hintergrundgespräch mit Fernsehjournalisten offen für eine Amnestieregelung gezeigt haben. Eine Lösung zeichnet sich nicht ab. Wenn sich die gegnerischen Lager in Washington irgendwann einmal einigen sollten, könnte es für Daniela Vargas längst zu spät sein.