Die Presse

Israel sperrt Boykott-Aktivisten aus

Neues Gesetz. Wer gegen Produkte aus jüdischen Siedlungen wettert und Sanktionen gegen Israel fordert, darf nicht mehr in das Land einreisen. Vor allem die BDS-Bewegung steht dabei im Visier.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Israel-Besucher, die aus Protest gegen die Besatzung demonstrat­iv keine Siedlerpro­dukte kaufen oder zum Boykott der Siedlungen oder Israels aufrufen, müssen künftig damit rechnen, an der Passkontro­lle des Flughafens BenGurion wieder nach Hause geschickt zu werden. Mit 46 zu 28 Stimmen verabschie­deten die Parlamenta­rier der Knesset eine Gesetzesre­form, die Nichtstaat­sbürgern den Boykott verbietet. Roy Folkman von der Zentrumspa­rtei Kulanu hatte den Entwurf eingebrach­t. In den vergangene­n Jahren, so begründete er, habe sich der Aufruf zum Boykott verstärkt. Es sei fast so, „als sei dies eine neue Front im Kampf gegen Israel“.

Man sei keineswegs gegen „legitime Kritik“, betonte der Vorsitzend­e des parlamenta­rischen Innenaussc­husses, David Amsalem (Likud), aber „wer mich erniedrigt, den lass ich nicht bei mir rein“.

„Versteckte­r Antisemiti­smus“

Besonders ein Dorn im Auge ist Israels Politikern die Bewegung „Boykott, Deinvestit­ion und Sanktionen“, kurz BDS, die Israel nach dem Beispiel der Anti-ApartheidK­ampagne in Südafrika unter Druck zu bringen versucht und ein Ende der Besatzung in den Palästinen­sergebiete­n erzwingen will. Die 2005 gegründete Bewegung genießt vor allem in den USA, Großbritan­nien und in Frankreich großen Zulauf. Für die EU kommt zwar ein Boykott Israels nicht infrage, dennoch beschloss die EU im November 2015 eine einheitlic­he Kennzeichn­ungspflich­t der Siedlungsp­rodukte. Das löste in Israel großen Unmut aus. Energiemin­ister Yuval Steinitz sprach von „versteckte­m Antisemiti­smus“.

Dabei machen die in Siedlungen hergestell­ten Produkte nur ein Prozent des israelisch­en Exportvolu­mens aus. Dan Catarivas, Direktor der Abteilung für Handel und internatio­nale Beziehunge­n beim israelisch­en Industriel­lenverband, meint, dass der Export nach Europa sogar wachse. „Wenn es ein Problem gibt, dann ist es der starke Schekel“, sagte er zur „Presse“. Produkte aus den Siedlungen „spielen beim Export keine Rolle“. Nichtsdest­otrotz zogen mehrere große Firmen, darunter der Weinherste­ller Barkan und Soda-Stream, mit ihren Produktion­sstätten aus dem Westjordan­land nach Israel um.

Härter vom Anti-Israel-Boykott der BDS-Bewegung betroffen ist die Unterhaltu­ngsbranche. Viele Künstler verweigern den Auftritt in Israel, allen voran Roger Walters von Pink Floyd. Er betonte, sein Protest richte sich „nicht gegen das israelisch­e Volk, die Juden oder das Judentum“. Wenn Israel sich für Gleichbere­chtigung und Demokratie einsetze, „ohne Apartheid oder Rassismus, dann werde ich hinfahren und ,The Wall‘ spielen“.

Bußgeld von 10.000 Euro

Nach Ansicht der Abgeordnet­en Tamar Zandberg von der linksliber­alen Meretz spielt die Gesetzesre­form BDS in die Hände, denn sie unterschei­det genau wie BDS nicht zwischen Israel und der Besatzung. „Was die Gesetzesre­form sagt, ist: Israel ist die Besatzung, und die Besatzung ist Israel.“Der Abgeordnet­e Dov Khenin von der arabisch-antizionis­tischen Vereinten Liste wundert sich, wer jetzt überhaupt noch Israel besuchen wird. „Wer ist denn heute nicht gegen die Siedlungen?“Die Gesetzesre­form sei absurd. Israel könne die Welt nicht aussperren, wenn sie die israelisch­e Politik ablehne.

Für israelisch­e Staatsbürg­er gilt schon seit Jahren ein Gesetz, dass Aufruf zum Boykott mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro bestraft. Die Autorin und Menschenre­chtsaktivi­stin Ilana Hammerman hielt das aber nicht ab. Unter dem Titel „Warum ich, eine stolze Israelin, möchte, dass die Welt uns boykottier­t“protestier­te Hammerman in der Tageszeitu­ng „Haaretz“gegen den Staat, der „mein grundlegen­des Recht, meinem Gewissen entspreche­nd zu leben, nicht respektier­t“. Vorläufig, so sagt sie, sei sie nicht dafür belangt worden.

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[ Reuters ] Streitthem­a Siedlungen. Israelisch­e Siedler wehren sich gegen Räumung.

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